"Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind..." (Mt 18,20) - Der Heilige Geist als innerer Lehrer
Lasset uns beten!
Komm Heiliger Geist, Geist der Wahrheit, der Liebe, erleuchte unseren Verstand, stärke unseren Willen, wohne in unserem Gedächtnis, führe uns in alle Wahrheit, die da ist Christus, unser Herr, Amen.
In seinen Abschiedsreden, die er in der Nacht vor seinem Leiden im Abendmahlsaal gehalten hat, sagt Jesus: "Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und an alles erinnern, was ich euch gesagt habe" (Joh 14,26). Heute, zwei Wochen vor Pfingsten möchte ich mit Ihnen diesen Lehrer, den Heiligen Geist, betrachten, den Jesus verheißen hat, den "inneren Lehrer", wie Augustinus sagt, den "anderen Beistand", wie Jesus ihn auch nennt. Jesus hat ihn versprochen, ihn am Ostertag und zu Pfingsten geschenkt. Und er hört nicht auf, ihn uns zu schenken, den "Parakletos". Man kann Parakletos übersetzen mit Anwalt, Fürsprecher, Advokat, aber auch Tröster. Jesus hat den Apostel aufgetragen, sie sollen alle Völker zu Jüngern, zu Schülern machen, sie taufen und sie lehren, alles zu befolgen, "was ich euch geboten habe" (Mt 28,20).
Genau das macht der Heilige Geist - die Apostel und der Heilige Geist; wir und der Heilige Geist. Alles wird der Heilige Geist lehren. An alles wird er erinnern. Sie können dann alles lehren, was Jesus ihnen aufgetragen hat, wenn der Heilige Geist sie alles gelehrt hat. Denn wie sollen wir alles lehren, was Jesus uns aufgetragen hat, wenn wir nicht alles kennen? Ist es nicht eigenartig, dass uns alles in der Bibel so offen begegnet, schon auf der ersten Seite? Es wäre lohnend, hier die ganze Bibel auf das Wort alles durchzusehen. "Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und es war sehr gut", heißt es am Schluss des Schöpfungsberichtes (Gen 1,31). Und ganz am Schluss der Bibel im Buch der Offenbarung des Johannes heißt es wieder: "Siehe, ich mache alles neu" (Offb 21,5).
I.
In der letzten Katechese habe ich von der Silvesterpredigt von Kardinal Ratzinger aus dem Jahr 1979 gesprochen, wo er den Schrifttext aus dem ersten Johannesbrief betrachtet. Da spricht Johannes von der Salbung, d.h. vom Heiligen Geist, die die Gläubigen empfangen haben. Sie brauchen keine Belehrung, sagt Johannes, "weil sie alles wissen und die Salbung sie alles lehrt". Aber wir haben viele andere Stellen, wo von diesem "alles" die Rede ist. Ich erinnere z.B. an den Jubelruf Jesu, wo er den Vater preist, den Herrn des Himmels und der Erde, dass er "all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hat" (Mt 11,25). Und seinen Jüngern sagt er beim Abendmahl: "Euch aber habe ich Freunde genannt, denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe" (Joh 15,15).
Wissen wir wirklich alles? Hat Jesus uns alles mitgeteilt, nicht alles ist bei uns angekommen? Haben wir vielleicht nicht alles kapiert, verstanden, was Jesus uns aufgetragen hat? Aber man kann nur lehren, was man kennt und vor allem kann man nur lehren, was man versteht. Haben wir alles verstanden? Wenn der Lehrer nicht versteht, was er lehrt, soll er dann wirklich lehren? Aber wer von uns kennt schon alles? Geschweigen denn versteht schon alles? Ist nicht das, was Paulus uns sagt, viel eher unsere Wirklichkeit, "Stückwerk ist unser Erkennen", (1 Kor 13,9). Weiter sagt er: "Jetzt schauen wir in einem Spiegel, und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie auch ich durch und durch erkannt bin" (1 Kor 13,12)? Er unterscheidet zwischen jetzt und dann: "Jetzt gehen wir im Glauben, dann in der Schau", jetzt ist unser Verstehen Stückwerk, dann werden wir ihn sehen wie er ist und werden alles verstehen, jetzt sind wir unterwegs.
