Mittwoch 18. Dezember 2024
Katechesen von Kardinal Christoph Schönborn

5. Katechese 2004/05: "Wege zum Gebet - Gnadenbilder und Stifter"

Die fünfte Katechese der Reihe "Evangelium der Kathedrale" ging dem Thema der "Wege zum Gebet" nach. Annemarie Fenzl lenkte den Blick in die Denkweise der Menschen vergangener Zeiten, zu den Stiftern im Stephansdom und zu den Gnadenbildern.

Eminenz, lieber Herr Kardinal, lieber Reinhard,
im abendlichen Dom zu St. Stephan versammelte "Katechesen-Gemeinde"!

Geld regiert die Welt. Leider hat es oft den Anschein, Geld regiert auch die Kirche. Ich denke, uns alle lässt die große Zahl derer, die nach jüngsten Nachrichten wieder der Kirche den Rücken zu gewandt haben, nicht gleichgültig. An ersten Stelle steht sicher die Traurigkeit, dass es uns als Kirche offenbar nicht gelingt, unsere Botschaft, von der wir glauben, dass sie - im besten Sinn des Wortes - "lebens-notwendig" ist, den Menschen so zu vermitteln, dass sie dort auch ankommt und angenommen wird. Im Hintergrund aber steht wohl auch immer die irdische Sorge, woher denn in Zukunft das notwendige Geld kommen soll, um unsere Aufgaben erfüllen zu können.

Der Stephansdom zeigt Wege
Da wir als Kirche mitten in der Welt leben wollen, sind Diskussionen um äußere Formen, auch Einbekenntnis unseres Versagens, wohl notwendig, sie sind allein aber nicht die Lösung des Problems. Was uns fehlt, inmitten der trügerischen, weil sehr zerbrechlichen Sicherheit unseres Lebens, ist die Erkenntnis, dass wir nichts aus uns selbst vermögen, das uns nicht geschenkt worden ist. Dass wir Wanderer sind, eingebunden in die große Weggemeinschaft der Menschheit, unterwegs zu einem Ziel, das zu erkennen uns auch geschenkt wird.

Der Dom zeigt uns auch hier einen Weg, indem er uns da und dort einen Blick tun lässt in die Denkweise der Menschen vergangener Zeiten. Er bewahrt Spuren, Zeugnisse unserer Vorfahren und ihrer Einstellung zu Leben und Tod, zu Gott und Welt.
Was aber ist Gnade?
Was der Dom heute ist, wie ihn die Fremden bewundern und wie wir ihn lieben, wäre er nicht ohne die Liebe und die daraus resultierende ganz persönliche Zuwendung der Menschen vergangener Jahrhunderte, die als Stifterinnen und Stifter für ihn gesorgt haben. Neuheiden aus aller Welt bestaunen ihn und wundern sich, wie die Vorfahren das alles zustandegebracht haben, stellen düstere Vermutungen über "die reiche Kirche" an - und verstehen nichts von der Botschaft.

Das Schlüsselwort heißt: Gnade. Was aber ist Gnade? Das Wort wird in der Alltagssprache heute eher selten gebraucht. Die moderne Gesellschaft und auch Rechtsordnung hat so viele Sicherungen eingebaut, dass niemand mehr so uneingeschränkt mächtig ist, dass es von seiner Willkür abhängt, ob er "gnädig" ist oder nicht.
Der Katechismus der Katholischen Kirche definiert Gnade so: "Gnade ist das Wohlwollen, die ungeschuldete Hilfe, die Gott uns schenkt, um seinem Ruf zu entsprechen." Und unsere Berufung ist es demnach, Kinder Gottes zu werden und teilzuhaben an der göttlichen Natur und am ewigen Leben.

So schenkt Gnade, wenn wir offen sind für sie und sie arbeiten lassen, eine neue Ausrichtung des Lebens: Ich muss mich nicht mehr ständig sorgen, was ich wert bin, ob ich entspreche, ich muss mich nicht mehr andauernd selbst behaupten. In der "Gnade" kann ich mich geborgen fühlen, sie signalisiert mir immer wieder die Möglichkeit eines Neuanfanges. Gnade lässt mich irgendwann auch erkennen, dass immer übergenug davon da ist, ausreichend auch für andere Menschen in der Welt - vielleicht sogar auch durch mich und das, was ich mich bemühe.
Gnade macht dankbar: nicht nur für die hellen Seiten des Lebens, sondern - seltsamerweise - gerade auch für die dunklen Seiten, wenn ich meine - manchmal unerklärliche - Kraft als Gnade erlebe. Und in dem Maß, in dem Christen jeglicher Profession immer ohne Scheu zeigen, wie sehr sie selbst auf Gnade angewiesen sind, können sie auch anderen Menschen zu der Bereitschaft helfen, Gnade anzunehmen.

Das Ganze fokussiert in der Überzeugung, dass ein Christ auf die Frage: "Wie geht es Ihnen?" eigentlich immer antworten müsste: "Danke. Es geht mir besser, als ich es verdiene."

