Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn sind alle lebendig; auch unsere Toten!
Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn sind alle lebendig; auch unsere Toten!
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 32. Sonntag im Jahreskreis,
7. November 2004 (Lk 20,27-38)
Zu den ältesten Menschheitsfragen gehört die Frage, ob und wie es ein Leben nach dem Tod gibt. Die Forscher, die nach den Spuren der Urzeitmenschen suchen, sagen, es handle sich dann mit Sicherheit um Menschfreude und nicht um Tierreste, wenn Grabbeigaben entdeckt werden. Nur Menschen begraben ihre Toten, Tiere nicht. Wer Tote begräbt, bringt damit den Glauben zum Ausdruck, dass mit dem Tod nicht alles aus ist.
In der ehemaligen Ostzone Deutschlands, wo jahrzehntelang der Staatsatheismus geherrscht hat, werden heute viele Tote nicht bestattet, sondern einfach "entsorgt". Wenn es weder Gott noch ewiges Leben gibt, wozu dann die ganze Mühe mit dem Begräbnis? Um sich der Verstorbenen zu erinnern? Das ist sicher ein Grund, Gräber zu pflegen. Reicht dazu nicht ein Erinnerungsbild?
Die würdige Beisetzung des Leichnams des Verstorbenen hatte jahrhundertelang mit dem Glauben zu tun, dass "am jüngsten Tag" die Toten auferstehen werden. Nicht nur die Seelen der Verstorbenen leben ewig, sondern auch der Leib soll einmal auferstehen.
Ich vermute, dass nicht wenige unserer Zeitgenossen sich mit diesem Glauben ebenso schwer tun wie zurzeit Jesu die Sadduzäer, das heißt die Partei der Tempelpriester und Hohepriester. Sie sammelten gerne alle möglichen Argumente gegen die leibliche Auferstehung der Toten. Eines legen sie heute Jesus vor, das durchaus aktuell ist. Wer mehrmals verheiratet war, wessen Frau, wessen Mann wird sie/er "im Himmel" sein? Man sieht förmlich das spöttische Gesicht der Fragenden. Sie sind sicher, Jesus eine Falle gestellt zu haben. Wie wird er herauskommen?
Die Antwort Jesu ist einfach. Aber sie erfordert Glauben. Unser Wissen reicht nur bis an die Grenze des irdischen Lebens. "Drüben" ist es "ganz anders". Da wir nur dieses Leben kennen, können wir uns jenes nicht vorstellen. Hier sind wir in der Zeit, dort in der Ewigkeit. Hier gibt es daher alles, was zum zeitlichen Leben notwendig ist: Nahrung, Heirat, Zeugung, Geburt, die Folge der Generationen. All das ist notwendig, damit das Leben auf dieser Erde weitergeht. "Drüben" ist das anders. Wo es keinen Tod mehr gibt, da fallen auch Zeugung, Geburt, Heirat weg. Wie das sein wird? Wir haben dafür keine Vergleiche. Wir werden, so sagt Jesus "Söhne" und "Töchter" Gottes geworden sein, wie Christus, der auch leiblich aus dem Grab auferstanden ist.
Es bleiben viele Fragen: Wie soll denn ein Leib auferstehen, der längst in der Erde vermodert, im Meer aufgelöst, im Feuer verbrannt ist? Sicher nicht so, wie er im Tod untergegangen ist. Auch hier gilt: "ganz anders". In die Auferstehung der Toten können wir nur glauben. Beweisen lässt sie sich nicht. Aber Jesus sagt ein Wort, dass mehr wiegt als wissenschaftliche Beweise: "Gott ist kein Gott von Toten, sondern von Lebenden." Wir sind vor dem Tod ratlos und hilflos. Gott nicht. Er ist das Leben. "Für Ihn sind alle lebendig", auch unsere Toten!
In jener Zeit kamen einige von den Sadduzäern, die die Auferstehung leugnen, zu Jesus und fragten ihn: Meister, Mose hat uns vorgeschrieben: Wenn ein Mann, der einen Bruder hat, stirbt und eine Frau hinterlässt, ohne Kinder zu haben, dann soll sein Bruder die Frau heiraten und seinem Bruder Nachkommen verschaffen.
Nun lebten einmal sieben Brüder. Der erste nahm sich eine Frau, starb aber kinderlos. Da nahm sie der zweite, danach der dritte, und ebenso die anderen bis zum siebten; sie alle hinterließen keine Kinder, als sie starben. Schließlich starb auch die Frau.
Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein? Alle sieben haben sie doch zur Frau gehabt.
Da sagte Jesus zu ihnen: Nur in dieser Welt heiraten die Menschen. Die aber, die Gott für würdig hält, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, werden dann nicht mehr heiraten.
Sie können auch nicht mehr sterben, weil sie den Engeln gleich und durch die Auferstehung zu Söhnen Gottes geworden sind.
Dass aber die Toten auferstehen, hat schon Mose in der Geschichte vom Dornbusch angedeutet, in der er den Herrn den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs nennt.
Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn sind alle lebendig.