Papst Benedikt XVI. hat das eindrucksvoll gesagt bei dem Treffen der Religionen in Assisi, zu dem er auch einige Agnostiker eingeladen hat. Er hat davon gesprochen, dass wir doch alle Pilger auf dem Weg zur Wahrheit seien. Wie sollen wir als Pilger, die unterwegs sind, "alles lehren, was Jesus uns aufgetragen hat"? Die Spannung ist schmerzlich. Wir glauben einerseits, dass uns die ganze Wahrheit anvertraut ist, nicht nur kleine Stücke. Jesus hat uns alles offenbart, es gibt keine Geheimoffenbarung für einige Wenige, die dann ein bisschen mehr wissen, während die Anderen weniger wissen, nur vielleicht einige ganz Ausgewählte alles wissen. Jesus sagt: "Ich habe euch alles geoffenbart, was ich vom Vater bekommen habe". Alles ist uns anvertraut. Paulus sagt im Römerbrief: "Wie sollte er, der uns seinen eigenen Sohn geschenkt hat, uns mit ihm nicht alles schenken?" (Röm 8,32). Also haben wir alles bekommen, aber besitzen wir es schon? Hat es uns so erfasst, dass wir ganz davon ergriffen und erfasst sind? Hat Jesus uns nicht selber darauf hingewiesen, dass vor uns noch ein Weg liegt? Wir haben zwar alles erhalten, aber wir verstehen nicht alles. Er sagt ausdrücklich in den Abschiedsreden: "Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht fassen" (Joh 12,16-17). Dann sagt er weiter: "Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen", wörtlich: "in alle Wahrheit auf den Weg führen". Er wird euch, so kann man wörtlich übersetzen, das "Weggeleit in alle Wahrheit geben". Also sagt Jesus selber, dass die Wahrheit zwar gegeben ist, aber wir sie noch nicht voll erfassen können. Wir können sie noch nicht zur Gänze tragen, wir müssen noch hineingeführt werden. Dazu hat er den Heiligen Geist gesandt. Aber noch einmal: Was ist die Wahrheit? Nicht eine Theorie, sondern eine Person. Zum Apostel Thomas hat Jesus gesagt: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6). Aber wir brauchen ein Weggeleit, wir brauchen jemand, der uns bei der Hand nimmt und hinführt. Denn wir sind Pilger, Suchende, wir sind unterwegs. Wir gehen den Weg des Glaubens. Das Konzil erinnert uns daran, dass selbst Maria, die Mutter Gottes, den Weg des Glaubens gegangen ist. Und Papst Johannes Paul II. fügt hinzu: "… und sie ist durch die Nacht des Glaubens gegangen". Wir verstehen nur stückweise, aber wir sind auf diesem Weg nicht allein gelassen. "Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen", sagt Jesus, "ich komme wieder zu euch" (Joh 14,18). Das sagt er nicht erst von der letzten Wiederkunft, wenn er in der Herrlichkeit des Himmels mit seinen Engeln wiederkommt, beim Jüngsten Gericht am Ende der Zeiten, auch nicht am Ende unseres Lebens, wenn wir Ihm begegnen im persönlichen Gericht und Ihm als unseren Richter und Retter begegnen. Ich komme zu euch jetzt schon. Jetzt schon verwirklicht er seine Verheißung, löst ein, was er versprochen hat: "Ich bin bei euch alle Tage…" (Mt 28,20). Es heißt nicht: Ich werde bei euch sein, sondern: Ich bin bei euch!
Aber wie geschieht das? Wie erfahren wir das? Wie sieht das Wirken des Heiligen Geistes aus? Wie wird es erfahrbar? Wie lehrt uns der Heilige Geist alles, wie Jesus verheißen hat? Der heilige Augustinus hat das in der Lehre vom "magister interior", vom "inneren Lehrer" entwickelt. Der Heilige Geist ist der, der uns nicht wie die menschlichen Lehrer von außen lehrt, sondern von innen. Über dieses innere Lehren will ich ein nachdenken. Es ist wichtig, dass wir an unsere eigene Erfahrung denken. Ich lade Sie dazu ein, Ihre eigene Erfahrung wachzurufen. Wie erfahren wir das Lehren des Heiligen Geistes? In den Abschiedsreden Jesu im Abendmahlsaal nennt Jesus drei besondere Wirkweisen des Heiligen Geistes. Diese drei Worte Jesu geben gewissermaßen das Programm des Wirkens des Heiligen Geistes.
1. "Er wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe" (Joh 14,26). Der Heilige Geist erinnert uns.