So ist Gnade vielleicht weniger ein Inhalt kirchlicher Lehre, als eine bewusste Ausrichtung des Lebens, eine Haltung, eine Daseinsform.
"In bestimmten Anliegen immer der Fürsprache sicher zu sein"
Und wie war das in früheren Zeiten? Wenn man heute versucht, die vielfältigen Formen all dessen, was gewöhnlich mit "mittelalterlicher Frömmigkeit" umschrieben wird, zu verstehen, dann mag ein Wort des schweizerischen Kultur- und Kunsthistorikers Jacob Burckhardt (1818-97), eines bemerkenswerten Kritikers des neuzeitlichen Fortschrittsglaubens, dabei hilfreich sein, wenn er in bezug auf das Mittelalter meint: "Es handelt sich um das Verständnis. Unser Leben ist ein Geschäft, das damalige war ein Dasein." - Darüber lohnt es sich, nachzudenken.

Der Mensch, im mittelalterlichen Verständnis, zwischen Himmel und Erde, in der Spannung zwischen "Ebenbild Gottes" und "armem Sünder" angesiedelt, war allerdings sein ganzes Leben von Seelennot begleitet. Die ständig gefährdete Lebensführung, die bedrängende Sorge um das ewige Seelenheil gab dem Leben meist einen düsteren Ernst.

"Media vita in morte sumus" - diese Feststellung Notkers von St. Gallen war allgegenwärtig. Der Tod gehörte zum Leben. Er gehört auch heute dazu, wir merken es nur nicht, weil wir einen perfekten Verdrängungs-Mechanismus in Gang halten. Der Tod war Angelpunkt des Lebens, von welchem alle Betrachtung ausging. In der Sorge um ihre Seligkeit ergriffen die Menschen daher bereitwillig die von der Kirche angebotenen Formen und Möglichkeiten religiösen Lebens: Gebete und Andachtsübungen, Gottesdienste an zahllosen Fest- und Feiertagen, aus vielfachen Anlässen entspringend, um in bestimmten Anliegen immer des Schutzes und der Fürsprache möglichst vieler Heiliger sicher zu sein. Wohl aus einer solchen Überzeugung heraus bestimmte zum Beispiel der Wiener Bürger Ulreich der Wild im Jahr 1416 in seinem Testament, dass nach seinem Tod für ihn und sein Heil 500 Seelenmessen zu lesen wären.

Die Regelung des irdischen Vermächtnisses vollzog sich im Einklang mit der Vorsorge auf das jenseitige Leben. In den zahlreichen frommen Stiftungen tritt das Denken der Menschen des Mittelalters besonders klar zutage: Gläubige schenkten einen Teil ihres Besitzes an eine Kirche oder an ein Kloster, damit davon für ihr oder ihrer Verwandten Seelenheil Messen gelesen würden, täglich, wöchentlich oder in größeren Intervallen, Quatembermessen, bzw. in Form von Jahrtagsstiftungen, die zu einer jährlichen Messe, jeweils am Todestag des Stifters verpflichteten. In der Regel waren im Zuge der Stiftungen auch Spenden für Bedürftige vorgesehen.
Der Wunsch nach ewiger Seligkeit
Die Anzahl und Ausführung der Seelenmessen, die Ausstattung der Leichenbegängnisse oder auch die Feier von Jahrtagen, schließlich die Art und die Anzahl von "Erinnerungsstücken" in Form von gestifteten Altären oder liturgischen Geräten variierte je nach den Möglichkeiten der Betroffenen. Und so bedachten Geistliche, Bürger und Bürgerinnen, Kirchen in Stadt und Land in ihren Testamenten mit oft ansehnlichen Legaten. Sie stifteten aber auch kunstvoll geschnitzte Altäre mit schönen Tafelbildern, vor welchen, ebenfalls durch Stiftungen gesichert, das Ewige Licht brannte, Glasgemälde in den Fenstern, kostbare kirchliche Geräte, Gewänder und wertvolle Paramente, sowie liturgische Bücher für die Feier des Gottesdienstes und ermöglichten dadurch die "Zierde" des Gotteshauses. Hier konnte es keine Grenzen geben, hier konnten die Bedürfnisse nie befriedigt werden, das Ziel der Vermehrung des Schmuckes zur immer höheren Ehre Gottes blieb in Ewigkeit bestehen.

Die städtische und in gewissem Sinn auch die ländliche Bevölkerung hatte sich durch ihre Erwerbstätigkeit einen Platz in der Gesellschaft gesichert. So war es im Denken der Zeit nur verständlich und konsequent, sich auch den Himmel durch religiöse Leistungen zu "erwerben". Der Wunsch nach ewiger Seligkeit, nach Loskauf von Sündenstrafen beflügelte den einzelnen Menschen und die ganze Gesellschaft und setzte Geldmittel frei, die in den Dienst einer guten Sache, der Religion, gestellt wurden.

Auf St. Stephan bezogen, war es, so gesehen, ein gemeinsames Anliegen, St. Stephan wurde - man möchte fast sagen - zum Prestigeprojekt von Generationen. Das von kirchlicher und weltlicher Macht im Jahr 1137 einvernehmlich zustande gekommene Projekt "Bau einer großen Kirche zum hl. Stephanus in Wien" führte 1147 zu einer ersten Weihe und 1263 - nach vorangegangenem Umbau des romanisches Baues zu einer weiteren Weihe eines nunmehr spätromanischen Kirchengebäudes.

