So die Nähe Christi zu erfahren ist einfach beglückend.
So die Nähe Christi zu erfahren ist einfach beglückend.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 3. Sonntag der Osterzeit 25. April 2004,
(Joh 21,1-19)
Das Leben geht weiter. Das erfahren wir manchmal schmerzlich nach tiefen Einschnitten im Leben, etwa nach dem Tod eines geliebten Menschen. Irgendwie muss das Leben weitergehen. Es fordert sein Recht, es holt uns ein. Es kommt der Moment, wo wieder der Alltag einkehrt.
Eine solche Situation trat nach Ostern für die Apostel ein. Der Kreuzestod ihres geliebten Meisters hatte sie völlig aus der Bahn geworfen. Panik, Angst, Hilflosigkeit. Doch dann kam die Wende: sie fanden sein Grab leer, etwas später erschien er ihnen selber. Nach der Trauer kam die riesige Freude. Der Herr lebt, er ist auferstanden.
Bald aber folgte die Einsicht: Das Leben muss weiter gehen. Jesus lebt zwar, aber nicht mehr in dieser Welt. Er erschien ihnen mehrmals, doch lebte er nicht mehr bei ihnen. Was sollten sie jetzt tun? Sie waren ja noch in dieser Welt. Er hat sie hier zurückgelassen. Er war ihnen nahe, und dennoch mussten sie ihr Leben selber in die Hand nehmen.
Was sie dabei erlebten, ist für uns Vorbild, denn wir glauben zwar als Christen, dass Christus auferstanden ist und lebt, dass er uns deshalb sehr nahe ist. Trotzdem nimmt er uns nicht die Mühe ab, für unseren Alltag zu sorgen. Das Leben muss weiter gehen.
Für die Apostel hieß das: sie kehrten zu ihrem alten Beruf zurück. Die ersten waren Fischer aus Galiläa. Dort finden wir sie wieder. Sie müssen ja von etwas leben. Zu siebent gehen sie fischen. Haben sie es verlernt? Der Neustart ist ein völliger Misserfolg. In der ersten Nacht, wieder auf dem See, fangen sie nichts, gar nichts. Dementsprechend trocken reagieren sie, als ein Unbekannter am Ufer sie um Essen bittet.
Umso überraschender ist es, dass sie dem Ratschlag des Fremden am Ufer folgen und ihr Netz noch einmal auswerfen. Noch haben sie ja nicht erkannt, dass Jesus ihnen diesen Rat gegeben hat. Als ihr Netz plötzlich randvoll mit Fischen ist, beginnen sie zu erfassen, wer da am Ufer steht. Der Lieblingsjünger Johannes hat es als erster begriffen: Es ist der Herr!
Hier halte ich inne. Denn ich glaube, dass es ähnliche Erlebnisse im Alltag jedes Menschen gibt, der versucht, ein Christ zu sein. Jesus ist jetzt nicht mehr sichtbar unter uns. Auch erscheint er nicht mehr, wie er es am Anfang gelegentlich bei den Aposteln und ersten Jüngern tat, bis zu seiner "Himmelfahrt". Aber auch jetzt noch gibt es Situationen, in denen mitten in den Mühen des Alltags plötzlich ahnbar, manchmal fast greifbar deutlich wird: "Es ist der Herr!"
In diesem Ausruf des Johannes schwingt intensive, starke Freude mit. Diese Freude können wir erleben, wenn in unmöglich und sinnlos erscheinenden Lebenslagen so etwas wie der unerwartete riesige Fischfang geschieht. Dann spüren wir klar: Das haben wir nicht selber "geleistet", das ist uns geschenkt worden. So die Nähe Christi zu erfahren ist einfach beglückend.
Es gibt in diesem Schlusskapitel des Johannesevangeliums noch vieles andere zu beachten. Wenigstens auf die 153 großen Fische sei hingewiesen. Warum genau diese Zahl? Darüber gibt es viele Erklärungsversuche. Eine fand ich beim hl. Augustinus: Zähle von 1 bis 17 die Zahlen zusammen - es ergibt 153. 17 besteht aus 10 und 7. Das sei, so meint der große Augustinus, Symbol für das Alte (10 Gebote) und das Neue Testament (7 als vollkommene Zahl). Die Apostel hätten im Netz sozusagen die ganze Fülle von Gottes Offenbarung erhalten. Doch gibt es noch viele andere Versuche, diese rätselhafte Zahl zu deuten. Gemeinsam ist ihnen: Diese Zahl bedeutet symbolisch die ganze Fülle Gottes, die diesen Menschen geschenkt wird.
Das Leben geht weiter, gewiss. Aber noch gewisser ist: Jesus ist da, mitten in meinem Alltag. Er ruft mir zu vom anderen Ufer der Ewigkeit. Er hilft, gibt Zeichen seiner Nähe, manchmal so sehr, dass wir staunen wie Petrus über 153 große Fische.
Danach offenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal.
Es war am See von Tiberias und er offenbarte sich in folgender Weise Simon Petrus, Thomas, genannt Didymus (Zwilling), Natanaël aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngern waren zusammen.
Simon Petrus sagte zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sagten zu ihm: Wir kommen auch mit. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot. Aber in dieser Nacht fingen sie nichts.
Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihnen: Meine Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sagte zu ihnen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas fangen. Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es.
Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See. Dann kamen die anderen Jünger mit dem Boot - sie waren nämlich nicht weit vom Land entfernt, nur etwa zweihundert Ellen - und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her.
Als sie an Land gingen, sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot. Jesus sagte zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt. Da ging Simon Petrus und zog das Netz an Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt, und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht.
Jesus sagte zu ihnen: Kommt her und esst! Keiner von den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. Jesus trat heran, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch.
Dies war schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern offenbarte, seit er von den Toten auferstanden war.