2. "Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis für mich ablegen und auch ihr werdet Zeugnis ablegen, weil ihr von Anfang an bei mir seid" (Joh 15,26). Der Heilige Geist gibt Zeugnis, so wie auch wir Zeugnis geben sollen, dürfen, können. Der Heilige Geist legt Zeugnis ab für Jesus, er macht ihn uns bewusst gegenwärtig, bringt ihn uns nahe. Dahinter steht das griechische Wort "Martyrium", martyrêsei = er wird Zeuge sein für Jesus.
3. "Wenn der Paraklet, der Beistand, kommt, wird er die Welt überführen und aufdecken, was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist" (Joh 16,8). Der Heilige Geist überführt.
Drei Tätigkeiten des Heiligen Geistes hat der Herr in seinem Testament in den Abschiedsreden in der Nacht vor seinem Leiden den Jüngern übergeben: Das Erinnern, das Bezeugen und das Überführen.
II.
Wie macht das der Heilige Geist? Wie erinnert er? Im Katechismus heißt es einmal: "Der Heilige Geist ist das lebendige Gedächtnis der Kirche" (KKK 1099). Wenn wir manchmal den Eindruck haben, die Kirche ist zerstreut, wir sind oder ich bin zerstreut, dürfen wir darauf vertrauen, dass der Heilige Geist uns erinnert. Die ganze Bibel ist voll von dem Thema des Erinnerns. Die jüdische Tradition bis heute ist vor allem eine Tradition des Gedenkens, des Erinnerns: "Vergesst die Taten Gottes nicht!" Es ist wie ein Refrain durch die ganze Bibel: Erinnere dich, Israel! Vergiss nicht! Der Heilige Geist ist gewissermaßen der, der uns anstößt, damit wir nicht vergesslich werden, sondern uns erinnern.
Im Katechismus wird ausführlich über diese Rolle des Heiligen Geistes gesprochen, etwa in der Anamnese der Messe, wenn nach den Wandlungsworten an die Taten Gottes erinnert wird. Dazu heißt es im Katechismus: "Die Liturgiefeier bezieht sich stets auf heilbringende Eingriffe Gottes in die Geschichte" (KKK 1103). Schöpfung, die Erwählung des Volkes Gottes mit Abraham, der Auszug aus Ägypten, der Tempel, das Exil, Taten Gottes. Das Offenbarungsgeschehen ereignet sich in Taten und Worten die innerlich miteinander verknüpft sind, sodass die Worte die Werke verkündigen und das in ihnen enthaltene Geheimnis ans Licht treten lassen", so heißt es in einem Text des Konzils (Dei Verbum 2). Worte und Taten sind in der Bibel immer verknüpft miteinander und erhellen sich gegenseitig. Im Wortgottesdienst erinnert der Heilige Geist die Gemeinde an all das, was Christus für uns getan hat, am feierlichsten in der Osternacht mit den neun Lesungen, wo die ganze große Geschichte des Volkes Gottes durchgegangen wird, bis hin zum Ostergeheimnis. Entsprechend der Natur der liturgischen Handlungen und den überlieferten Riten der Kirchen gedenkt eine Liturgiefeier in einer mehr oder weniger ausführlichen Anamnese der Großtaten Gottes. Der Heilige Geist, der so das Gedenken der Kirche weckt, regt zu Danksagung und Lobpreisungen an. Das sehen wir immer in der Bibel: zuerst erinnert man sich, und dann lobt man. Was hat Gott für uns getan? Vergessen wir es nicht, denken wir daran. Daraus folgt die Doxologie, der Lobgesang, die Lobpreisung Gottes. Das Gedächtnis schlechthin ist die Eucharistie. Sie ist ein großes Erinnern, Gedenken. Wir gedenken in jeder Messe, des Todes und der Auferstehung Jesu Christi. Aber was ist das für ein Gedenken, für ein Erinnern? Da heißt es im Katechismus (Nr. 1363): "Im Sinne der Heiligen Schrift ist das Gedächtnis nicht nur ein Sich-Erinnern an Ereignisse der Vergangenheit, sondern die Verkündigung der großen Taten, die Gott für die Menschen getan hat. In der liturgischen Feier der Ereignisse werden sie gegenwärtig. Auf diese Weise versteht das Volk Israel seine Befreiung aus Ägypten. Jedes Mal, wenn das Pascha gefeiert wird, werden die Ereignisse des Auszugs dem Gedächtnis der Gläubigen wieder gegenwärtig gemacht, damit diese ihr Leben den Ereignissen entsprechend gestalten."Jeder der am Pessachmahl teilnimmt, am Seder, so heißt es ausdrücklich, betrachte sich als einer, der jetzt aus Ägypten auszieht. Wir sind zeitgleich mit dem Ereignis, das wir erinnern und das dadurch gegenwärtig wird. Wir sind zeitgleich mit den Aposteln