Im Jahr 1300 berichtet der Chronist des Stiftes Zwettl, welches damals ein Haus an der Ostseite des heutigen Stephansplatzes besaß, dass die Bürger von Wien den Chor ihrer Pfarrkirche St. Stephan erweitern wollten und das Stift daher gezwungen war, sein Haus, das, auf der Ostseite des Stephansfreithofes gelegen und dadurch diesem Vorhaben hinderlich war, zu verkaufen. Die noch in demselben Jahr begonnenen Kaufverhandlungen fanden, nach der Erwerbung eines Ersatzhauses für das Stift in der Nähe, dem heutigen "Zwettlerhof", im Jahr 1304 ihren Abschluss.
Große Stiftungen für den Bau des Domes
Und in den darauffolgenden Jahren, von 1304 bis 1340 erbauten die Bürger von Wien den neuen Chor ihrer Hauptkirche. Angeführt von dem damaligen Pfarrer bei St. Stephan, Magister Heinrich von Luzern, einer charismatischen Persönlichkeit mit großem Organisationstalent, - der mit Datum vom 15. Juni 1334 selbst einen neuen Altar, den sogenannten Gottsleichnamsaltar, der verbunden war mit einer Messstiftung und einem reich bepfründeten Kaplan, in die Stephanskirche hineinstiftete, - mehrten sich die Zuwendungen von Wiener Bürgern und Bürgerinnen zugunsten der im Bau befindlichen Stephanskirche, entweder direkt zum Bau oder bereits auf einen der neuen Altäre. Ein schönes Beispiel für viele ist das Testament der Gerdraut, Herrn Fridreichs witebe des Saitchoufer, die am 6. Jänner 1328 ihren letzten Willen bekundete und darin der Stephanskirche "sechs pfunt phennige ze dem werich" schenkte. - Wenn man bedenkt, dass z.B. der Taglohn eines Weingartenarbeiters in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ungefähr 3-4 Pfennige betrug; dass ein Pfund gleich 240 Pfennige war; so waren 240 x 6 = 1440 Pfennige : 4 = 360 Taglöhne, also ungefähr der Gegenwert des Lohnes eines Weingartenarbeiters für ein Jahr!

Die letztwilligen Verfügungen in der Zeit dieses großen bürgerlichen Vorhabens geben zugleich einen lebendigen Einblick in das Denken der Menschen, so zum Beispiel auch das Testament der Pericht, der Schwester des Gofferswentz, welches am 1. September 1336 ausgestellt wurde. Pericht hatte ein Haus auf dem Chienmarkt und einen Weingarten. Davon bestimmte sie eine ewige Messe "datz sant Stephan in der pharchirichen ze Wienne, auf swelchem alter daz sei". Ihrem Neffen Seyfrit vermacht sie Haus und Weingarten, für den Fall, dass er Priester wird; wird er nicht Priester, so soll Lukas, wenn nicht Lukas, so Nichlas Priester werden. Wenn aber auch dieser nicht Priester werden will, so sollen Haus und Weingarten an den Kirchenmeister von St. Stephan fallen, der sie seinerseits einem Priester auf einem zu bestimmenden Altar geben soll. - Von ihrem fahrenden Gut gibt sie dann noch dem Kirchenmeister 10 Pfund Silber "zu dem werich hintz sant Stephan und alswo nindert noch niement anders". Sie bedenkt auch die Chorherren mit 12 Schillingen, die aber, falls irgendwelche Schwierigkeiten entstehen sollten, ebenfalls zu dem werich fallen sollen. Besiegelt ist ihr Testament mit dem Siegel ihres "Peichtingers", Herrn Wernher, Chorherr bei St. Stephan.

Mit zunehmendem Baufortschritt mehrten sich auch die Zuwendungen der Wiener Bürger gezielt: So stiften etwa knapp vier Jahre nach der Errichtung des Gottsleichnamsaltares, am 7. Jänner 1338, der Wiener Bürger Ulreich der Sinnevoll und seine Frau Margaret ein Ewiges Licht auf diesen Altar. Kaum ein Ratsbürger der Stadt Wien vergaß in seinem Testament die Hauptkirche zu bedenken.

Im Jahre 1339 war wohl auch die Innenausstattung des Baues weit vorangeschritten und die Fertigstellung des Werkes war abzusehen. Nun galt es, noch einmal alle Kräfte zusammenzuspannen. Zu diesem Zweck bemühte man sich eigens um eine besonders feierliche Ablassurkunde, welche am 5. November 1339 von zwei Erzbischöfen und zehn Bischöfen, die sich zu dieser Zeit am päpstlichen Hof in Avignon aufhielten, ausgestellt wurde. Hier konnte das Volk nun explicit hören, dass insgesamt zwölf Bischöfe allen jenen, welche die Pfarrkirche des hl. Stephanus in Wien andächtig besuchen und vor allen aber jenen, die zum Bau des neuen Chores und des neuen Tabernakels, worin das Allerheiligste aufbewahrt wird, beitragen, einen Ablass von 40 Tagen verleihen. Nach einer überlieferten Ansicht, die allerdings von der Kirche nie unterstützt wurde, galt eine Ablassurkunde als um so wertvoller, je mehr Aussteller sie aufweisen konnte. Die Ablässe von je 40 Tagen pro Bischof wurden gewissermaßen addiert und man kam somit auf eine beträchtliche Anzahl von Tagen.
Gestiftetes solle "hierbei ewig verbleiben"
Aber abgesehen davon ist anzunehmen, dass die Menschen, das fast vollendete Werk vor Augen, gerne und reichlich gaben. Denn in einer Zeit, da Leben und Glauben noch eine Einheit bildeten, war es für die meisten Menschen ganz persönlich wichtig, etwas "zu dem großen Werk" oder "zu dem Pau", wie man es immer wieder in den Urkunden lesen kann, beizutragen. Man identifizierte sich mit dem Bestreben, das Haus Gottes auf Erden möglichst schön und würdig zu gestalten. Die Wege der Frömmigkeit, die Wege zum Gebet, führten über das gemeinsame Werk.

