Der heilige Geist, den Jesus an Ostern den Aposteln und an Pfingsten der ganzen Kirche geschenkt hat, ist die Kraft der neuen Anfänge.
Der heilige Geist, den Jesus an Ostern den Aposteln und an Pfingsten der ganzen Kirche geschenkt hat, ist die Kraft der neuen Anfänge.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum Pfingstsonntag, 8.06.2003,
(Joh 20,19-23)
"Schalom!" ist bis heute der häufigste Gruß im Alltag in Israel. Gleich zweimal grüßt Jesus der Auferstandene die Seinen mit diesem Wort: "Friede sei mit euch!"
Einander Frieden zu wünschen ist ein schöner Brauch, der umso verständlicher und sinnvoller ist, als er in einer Welt voller Hass, Terror und Unfrieden beheimatet ist. Er ist Ausdruck einer tiefen Sehnsucht nach Frieden, die freilich ständig mit neuen Rückschlägen und Enttäuschungen zu kämpfen hat. Heute, fünfzig Tage nach Ostern, am Pfingstfest das die Osterzeit abschließt, hören wir noch einmal von der ersten Begegnung des Auferstandenen mit seinen Jüngern.
Ich sehe in diesem knappen Bericht auch eine große und starke Antwort auf die Sehnsucht nach dem Frieden. Wieso und wie bringt Jesus den Frieden mit sich, sodass der Apostel Paulus später sagen wird, Christus sei selber unser Friede?
Wir finden ein armseliges Häuflein von verängstigten und niedergeschlagenen Jüngern Jesu. Sie haben sich (wahrscheinlich im Abendmahlssaal) hinter fest verriegelten Türen verschanzt, aus der berechtigten Angst heraus, man könnte kommen und sie verhaften, weil sie zu den Freunden des Gekreuzigten gehörten.
Plötzlich ist Jesus da. Keine Mauern, keine Türen, keine Riegel hindern ihn. Vielleicht war es ein Moment des Erschreckens, als er plötzlich mitten unter ihnen stand. Aber sein Gruß "Schalom" brachte sofort, was er sagte: Frieden! Und gleich darauf eine unbeschreibliche Freude.
Seit dem Ostertag dauert diese Erfahrung an: die Nähe Jesu bedeutet Frieden und Freude. Wieso ist das so? Ich glaube, das Evangelium weist die Spur. Zuerst zeigt Jesus ihnen "seine Hände und seine Seite", das heißt die Spuren seiner Wunden; von den Nägeln an den Händen, von der Lanze die tiefe Seitenwunde bis ins Herz. Jesus lebt, aber die Wunden sind noch sichtbar, nicht als Narben, sondern wie leuchtend, verklärt.
Es gibt oft einen tiefen Frieden im Leben, wenn man durch großes Leid gegangen ist. Die Wunden sind da, aber sie schmerzen nicht mehr, sie leuchten vielmehr wie etwas Kostbares. Wer solches durchlitten hat und daran gereift und gewachsen ist wird dankbar auch auf schwere Zeiten zurück blicken. Es ist eine Ahnung von Auferstehung.
Jesus macht den Aposteln keinerlei Vorwürfe: Warum habt ihr mich verlassen, seid feige davongerannt? Jesus bringt den Frieden, indem er uns nicht auf unser Versagen festnagelt, sondern uns einen Neuanfang schenkt. In wie vielen Situationen ist Frieden nur möglich, wenn wirklich ein Neuanfang gesetzt wird.
Dazu aber bringt Jesus zu Ostern die Ermöglichung mit: den Heiligen Geist und die Vergebung der Sünden. Der heilige Geist, den Jesus an Ostern den Aposteln und an Pfingsten der ganzen Kirche geschenkt hat, ist die Kraft der neuen Anfänge. Aus den verängstigten Jüngern macht er mutige Zeugen, aus einer verschreckten und abgeschotteten Kirche eine lebendige und offene Gemeinschaft. So wirkt Jesu Geist bis heute, immer neu überraschend.
Frieden gibt es aber vor allem dort, wo Schuld verziehen, wo Sünde vergeben wird. Weil Jesus dieses Geschenk am Ostertag mitgebracht hat, ist er der wahre Friedensstifter. Wo Gottes Vergebung unter Menschen geschieht, da wird der Alltagsgruß zur Lebenswirklichkeit: Schalom!
Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.
Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.