im Abendmahlsaal, wenn der Priester die Worte Jesu spricht, die er im Abendmahlsaal gesprochen hat, dann sind sie jetzt gegenwärtig. Wir erinnern uns, gleichzeitig sind sie Gegenwart. Sie sind im Heute der Ereignisse Gottes. Ist es nicht eigenartig, dass wir in der Liturgie immer vom Heute sprechen? Zu Weihnachten singen wir ganz selbstverständlich "Heute ist uns der Heiland geboren", auch wenn es vor 2.000 Jahren war. Es ist jetzt! Im Erinnern ist es Gegenwart, genauso das Osterereignis: Heute ist Christus auferstanden! Im Gedenken, im Erinnern vergegenwärtigt der Heilige Geist das, was einmal in jener Zeit, aber ein für allemal geschehen ist. Es wird Gegenwart, wenn wir uns daran erinnern. Das wird nirgendwo so deutlich, wie in der Eucharistie. Da heißt es im Katechismus (Nr. 1364): "Im Neuen Bund erhält das Gedächtnis einen neuen Sinn. Wenn die Kirche Eucharistie feiert, gedenkt sie des Pascha Christi. Dieses wird das Opfer, das Christus am Kreuz ein für allemal dargebracht hat, bleibt stets gegenwärtig und wirksam". Dann wird ein Gebet zitiert: "Sooft das Kreuzesopfer, dem Christus, unser Osterlamm geopfert wurde, auf dem Altar gefeiert wird, vollzieht sich das Werk unserer Erlösung". Heute geschieht es, wenn wir im Gedenken feiern. Der Heilige Geist erinnert und macht dadurch gegenwärtig. Das gilt von allen Sakramenten, indem wir die Taufe spenden, ist Christus der Taufende, indem wir die Absolution in der Beichte geben, ist Christus der, der die Absolution gibt, jetzt gegenwärtig. Aber immer erinnern wir uns an das, was Christus gestiftet hat, was er einmal getan hat. Der Heilige Geist bewirkt, dass Christus jetzt handelt. Aber das, was für die Liturgie gilt, gilt auch für unser ganz persönliches Leben. Es gibt da spannende Erfahrungen, auch viel Lebendiges aus Ihrer Erfahrung. Der Heilige Geist hilft uns zu erinnern, was der Herr in unserem Leben wirkt.
Ich möchte das an zwei Dimensionen deutlich machen. Eine ist die Erfahrung der Heiligen Schrift, dass Christus uns durch sein Wort, durch das Wort des Evangeliums oft ganz persönlich anspricht. Ich habe so oft diese Erfahrung gemacht, dass ein Evangelium, eine Stelle des Alten Testaments oder der neutestamentlichen Briefe ganz plötzlich eine neue Dimension erschließt. Da wird mir etwas gesagt, was ich bisher gar nicht bemerkt habe. Immer ist es eine Verlebendigung der Gegenwart des Herrn. Die Freude, aber auch die Betroffenheit über solches Erinnern, dass der Heilige Geist auslöst, ist etwas ganz Besonderes. Es ist, als würde der Heilige Geist die Worte Jesu für mich jetzt ganz persönlich sprechen. Wir könnten da viele Beispiele nennen, wo wir solches Erinnern des Heiligen Geistes erfahren durften. Ich nenne zwei persönliche Erfahrungen. Ich war einmal im Sommer auf Aushilfe in einer kleinen Pfarre in der Schweiz in den Bergen. Eines Morgens verlese ich bei der Messe das Tagesevangelium von der "wunderbaren Brotvermehrung", das ich schon oft gelesen hatte. Jesus hatte den ganzen Tag eine riesige Menschenmenge betreut, viele Kranke geheilt, sie lange gelehrt und dann, als es Abend wurde, kamen seine Jünger zu ihm und sagten: "Der Ort ist abgelegen, es ist schon spät geworden, schick doch die Menschen weg, damit sie in die Dörfer gehen und sich etwas zum Essen kaufen" (Mt 14,15). Plötzlich hat mich dieses Wort: "schick doch die Menschen weg", ganz persönlich betroffen. Ich war richtig erschrocken davon. Seit diesem Erlebnis, es ist immerhin 30 Jahre her, kann ich dieses Evangelium nicht hören, ohne erschüttert zu sein. Was hat mich so erschüttert? Plötzlich stand vor mir die ganze Schwere dieses Wortes, das Erschütternde des menschlichen Unverständnisses für Jesus. Es ist völlig verständlich, dass die Jünger am Abend müde waren und endlich die Leute weg haben wollten, endlich selber zum Essen kommen wollten und deshalb sagten: Schick jetzt endlich die Leute weg, damit wir ein bisschen Ruhe haben. Aber dieses Wort hat mich getroffen: "Schick die Menschen weg". Sie kennen sicher ähnliche Beispiele, wo Ihnen ein Wort des Evangeliums plötzlich so tief hineingegangen ist.