Die feierliche Weihe des neu erbauten Chores am 23. April 1340, gemeinsam mit sechs Altären, setzte den Schlussstrich unter nahezu vierzigjähriges Planen und Bauen. Die Beiträge zum Bau, bzw. zu den Bedürfnissen der Kirchenfabrik gingen auch nach der Vollendung des Baues weiter.

Die drei unter einem mächtigen Dach vereinten, weiten lichten Chorhallen, die gegenüber der romanischen Anlage einen wesentlichen Platzgewinn brachten, sollten nun verschiedene Aufgaben erfüllen: als Versammlungsort der Curgeistlichkeit und später des Kollegiatkapitels, standen sie auch festlichen Gottesdiensten zur Verfügung und nahmen Messstiftungen vornehmer Bürger auf. Und - entsprechend dem Denken der Zeit - sollten die Mauern des neuen Chores, Stein um Stein erbaut mit frommen Stiftungen, Legaten und Testamenten, nicht nur die Macht der Kirche, sondern auch Macht und Stärke jedes einzelnen Stifters verkünden.

Neben den vielen kleinen und unbekannten gab es bei St. Stephan aber auch große und mächtige Stifter. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts bereitete sich, auch rein äußerlich, die Wandlung St. Stephans zur Domkirche vor. Der Stifter par excellence in dieser Zeit ist wohl Herzog Rudolf IV. und seine Stiftung war einer der folgenreichsten Akte bei St. Stephan. Überzeugt von der hohen Sendung seiner Familie, von seiner persönlichen Auserwählung und seiner besonderen Aufgabe für Österreich, war Rudolf, - trotz seiner Jugend, er wurde nur 26 Jahre alt, - ein politischer Denker, entschlossen, einer von ihm verfolgten großen Idee alles unterzuordnen, auch die Kirche seines Landes. Als er am 11. März 1359 den ersten Spatenstich zum hoch- und spätgotischen Erweiterungsbau von St. Stephan gemeinsam mit seiner Gemahlin Katharina vornahm, begann eine neue Stifterepoche. Die am 7. April - vielleicht in der Nähe des heutigen hohen Turmes - vorgenommene Grundsteinlegung wurde in einer eigenen Herzogsurkunde von beiden eigenhändig unterzeichnet. Hier wurde festgehalten, dass "alle Güter, Gülten, etc., Kleinodien, Zierden, Heiligtümer, Gold, Silber und andere Dinge, wie die genannt seind, so von ihnen beiden oder andern Personen der zu bauen angefangenen Pfarrkirch bei St. Stephan bereits gewidmet worden oder noch künftig dahin verschafft werden, hierbei ewig verbleiben"; dies sollte um so mehr gelten, als der Herzog und seine Gemahlin in dieser Kirche ihr Begräbnis erwählt hätten und sie zu einer Propstei und einem "Tum" machen wollten.
Der Herzog selber schenkte St. Stephan immer wieder - so auch am Fronleichnamstag des Jahres 1360, dem 4. Juni - wertvolle Reliquien. Diese Urkunde umrahmt ein Gebet des Herzogs mit der Bitte um Gottes Trost und Segen.

Dieses feierliche Zeremoniell des symbolischen Baubeginnes fiel nicht von ungefähr mitten hinein in den Prozess der Stiftung eines exempten Kollegiatkapitels bei St. Stephan, - des heutigen Domkapitels - der im März des Jahres 1365 seinen Abschluss fand. Damit war eine bedeutsame Vorstufe für den ersehnten künftigen Bischofssitz geschaffen worden.

Herzog Rudolf IV., der Stifter starb nur kurz danach, am 27. Juli 1365 in Mailand und wurde, eingehüllt in ein kostbares Leichentuch und eine schwarze Kuhhaut, über die Alpen gebracht, nach Wien, in seinen Dom zu St. Stephan, wo er seine ewige Ruhestätte fand.

Der Herzog präsentierte sich und seine Gemahlin an allen strategisch wichtigen Orten seiner Kirche: an der Westfassade, an den beiden Seitentoren und im Chor. Die schönste vollplastische Darstellung seiner Person ist - meiner Meinung nach - jene im Gewände des Bischofstores: ernst und gesammelt steht Rudolf da, in Händen sein Kirchenmodell - und es ist nicht irgendein stilisiertes, nein, deutlich zu erkennen ist der dreigestaffelte Albertinische Chor, den Rudolf ja bereits kannte. Und deutlich ist zu sehen, dass der Herzog zu den vorhandenen Heidentürmen zwei weitere plante: diese sollten, zusammen mit dem Langhaus und den doppelgeschoßigen Westkapellen, im politischen Konzept des ehrgeizigen Herzogs eine integrierende Rolle spielen: St. Stephan sollte Sitz eines Bischofs werden und ein Bau für solche Zwecke legitimierte sich im Mittelalter immer durch Zwei- oder Mehrtürmigkeit.

