Schlichte Hirten sind die ersten Zeugen
Schlichte Hirten sind die ersten Zeugen
Festtagskommentar von Kardinal Schönborn
für den Neujahrstag 2003
Hochfest der Gottesmutter Maria,
1. Jänner 2003 (Lk 2,16-21)
Schlichte Hirten sind die ersten Zeugen der Ereignisse, die in Bethlehem geschehen sind. Bis heute sind es einfache Menschen, die bereit sind, sich auf zu machen und schauen zu gehen, was Gott auf Erden wirkt.
Was war ihnen widerfahren? In dieser Nacht hielten sie, wie in vielen Nächten zuvor, Wache bei ihrer Herde, um sie vor Dieben und Raubtieren zu schützen. Da sehen sie eine Lichtgestalt, einen Gottesboten, der zu ihnen spricht: Heute ist euch in Davids Stadt Bethlehem der Christus, der verheißene Messias geboren. Und er sagt ihnen, woran sie ihn erkennen, wo sie ihn finden werden: ein Kind, das in einer Futterkrippe liegt.
Ist das alles fromme Legende, ohne echten Wahrheitsgehalt? Mir hilft es, an vergleichbare Ereignisse in unserer Zeit zu denken. In Fatima, dem großen Wallfahrtsort in Portugal, begann alles mit drei Hirtenkindern, im Jahre 1917. Auch sie sahen einen Engel. Dann Marienerscheinungen, Botschaften, Aufträge, die sie zu erfüllen haben. Millionen Menschen pilgern heute nach Fatima, um Trost, Hilfe und Stärkung zu finden. Viele andere Beispiele ließen sich in den Jahrhunderten seit Bethlehem nennen.
Gemeinsam ist allen: der Himmel hat uns etwas zu sagen. Und meist sind es einfache, gerade Menschen, besonders Kinder, die dafür offen sind. Und wie viele Pilger in unserer Zeit, so machten sich auch die Hirten damals auf den Weg, um den Gnadenort zu sehen, von dem sie gehört hatten.
Was sie fanden, war nichts Außergewöhnliches: nur eine Mutter, Maria, die vor kurzem entbunden hatte, und Joseph und das neugeborene Kind, und alles in großer Armut, in einem Stall, das Kind in der Futterkrippe liegend.
Trotzdem ist die Freude der Hirten groß. Ich denke, es muss so eine Freude gewesen sein, wie sie auch heute an heiligen Orten empfunden wird. Sie kommt nicht von irgendwelchen sensationellen Erlebnissen, sondern aus der Erfahrung, dass hier der Himmel offen ist und Gottes Nähe spürbar wird. Viele Menschen finden diese ganz eigene und besondere Freude an Orten wie Lourdes, Fatima, Medjugorie.
Und dann wird erzählt: Die Hirten berichten von dem, was ihnen widerfahren war, und die, denen es die Hirten erzählt haben, reden darüber zu anderen. Und so verbreitet sich die Nachricht von dem wunderbaren Geschehen in Bethlehem. Bis heute ist das nicht anders. Und immer neu ist die Freude groß, wenn der Himmel der Erde ganz nahe kommt.
Maria aber bewahrte und bedachte alle diese Ereignisse in ihrem Herzen. Lukas, der Evangelist, betont das als Vorbild für seine Leser. Weihnachten ist schnell vorbei. Silvesterwirbel, ein neues Jahr beginnt.
Wo bleibt die Zeit, wirklich im Herzen zu erwägen, was da zu Weihnachten geschehen ist? Wenn wir von einem Ereignis zum nächsten hasten, kann sich nichts in der Tiefe des Herzens verwurzeln. Wie Maria Gottes Kommen in meinem Leben bedenken und betrachten: Das wäre ein guter Vorsatz für ein gesegnetes Jahr 2003!
So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag.
Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war.
Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten.
Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.
Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten; denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war.
Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, noch ehe das Kind im Schoß seiner Mutter empfangen wurde.