Ich nenne ein zweites Beispiel. Als Jesus in der Synagoge einmal einen Mann mit einer verdorrten Hand sieht, stellt er ihn in die Mitte und fragt die Anwesenden: "Was ist am Sabbat erlaubt? Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder es zu vernichten? Sie aber schwiegen". Markus sagt: "Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz." Als er dann den Mann geheilt hatte, "gingen die Pharisäer hinaus und fassten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen" (Mk 3,1-6). Was muss das für ein Schmerz für Jesus gewesen sein, diese Herzenshärte! Was muss er dabei empfunden haben! Ich denke, auch das ist Erinnern des Heiligen Geistes: "Er wird euch an alles erinnern", was Jesus getan und gesagt hat, wenn uns manchmal geschenkt wird, etwas zu ahnen, was im menschlich-göttlichen Herzen Jesu vorgegangen ist. Was muss das für ein Schmerz für ihn gewesen sein! Er, der nur Gutes tut, stößt auf solche Herzenshärte. So beginne ich zu ahnen, was es heißen kann, das Leiden Jesu zu teilen, also den lebhaften Wunsch zu empfinden, von dem man oft bei Heiligen lesen kann, am Leiden Jesu teilzunehmen, oder es zumindest nicht durch meine eigene Herzenshärte zu vergrößern. Es gilt gleich hinzuzufügen, dass dieser Schmerz Jesu, den viele Heilige so intensiv betrachtet haben, untrennbar verbunden ist mit einer unvergleichlichen Freude Jesu. Auch sie gilt es zu ahnen. Das schenkt der Heilige Geist. Was muss das für eine Freude gewesen sein, wenn Jesus vor dem heidnischen Hauptmann sagt: "So einen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden" (Lk 7,9). Oder wie er zu der heidnischen Frau aus der Gegend von Sidon und Tyros sagte: "Frau, dein Glaube ist groß" (Mt 15,28). Die Freude Jesu, wenn er solchen Menschen begegnet, zu ahnen, zu verkosten, ist auch ein untrügliches Wirken des Heiligen Geistes. Jesus sagt: "Bleibt in meiner Liebe, dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird" (Joh 15, 9-11).
Paulus muss etwas von dieser Freude gespürt haben, wie er auch den Schmerz Jesu gekannt hat, wenn er unter den Früchten des Geistes (Gal 5,22) nach der Liebe gleich die Freude nennt. Der Geist schenkt Freude. Ebenso muss es Petrus ergangen sein, er muss etwas von diesem unverwechselbaren Geschmack der Freude des Heiligen Geistes gekannt haben, wenn er im ersten Petrusbrief sagt: "Ihn, Jesus Christus, habt ihr nicht gesehen, und dennoch liebt ihr ihn; ihr seht ihn auch jetzt nicht; aber ihr glaubt an ihn und jubelt in unaussprechlicher von Herrlichkeit erfüllter Freude, da ihr das Ziel eures Glaubens empfangen werdet, eure Rettung" (1 Petr 1,8-9).
Am Leben Jesu Anteil zu bekommen, es gewissermaßen von innen her mitleben zu dürfen, seinen Schmerz, seine Freude, das ist das Wirken des Heiligen Geistes. Es ist nicht so ein Erinnern wie wenn mein iPad plötzlich bimmelt und ich an einen Termin erinnert werde. Das ist ein ganz anderes Erinnern, ein Innewerden des Herrn. Diese Erfahrung ist oft bezeugt in der christlichen Lebensgeschichte, sicher nicht einfach nur Theorie, das ist Leben, Erfahrung. "Ihr in mir und ich in euch" heißt es oft im Johannesevangelium. "Christus in mir", "Christus in uns", heißt es bei Paulus dauernd. Oder ganz kurz: "In Christus". Das schenkt das Erinnern des Heiligen Geistes: das Innewerden Christi.