So symbolisiert dieses Bild Rudolfs die Meditation, das Gebet eines mittelalterlichen Herrschers, der vor allem an sein Land dachte, das nicht zu trennen war von seiner Familie; ein Fürst, der es geschafft hat, auch dem österreichischen Menschen schlechthin jenes unverwechselbare Gefühl seiner besonderen Sendung zu geben - ein unverzichtbarer Teil davon war aber auch mit St. Stephan verbunden, dessen Rangerhöhung zur Bischofskirche, letztlich auch zur höheren Ehre Gottes, er zielstrebig verfolgte.
"Tief frommes katechetisches Programm"
Rund hundert Jahre später, etwa um 1440, hatten die Außenmauern des inzwischen wie Schalen zu beiden Seiten der alten romanischen Kirchenwände weiter gewachsenen neuen Langhauses Gesimshöhe erreicht. Und bereits bei der Errichtung der Langhauswände waren in Dreiergruppen angeordnete Konsolen und Baldachine miteingeplant worden, welche die Pfeiler des Langhauses zu Trägern eines reichen Bildprogrammes machen sollten. Im Gegensatz zum Chor, dessen Bildprogramm vorgegeben war, war hier nichts festgelegt, auch ist kein theologisches Konzept erkennbar. Bei näherer Betrachtung lässt sich eine gewisse Ordnung in eine Frauen- und Männerseite erkennen, darüber hinaus ist auch ein Bezug zu den Reliquien, den Altären und Kapellen der Kirche gegeben. Insgesamt 77 Figuren und Figurengruppen, heute noch auf mittlerer Höhe der Pfeiler zu sehen, zumeist aus Stein und Ton, von bürgerlichen Stiftern in die Kirche "hineingestiftet", boten so Gelegenheit zu freier Entfaltung frommen Mäzenatentums. Aus diesem Grund begegnen uns auch zahlreiche Wiederholungen im Figurenprogramm, was den frommen Sinn der Stifter von damals nicht störte.

Und so entfaltet sich dem, der sehen kann, auch heute noch ein umfassendes, liebevoll ins Detail gehendes, manchmal naives, aber immer tief frommes katechetisches Programm, das - ausgehend von den beiden Mittelpunkten des Kirchenjahres, Weihnachten und Ostern, die ganze Heilsgeschichte umfasst: von den Propheten, die das Heil voraussagen, bis zu seiner Erfüllung durch Jesus Christus. Es beginnt bei Gottvater, der, - die Welt in seiner Linken, - seine Rechte zum Segen erhoben hat, flankiert zu beiden Seiten von der Jungfrau Maria und dem Engel der Verkündigung. Maria ist noch des öfteren vertreten, zusammen mit den drei Königen, die Gaben zu ihrem neugeborenen Kind bringen, zumeist als Mutter, bei der alle Stände Zuflucht suchen und finden, aber auch als Mutter, die voll Trauer ihren toten Sohn in Armen hält. Die Leidensgeschichte - Dornenkrönung, Ecce Homo und Geißelung - an der Nordwand, Ölberg, Gefangennahme, Kreuztragung und Kreuzigung an der Südwand mündet ein in die Auferstehung, wo neben dem Auferstandenen eine freudig lächelnde Maria Magdalena steht und ihr Salbgefäß festhält. Darüber hinaus sind Heilige, vor allem Kirchenpatrone oder solche, deren Reliquien man besaß, darunter Apostel, Evangelisten, Märtyrer, Jungfrauen und Bekenner, allesamt Zeugen und Verkünder der Botschaft des Auferstandenen, in bunter Folge, in sanften Farben, mit blumengeschmückten Kleidern und liebevoll ausgearbeiteten Details, versammelt.

Die Stifter all dieser Heiligen, einzelne Bürger, aber auch Bruderschaften und Zünfte, haben sich an mehreren Stellen mit Wappen oder auch mit Stifterfiguren verewigt: Kleine Gestalten, den Kopf bedeckt und Rosenkränze in Händen, so stehen sie, an die Beine des Schmerzensmann geklammert, sie sind auch bei Christus, der an die Geißelsäule gebunden ist; sie sind am Ölberg, unter den schlafenden Jüngern, die, die mit Jesus wachen und beten; sie knien unter dem Kreuzigung an der Südwand, gleich die ganze Stifterfamilie. Sie sind geborgen, mit ihren Rosenkränzen, der Mann hat den Hut abgenommen und vor sich gelegt, unter dem Mantel der Gottesmutter, ganz vorne, gleich hinter ihnen, Papst, König und Bischof und weitere Schutzsuchende. Manchmal haben sie auch nur ihre Wappen und Hausmarken hinterlassen.

