Nicht mit Gewalt und Terror hat er die Welt verändert, sondern durch die Kraft der Liebe.
Nicht mit Gewalt und Terror hat er die Welt verändert, sondern durch die Kraft der Liebe.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 31. Sonntag im Jahreskreis, 31. Oktober 2004,
(Lk 19,1-10)
Danke, Lukas, dass du diese Geschichte mit Zachäus festgehalten hast! Was wäre unsere Kenntnis von Jesus ohne dein Evangelium? Du hast uns wunderbare Einblicke in Sein Leben, in Sein Herz ermöglicht. Einer der tiefsten, ist die Geschichte mit dem kleinwüchsigen Reichen aus Jericho. Sie hat damals "alle" empört. Würde sie auch heute für Aufregung, Gerede und Ablehnung sorgen? Ich fürchte schon.
Man stelle sich vor: Die Nachricht hat sich verbreitet, der Galiläer, Jesus aus Nazareth, sei auf dem Weg nach Jerusalem und werde durch Jericho kommen. Scharen von Neugierigen haben sich am Straßenrand eingefunden und warten auf den, von dem viele sagen, er sei der verheißene Messias und Retter.
Einer hat keine gute Sicht. Er ist sehr reich, sehr verhasst - ein "Erzhalsabschneider", ein Obersteuereintreiber - und zudem ist er sehr klein an Wuchs. Die kleine Rache der vielen kleinen, geplagten Leute: Sie lassen ihn nicht vor! Oder traut er sich nicht, sich vorzudrängen? Aber er will unbedingt Jesus sehen, "wer dieser sei".
Mich bewegt an dieser Szene die Frage: Verstellen wir, verstelle ich nicht immer wieder Menschen den Blick auf Jesus? Aber Jesus findet trotzdem den Weg zum Herzen dieses Ausgestoßenen.
Zachäus tut etwas Unmögliches. Wie ein Bub klettert er auf einen Baum. Egal was die Leute sagen, er will Jesus sehen! Da sitzt er nun im dichten Laub des Maulbeerfeigenbaumes und wartet auf Jesus. Was nun geschieht, ist für sein ganzes Leben entscheidend. Jesus schaut hinauf, sieht ihn, schaut ihm in die Augen. Und zum ersten Mal seit langem begegnet dem Zachäus ein Blick ohne Hass, ohne Ablehnung, ohne Verurteilung.
Woher kennt er mich, dass er mich beim Namen ruft? Bei mir will er einkehren? Bei mir, dem von allen Gefürchteten und Verachteten? Ist es fassbar, dass er in mein Haus kommen will, und nicht in das Haus eines der Frommen und Geachteten dieser Stadt?
So berührt Jesus die Herzen: keine Drohbotschaft, sondern bedingungslose Annahme. Weil Zachäus solche Sehnsucht hatte, Jesus kennen zu lernen, ist dieser bei ihm, ausgerechnet bei diesem Sünder, eingekehrt. Diese Zuwendung hat sein Herz getroffen. Was kein Schimpfen und kein moralischer Zeigefinger erreichen konnte, das hat Jesus durch seine Liebe geschafft. Zachäus ist bereit, sein Leben zu ändern. Die Leute sehen nur das Ärgernis, dass Jesus ausgerechnet in das Haus dieses Mannes geht. Aber für Jesus zählt die Freude über die Bekehrung dieses einen Menschen mehr. Er ist für die Sünder gekommen, die spüren und wissen, dass sie Rettung brauchen. Das begreifen "die Guten" so schwer!
Übrigens: Zachäus bleibt weiter in seinem Beruf. Er wird in Zukunft sicher nicht mehr so viel Geld scheffeln. Er wird nicht mehr die Kleinen und Wehrlosen schröpfen. Er hat sein Unrecht wieder gutgemacht und wird sich bemühen, künftig keines mehr zu begehen. Das ist die Revolution Jesu. Nicht mit Gewalt und Terror hat er die Welt verändert, sondern durch die Kraft der Liebe.
Dann kam er nach Jericho und ging durch die Stadt. Dort wohnte ein Mann namens Zachäus; er war der oberste Zollpächter und war sehr reich.
Er wollte gern sehen, wer dieser Jesus sei, doch die Menschenmenge versperrte ihm die Sicht; denn er war klein. Darum lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus zu sehen, der dort vorbeikommen musste.
Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein. Da stieg er schnell herunter und nahm Jesus freudig bei sich auf.
Als die Leute das sahen, empörten sie sich und sagten: Er ist bei einem Sünder eingekehrt. Zachäus aber wandte sich an den Herrn und sagte: Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben, und wenn ich von jemand zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück.
Da sagte Jesus zu ihm: Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist.
Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.