Noch eine letzte Dimension dieses Erinnerns. Mir ist aufgefallen, dass Menschen, die sehr eng mit Christus verbunden sind, die dieses "in Christus" leben, oft ein besonders gutes Gedächtnis haben. Das kann auch eine besondere Begabung sein. Ich denke an unseren Papst Benedikt XVI., den ich seit 40 Jahren kenne. Es gibt wenige Menschen, die so ein phantastisches Gedächtnis haben, eine besondere Begabung, aber da ist noch etwas anderes. Es hat damit zu tun, dass der Heilige Geist Menschen, die sich von ihm erfüllen lassen und dadurch mit dem Herrn verbunden leben, gewissermaßen aus sich herausgeführt werden und nicht um sich selber kreisen. Sie sind nicht in sich verhaftet, nehmen daher andere Menschen viel intensiver wahr und erinnern sich damit auch viel besser. Ich staune immer wieder wie Menschen, die einen lebendigen Glauben, eine enge Verbundenheit mit dem Herrn haben, einfach wach sind für andere Menschen. Bei Paul Zulehner habe ich ein schönes Wort gefunden: "Wer in Gott eintaucht, taucht bei den Menschen auf". Das ist eine Erfahrung, die der Heilige Geist schenkt, bis hin zu einfachen Dingen, dass man sich an Geburtstage und Trauertage, an Hochzeitstage und alles Mögliche erinnert, an Namen von Menschen und was sie bewegt, was sie erlitten haben und was sie für Sehnsüchte haben. Das alles ist auch ein Teil dieses wunderbaren Erinnerns des Heiligen Geistes.
III.
Die beiden anderen Dimensionen muss ich ansprechen. Das zweite: Der Heilige Geist gibt Zeugnis für Christus. Er macht uns zu seinen Zeugen. Ich habe in der letzten Katechese ein berühmtes Wort von Papst Paul VI. zitiert, dass die Menschen von heute nicht so sehr Lehrer suchen, sondern Zeugen. Damit wir Zeugen Christi sein können, braucht es das Zeugnis des Heiligen Geistes. Mich hat es schon früh fasziniert, Menschen kennenzulernen, die vom Heiligen Geist innerlich gelehrt Zeugen sind, nicht durch Studium, sondern durch dieses innere Wissen. "Er wird euch alles lehren", sagt Jesus. Das meint nicht, dass der Heilige Geist uns alle Techniken lehrt, etwa den Computer zu benützen, auch nicht alles Lernbare, sondern das Wesentliche, alles, was zur Orientierung im Leben hinführt und hilfreich ist. Das alles lehrt der Heilige Geist. Er wirkt das innerlich durch seine sieben Gaben.
Ich könnte von vielen Menschen erzählen, bei denen ich ganz stark den Eindruck hatte, sie haben wirklich einen inneren Lehrer. Die wissen die Dinge nicht aus Büchern, sondern aus einem inneren Gespür. Von einem hab euch letztes Mal erzählt, François Baetig, lieber Freund, Gärtner in Fribourg, Leiter unserer Gebetsgruppe, das war so ein Mensch. Einem anderen bin ich sehr früh begegnet, und er hat mich seither nicht losgelassen, zuerst seine Schriften, dann seine Lebensgeschichte und schließlich seine Witwe Franziska. Ich meine den seligen Franz Jägerstätter, den ich als junger Student mit 22 Jahren zum ersten Mal entdeckt habe durch das Buch von Gordon Zahn "Er folgte seinem Gewissen" (Styria 1967). Er hat mich von Anfang an fasziniert durch die Klarheit seines Urteils, durch die durchdringende Geisteskraft dieses einfachen Bauern, der nur Volksschulbildung hatte. Er war sicher ein begabter, gescheiter Mann, der aber vor allem aus seiner Glaubensklarheit heraus die Gabe der Unterscheidung hatte, wie sie viele Universitätsprofessoren in der Nazi-Zeit nicht hatten.