Sie, die Stifter, machen so die Pfeiler der Kirche von Stützen zu tiefsinnigen Bildträgern und markierten eine Wegandacht, hin zum Hauptaltar. Wichtig war nicht mehr so sehr die Architektur, die Ausstattung des Raumes folgte vielmehr den Gesetzen einer bürgerlichen Frömmigkeit, die aus eigenem Antrieb Orte der Andacht schuf, die auf den Menschen bezogen waren.
"Die Heiligen sind mit uns hier in der Kirche"
Den Bürgern von Wien lag ihre Hauptkirche tatsächlich am Herzen. Die meisten dieser in die Kirche gestifteten Statuen sind ab der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden, - ungefähr zu der Zeit, da St. Stephan Bischofskirche wurde, - zum Großteil geschaffen von Bildhauern der Bauhütte von St. Stephan. Von Kunsthistorikern der Gegenwart werden sie insgesamt als "von unterschiedlicher Qualität" bezeichnet. In diesen Kategorien haben die Stifter des 15. Jahrhunderts nicht gedacht. Sie waren überzeugt: Die Heiligen sind mit uns hier in der Kirche und sie beten mit uns und sie bitten auch für uns. Gerade dieser Umstand aber ist es, der dem heutigen Besucher von St. Stephan ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit zu vermitteln vermag, wie sonst nirgendwo.

Manchmal schufen wohlhabende Wiener Bürger auch gleich einen ganzen "Ort der Andacht". Am Beispiel des Puchhaim-Baldachins in St. Stephan, wahrscheinlich von Hans von Prachatitz geschaffen, der sich noch heute in der Nordwestecke des Domes, gleich neben dem Eingang zur Tirna-Kapelle befindet und der heute den Herz-Jesu-Altar überdacht, lässt sich sehr schön die Gestaltung eines solchen gestifteten "Ortes der Andacht" im Kircheninneren, wie es den Gesetzen der bürgerlichen Frömmigkeit des späten Mittelalters entsprach, aufzeigen. Seine Errichtung und Erhaltung ist durch zwei Stiftsbriefe bezeugt.

Am 14. August 1434 stiftete demnach Elspeth, "Herrn Wilhelm von Puchaim eliche Hausfraw ... ein ewig liecht in die neue Capellen, die ich undt der ehegenant mein lieber Mann haben von neuen dingen lassen pauen, gelegen in allerheiligen Thumbkirchen zu Sandt Stephan zu Wien, undt stosset an der Tyrrna Capellen..." Drei Jahre danach, am 11. Oktober 1437 stiftete ihr Gemahl, Herr Wilhelm von Puchaim, "obrister Drucksäss in Österreich", in ebendieser von ihm erbauten Kapelle, in der nun bereits ein Andreasaltar stand, eine Ewige Messe auf den genannten Altar und zwar für einen Caplan. Für den Unterhalt dieser Stiftung widmet er sein Haus auf dem Judenplatz. - Mit diesen beiden Stiftungen war also für die Errichtung, für ein ewiges Licht, sowie für den Unterhalt eines Kaplans zunächst gesorgt. So reichte die Frömmigkeit mitten hinein in das Leben.

An der Schwelle des 16. Jahrhunderts neigte sich die große Zeit des mittelalterlichen Bauens am Dom ihrem Ende zu. Reformation und Türkennot lähmen Geist und Willen. Wien war seit kurzem (1469) Bischofssitz und St. Stephan erlebte - bereits in der Auseinandersetzung mit der neuen Zeit - einen letzten Höhepunkt mittelalterlichen Kunstschaffens: Taufstein, Kanzel, Orgelfuß und Chorgestühl.

Das kleine und unbedeutende Bistum wurde von Administratoren aus den Nachbarländern mitverwaltet. Erst 1513 bekommt es einen ersten Residentialbischof, Georg von Slatkonia. Dieser ist - wenig ehrenvoll - in die Diözesangeschichte eingegangen als derjenige, der am Beginn der Reformation einem lutherischen Prediger, Paulus Speratus, die Domkanzel überließ.

Eine andere, nachhaltigere Tat dieses Bischofs ist in Vergessenheit geraten. Denn mitten hinein in diese unruhige Zeit, da Altüberliefertes plötzlich nicht mehr zu gelten schien, stiftete Bischof Georg mit Datum vom 19. Juli 1521 für ewige Zeiten ein Salve Regina, "so teglich all abenndt von ainem yeden Cantor, seinen Gesellen und acht Helffern in Allerheiligen Sannd Steffans Thumbkirchen" gesungen werden soll. Zur Dotierung dieser Stiftung sollten, nach dem Willen des Bischofs, die Erträgnisse der "fünf Chramerläden" dienen, die er in dem von ihm neu errichteten "Bischofflichen Pallaci" erbauen hat lassen.

Diese Stiftung steht allein in der Geschichte von St. Stephan - kein anderer Bischof nach ihm hat ähnliches getan. Bischof Georg war vor seinem Bischofsamt Rektor der Hofmusikkapelle Kaiser Maximilians gewesen und seine religiöse Ausdrucksmöglichkeit war in besonderem Maß die Musik. In einer Zeit, da die Stiftungen zurückgingen und man die Muttergottes nicht mehr besonders schätzte, wollte er in seiner Bischofskirche ganz bewusst ein Zeichen setzen: "...Salve Regina, mater misericordiae ... ad te clamamus,..." Und nicht von ungefähr findet sich auf seinem Grabmal im Frauenchor von St. Stephan die Seligpreisung: "Glückselig das Volk, das zu jubeln versteht". Diese Stiftung dürfte in den Reformationswirren untergegangen sein.
16. Jahrhundert: neu erwachte Freude am Glauben
Das ganze 16. Jahrhundert hindurch tobte der Kampf um den rechten Glauben. Für das katholische Herrscherhaus war der Sieg über die "Ketzer", wie sie damals hießen, die mit der Macht der Stände gleichzusetzen waren, lebensnotwendig. Und als nach dem Ende des dreißigjährigen Krieges der Sieg des "wahren, rechten" Glaubens - in der Diktion der damaligen Zeit - für die habsburgischen Länder im Westfälischen Frieden für ewige Zeiten festgelegt wurde, fiel die neu erwachte Freude am Glauben zusammen mit der Kunstepoche des Barock, das in zwei Wellen in St. Stephan Einzug hielt: um die Mitte des 17. Jahrhunderts wurde auf Geheiß des Wiener Bischofs Graf Breuner mit dem Bau des neuen Hochaltares begonnen, für den der Bischof sich über den Tod hinaus verschuldete. Anlässlich der Weihe dieses Altares im Jahr 1647 stiftete der Bischof den sogenannten "Kleinen Breuner-Ornat", heute der älteste der Domkirche. Die Dalmatik des hl. Stephanus am Hochaltar gleicht übrigens genau jener des gestifteten Ornates.

Die treibende religiös-politische Kraft in den Türkenkriegen der achtziger und neunziger Jahre des 17. Jahrhunderts war P. Marco d'Aviano. Auf seinen Wunsch gingen die beiden großen marianischen Triumphzüge zurück, die zwei Gnadenbilder in den Jahren 1693 und 1697 feierten: das am östlichen linken Pfeileraltar befindliche spätgotische Bild der "Maria in der Sonne", gestiftet im Jahr 1493 von einem Wiener Bürger, der sich und seine ganze Familie, fein säuberlich nach Geschlecht getrennt, Rosenkranz betend zu Füßen der Gottesmutter dargestellt hatte, wurde in der Barockzeit so verehrt, weil man in dem alten Gemälde die Darstellung der Immaculata und der Himmelskaiserin erblickte.

Das zweite Marienbild, das im Triumphzug nach St. Stephan gebracht wurde, war die durch ein Tränenwunder ausgezeichnete Ikone der Kirche von Pócs. Noch während das Gnadenbild in verschiedenen Wiener Kirchen verehrt wurde, bevor es endgültig in den Stephansdom kam, traf die Nachricht von dem Sieg des Prinzen Eugen bei Zenta ein, der die Türkengefahr endgültig bannte, was Abraham a Sancta Clara beim Dankgottesdienst zu den Worten hinriss: "Die weinende Mutter von Petsch ist Ursach das wir anjetzo lachen". Das Bild der Maria Pócs, im Typus der Wegweiserin und Heerführerin, wurde in großer Dankbarkeit für das Ende der jahrhundertelangen großen Türkenangst als der eigentliche Sieger gefeiert.

In den darauf folgenden Jahren beginnt eine überreiche Zuwendung, voll von dankbarer Emotion, nach der Dürre der Reformationszeit manchmal vielleicht etwas übertrieben, aber aus ganzem Herzen: Altäre, Ornate, gestiftet von Wiener Erzbischöfen - Rummel, Kollonitz, Migazzi, - Kelche, Schmuck für die Gnadenbilder, brennende Herzen aus Silber bei Maria Pocs, beim alten Gnadenbild, beim Josefsaltar, in der Kreuzkapelle - Inventare des Kirchenmeisteramtes, im Diözesanarchiv aufbewahrt, geben davon bewegendes Zeugnis! Das Kaiserhaus ging mit gutem Beispiel voran und Klerus und Volk eiferte, je nach seinem Vermögen, nach. Auch das alte Herz-Jesu-Bild, - heute unter dem Puchhaim-Baldachin, hatte - laut Inventar der Stephanskirche seit 1742 auf dem Dreifaltigkeitsaltar bezeugt - "etliche Silberopfer".

So führten die Wege zum Gebet in der Barockzeit nach dem Erlebnis der Glaubenskämpfe und der Bedrohung des Glaubens über ein großes und allen gemeinsames Gefühl der Dankbarkeit.

Etwa ab 1700 stifteten angesehene Wiener Bürger und auch Zünfte Altäre und Altarblätter an den Pfeilern des Langhauses: so zum Beispiel die Steinmetzzunft schon 1677 den Peter- und Paulsaltar unter dem Orgelfuß; die meisten Altäre des Langhauses sind Stiftungen von Wiener Bürgern, die sich durch Figuren ihrer Namenspatrone im Altaraufsatz verewigten.