Man kann nur staunen, mit welcher Sicherheit dieser einfache Mann die geistige und die politische Situation seiner Zeit erfasst hat, wie er Lüge von Wahrheit unterschieden hat, wie er selbst bei Priestern und bei seinem Bischof nicht das Verständnis gefunden hat, das er für seinen einsamen Weg erhofft hatte, den Kriegsdienst Hitler gegenüber zu verweigern. Aber er hat sich immer davon ferngehalten, die anderen zu verurteilen, die nicht seinen Weg gegangen sind. Er hat immer gesagt: "Ich habe die Gnade bekommen. Deshalb muss ich diesen Weg gehen". Das Spannende an Jägerstätter ist für mich, dass durch das Zeugnis dieses vom Geist geleiteten Menschen auch das Unterscheiden der Zeichen der Zeit möglich geworden ist. Seit dem Konzil reden wir viel von den Zeichen der Zeit. Aber wie erkennt man sie? Nicht aus den Statistiken und nicht aus den Schlagzeilen der Zeitungen. Die Märtyrer, die Zeugen des Glaubens, zeigen, wo die Wunden, die wesentlichen Punkte einer Zeit sind. Franz Jägerstätter hat einsam, aber für unser ganzes Land gültig den Weg gezeigt, auch wenn nur wenige so wie er gehen konnten. Vor allem hat Jägerstätter, und das ist die Kraft der Zeugen, unterschieden, wo in der nationalsozialistischen Ideologie letztlich das Teuflische am Werk war. Er hat klar und deutlich erkannt, was hier auf dem Spiel steht. Das ist die Aufgabe der Märtyrer, uns aufmerksam zu machen auf das, worauf es ankommt.
Ich zitiere ein Wort von ihm, das seine klare Unterscheidungsgabe zeigt: "Ich glaube, der Herrgott macht es uns jetzt ohnehin nicht so schwer, das Leben für unseren Glauben einzusetzen. Denn wenn man bedenkt, dass in diesen schweren Kriegszeiten schon Tausende von jungen Menschen aufgefordert wurden, ihr Leben für den Nationalsozialismus einzusetzen, und viele mussten in diesem Kampf ihr blutjunges Leben opfern. Warum sollte es dann härter sein, das Leben für einen König einzusetzen, der uns nicht bloß Pflichten auferlegt, sondern uns auch Rechte gibt, dessen Endsieg uns gewiss ist und dessen Reich, das wir dadurch erkämpfen, ewig bestehen wird?" Nicht nur Tausend Jahre, wie Hitler behauptet hatte.
IV.
Schließlich drittens und abschließend das vielleicht Schwierigste: "Der Heilige Geist", sagt Jesus, "wird die Welt überführen und aufdecken, was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist". Ist der Heilige Geist ein "Aufdecker", wie manche Journalisten oder professionelle Aufdecker? Ist das nicht eine etwas seltsame Perspektive? Ist der Heilige Geist als der, der uns alles lehren wird, ein unerbittlicher Bloßsteller? Er ist der Geist der Wahrheit, aber ist die Wahrheit ein Überführen und Aufdecken? Wo bleibt da die Liebe? Ich erinnere mich an ein Mittagessen mit dem seligen Papst Johannes Paul II., ich war damals ein junger Theologe in den achtziger Jahren, frisch in die Internationale Theologenkommission ernannt, der Heilige Vater hatte die Theologen und Professoren zum Mittagessen eingeladen. Direkt beim Papst saß Hans Urs von Balthasar, der große Schweizer Theologe. Ich habe versucht hinzuhören. Dann habe ich gehört, wie sie über diese Stelle miteinander reden. Was heißt das: "Der Geist werde die Welt der Sünde überführen und sie aufdecken"? Was der Papst darüber meditiert hat, konnten wir kurz danach in seiner wunderbaren Enzyklika über den Heiligen Geist (Dominum et vivificantem) nachlesen.