Auf Anordnung des Magistrates wurde im Jahr 1700 - gleichsam als Gegenstück zum Alten Gnadenbild - der Josefsaltar errichtet. Das von dem kaiserlichen Rat Ferdinand von Radek 1699 gestiftete Altarblatt des kaiserlichen Kammermalers Anthoni Schoonjans zeigt den jugendlichen Joseph, der voll Freude das Jesuskind präsentiert. Im 17. Jhdt. hatte die besonders vom Karmeliterorden gepflegte Josefsmystik in Wien ihren Einzug gehalten, die bald eine Art Staatsmystik wurde: während die Gottesmutter als "Generalissima" der kaiserlichen Heere in der Türkenzeit als die Siegbringerin gefeiert wurde, galt Joseph nun als "Conservator pacis", als Bewahrer des lang ersehnten Friedens. 1675 hatte Kaiser Leopold den Nährvater Christi zum Patron seiner ganzen Reiches erwählt.
Ein altes Foto zeigt den Josefsaltar mit vielen brennenden Herzen davor, die leider heute nicht mehr vorhanden sind - mit Wahrscheinlichkeit eingeschmolzen im Krieg - als ein Zeichen der Sehnsucht der Menschen von damals nach Frieden.
Die Katastrophe des Jahres 1945
Das 19. Jahrhundert war voll damit beschäftigt, das zwar im Innern reich ausgestattete, in seinem Bauzustand aber grob vernachlässigte Kirchengebäude zu erneuern, zu konservieren und stilgerecht wiederherzustellen. Gestiftet wurde nur mehr im besonderen Anlassfall: so stifteten adelige Damen nach der Errettung des Kaisers aus Mörderhand im Jahr 1853 einen Votivaltar "im gotischen Stil" zu Ehren der Muttergottes in die Barbarakapelle, der im 2. Weltkrieg verbrannte.

Die Katastrophe des Jahres 1945 und der unmittelbar danach begonnene Wiederaufbau von St. Stephan konnte nur im gemeinsamen Bemühen des ganzen Landes überwunden werden. Das neue Geläute von St. Stephan, elf Glocken, die mit der neuen Pummerin klanglich zusammenstimmten, wurde dem Dom von Stiftern - von der Bundesregierung bis hin zu den Kindern der Dompfarre - geschenkt, kündete von neuen Leben. Ansonsten gab es kaum einzelne Stifter , allen gemeinsam waren die geistigen und materiellen Wunden des Krieges. Abgesehen von jenen Wienerinnen und Wiener, die dem Kardinal persönlichen Schmuck, ja sogar Eheringe "für den Wiederaufbau" schenkten, - stifteten - erinnert jene Tafel am nordöstlichen Vierungspfeiler mit der von Max Mell verfassten Inschrift an das bewegende gemeinsame Bemühen des wiedererstandenen Österreichs, die Hauptkirche des Landes wieder auferstehen zu lassen.

So wurde St. Stephan im Lauf der Jahrhunderte durch die gläubigen Menschen zu dem, was es heute für uns bedeutet. Und wenn es auch heute keine Stifter im mittelalterlichen Sinn mehr gibt - entsprechend dem Zeitgefühl, nicht mehr alles auf eine Karte zu setzen, - so gibt es dafür viele kleine Spender, die ihre Kirche nicht im Stich lassen. Und neben dem Gefühl, dass für Gott nur das Schönst gut genug sein sollte, steht vielleicht mehr als früher auch der Gedanken an den Mitmenschen vor uns. Und doch ist es gerade die Schönheit unserer Kirchen, die die Herzen weit machen kann für den Nächsten - das ist die Umwegrentabilität der großzügigen Herzen. So soll die Erinnerung an den Großmut der Stifter von damals auch unseren Großmut fördern.

Der Dom, respektive seine Stimme - das Domkapitel zu St. Stephan - vergisst die Stifter auch nicht: Die tägliche morgendliche Kapitelmesse ist allen verstorbenen Wohltätern und Stiftern des Domes gewidmet. Darüber hinaus ist jeder Domherr verpflichtet und tut es gerne, acht hl. Messen während des Jahres und eine in der Oktav nach Allerheiligen für die verstorbenen Stifter zu feiern.

Und so kann heute jeder seinen ganz persönlichen Ort im Dom finden, wo er beten kann: abgesehen von den beiden großen Gnadenbildern - finden auch immer wieder Menschen den Weg zu hl. Antonius, der etwas versteckt am südwestlichen Langhauspfeiler seinen Platz gefunden hat, oder zur der Dienstbotenmuttergottes, oder in die Barbarakapelle zu dem Kreuz mit der Asche aus Auschwitz - oder einfach zu irgendeinem Heiligen, der ihm besonders nahe steht.

Ein - ich glaube, man kann es schon auch so nennen, - Gnadenbild ist erst vor vergleichsweise kurzer Zeit, auf Initiative von Kardinal Schönborn, in den Dom eingezogen und hat eine große Anziehungskraft entfaltet: jenes der kleinen Therese von Lisieux, die unmerklich und still, das nordwestliche Eck des Domes in eine Kapelle verwandelt hat.

Die Wege zum Gebet hatten und haben ihren Sitz immer im Leben und in den besonderen Lebensumständen der Menschen. Der Inhalt der Gebete ist derselbe gebelieben: Dank und Bitte und Sehnsucht, dem Geheimnis Gottes näher zu kommen.

Und immer, wenn die Menschen hier oder anderswo beten, dann wissen sie, dann wissen wir: wir beten nicht allein, die Stifterinnen und Stifter vergangener Jahrhunderte sind mit uns, beten für uns und hoffen auf unser Gebet für sie. Sie halten ihre Rosenkränze in Händen und wollen uns daran erinnern, dass sie ihr Möglichstes getan haben, um St. Stephan zu einem Ort zu machen, wo sich unsere Seelen erheben können, jenseits von irdischen Sorgen, geborgen in der Raum und Zeit überdauernden Gebetsgemeinschaft der Kirche.
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