Was macht der Heilige Geist, wenn er uns der Sünde überführt? "Er, der Heilige Geist, werde die Welt überführen und aufdecken, was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist. Sünde, dass sie nicht an mich glauben, Gerechtigkeit, dass ich zum Vater gehe und ihr mich nicht mehr seht, Gericht, dass der Herrscher dieser Welt gerichtet ist" (Joh 16,8). Aber was heißt das konkret? Der Heilige Geist soll uns ja "in alle Wahrheit einführen", wie macht er das? Der Papst meditiert zuerst den Pfingsttag und zeigt, wie da der Heilige Geist "die Welt der Sünde überführt": "Von diesem Erstzeugnis zu Pfingsten an ist das Handeln des Geistes der Wahrheit, der die Welt der Sünde der Zurückweisung Christi überführt, eng mit der Bezeugung des österlichen Geheimnisses verbunden: mit dem Geheimnis des Gekreuzigten und Auferstandenen. In dieser Verbindung offenbart dieses ‚der Sünde überführen‘ seine heilschaffende Dimension. Es ist ja ein ‚Überführen‘, dessen Ziel nicht die bloße Anklage der Welt ist, noch weniger ihre Verdammung. Jesus Christus ist nicht in die Welt gekommen, um sie zu verurteilen und zu verdammen, sondern um sie zu retten (vgl. Joh 3,17; 12,47). Das wird bereits in dieser ersten Rede unterstrichen, wenn Petrus ausruft: ‚Mit Gewissheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat ihn zum Herrn und Messias gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt‘ (Apg 2,36). Und als darauf die Anwesenden Petrus und die anderen Apostel fragen: ‚Was sollen wir tun, Brüder?‘ antwortet dieser: ‚Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen‘ (Apg 2,37-38). Auf diese Weise wird das ‚der Sünde überführen‘ zugleich ein Überzeugen von der Vergebung der Sünden in der Kraft des Heiligen Geistes. In seiner Rede zu Jerusalem ruft Petrus zur Umkehr auf, so wie Jesus seine Zuhörer am Beginn seiner messianischen Sendung aufgerufen hat (vgl. Mk 1,15). Umkehr erfordert, von der Sünde überzeugt zu werden; sie enthält ein inneres Gewissensurteil, und da dieses eine Prüfung durch das Handeln des Geistes der Wahrheit im Herzen des Menschen ist, wird es zugleich zum Beginn einer neuen Ausspendung von Gnade und Liebe: ‚Empfangt den Heiligen Geist‘ (Joh 20,22). Wir entdecken so in diesem ‚der Sünde überführen‘ eine doppelte Gabe: das Geschenk der Wahrheit des Gewissens und das Geschenk der Gewissheit der Erlösung. Der Geist der Wahrheit ist auch der Beistand" (Enzyklika Dominum et vivificantem 31).
In der Predigt des Petrus konfrontiert Petrus seine Zuhörer mit der Wahrheit. "Ihn habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht". Petrus sagt ohne Umschweife die Wahrheit: "Ihr habt ihn umgebracht". Die Apostelgeschichte sagt: "Als sie das hörten, traf es sie mitten ins Herz und sie fragten: Brüder, was müssen wir tun um gerettet zu werden?" Der Heilige Vater Johannes Paul II. sagt in dieser Enzyklika, wie der Heilige Geist am Werk ist. Er schenkt zuerst Einsicht in die eigene Schuld und Reue. Nur durch den Heiligen Geist können wir Reue bekommen. Deshalb ist das Aufdecken durch den Heiligen Geist etwas ganz anderes, als das, was in unserer Welt geschieht. Es ist nicht ein Aufdecken, um bloßzustellen, sondern um Umkehr zu schenken, Freude und Freiheit. Das kann nur der Heilige Geist, und er tut es, indem er unser Gewissen aufweckt. Das Gewissen, das uns daran erinnert, was böse und was gut ist, wird zum Ort der Umkehr. Der Heilige Geist klagt nicht an, er überführt nicht nur, sondern er schenkt auch Trost und Vergebung, die Gewissheit der Barmherzigkeit. Nicht umsonst spricht Jesus von der großen, intensiven Freude über die Umkehr: "Mehr Freude im Himmel über einen Sünder der umkehrt, als über 99, die der Umkehr nicht bedürfen". Das ist der Unterschied: Die Welt überführt, indem sie anklagt. So wie der Teufel es tut in der Offenbarung des Johannes. "Tag und Nacht klagt er an" (Offb 12,10). Der Heilige Geist überführt von der Sünde in die Freude der Vergebung. Er stellt unsere Sünden in das Licht der Wahrheit, um die Wahrheit der Barmherzigkeit und der Vergebung uns zu zeigen. Noch sind wir auf dem Weg, noch ist unser Pilgerweg nicht zu Ende. Noch sind wir nicht in alle Wahrheit eingeführt, noch ist nicht alle Sünde offengelegt, noch ist nicht alle Gerechtigkeit verwirklicht. Aber dort, wo die Bekehrung schon begonnen hat, dort leuchtet die Freude des Heiligen Geistes auf.