Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?
Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 22. Sonntag im Jahreskreis 28. August 2005,
(Mt 16, 21-27 )
Es begann mit einer großartigen Verheißung - und endete mit einer schrecklichen Zurechtweisung. Am vergangenen Sonntag hieß es noch in wunderbaren Worten Jesu: "Du bist Petrus, der Fels, und auf diesem Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen."
Auf dieser Zusage Jesu steht die Kirche, die so oft schon totgesagte und doch immer lebendige. Sie lebt und erhebt sich stets wieder aus Krisen und Nöten, nicht aus eigener Kraft, nicht weil sie selber so gut ist, sondern weil die Worte Jesu an Petrus fest stehen wie ein Fels. Auf dem felsenfesten Fundament der Treue Jesu zu seiner Kirche beruht ihre Beständigkeit. Weil Jesus versprochen hat, dass Er selber seine Kirche bauen wird, hat sie eine "Bestandsgarantie", wie sie keine menschliche Einrichtung besitzt. Sie ist nicht die Kirche des Petrus, nicht die des Papstes, nicht die irgendeiner Gruppe, sondern die Kirche Jesu Christi. Das war die großartige Botschaft des Evangeliums vom vergangenen Sonntag. 2.000 Jahre Kirchengeschichte haben die Worte Jesu bisher nicht entkräften können.
Damit aber allen klar ist, dass wirklich Christus selber der feste Felsengrund seiner Kirche ist, folgt gleich im Anschluss an die große Verheißung an Petrus das Zeugnis seines Versagens und Jesu scharfe Zurechtweisung. Sie könnte nicht schlimmer ausfallen. Nie hat Jesus jemanden so hart angepackt wie Petrus in diesem Moment. "Du Satan!" nennt ihn Jesus, diesen Petrus, dem er gerade eine so große Verheißung gegeben hatte.
Armer Petrus! Er hat es wirklich gut gemeint. Eben hatte er feierlich erklärt, dass er und seine Kollegen fest davon überzeugt sind: "Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!" Und nun soll dieser von allen Erhoffte, der ersehnte Befreier und Heilsbringer, leiden und sogar getötet werden. "Niemals!", so reagiert Petrus spontan. "Das darf einfach nicht mit dir geschehen!"
Lieber Petrus! Wie sympathisch, wie verständlich, wie menschlich ist deine Reaktion! Weil du Jesus lieb hast, willst du auf keinen Fall, dass er leiden muss. Und weil Jesus eine so große und wichtige Aufgabe zu erfüllen hat, darf es in deinen Augen auf keinen Fall so weit kommen, dass sie ihn umbringen. "Niemals!" Wie überzeugend ist dein energischer Einspruch!
Und doch hast du völlig "danebengehaut", so total, dass du einem nur Leid tun kannst. Aber offensichtlich hast du "den wunden Punkt" berührt, die heikelste Sache im Leben Jesu. Alle vernünftigen Menschen denken wie du, Petrus. Wer ein halbwegs liebevolles Herz hat, empfindet mit dir. Genau das ist es aber, was dir Jesus vorwirft: "Du hast im Sinn, was die Menschen wollen, nicht das, was Gott will."
Es klingt schrecklich, es ist erschreckend: Will Gott wirklich das Kreuz? Für seinen eigenen Sohn? Und auch für uns? Was für ein Gott ist das? Petrus hat lange gebraucht, um zu verstehen, dass Gott Jesus und uns nicht quälen will. Erst als Jesus durch das Kreuz und den Tod hindurchgegangen und auferstanden war, da leuchtete es Petrus ein, dass das Kreuz nicht das letzte Wort, wohl aber das Tor zum Leben ist. Dann hat er auch zu seinem Kreuz "ja" gesagt, ist Jesus ganz gefolgt. So erst wurde er selber zu dem Felsenmann, auf den Jesus seine Kirche bis heute bauen kann.
In jenen Tagen begann Jesus, seinen Jüngern zu erklären, er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten vieles erleiden; er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen.
Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe; er sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht geschehen!
Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.
Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.
Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen?
Der Menschensohn wird mit seinen Engeln in der Hoheit seines Vaters kommen und jedem Menschen vergelten, wie es seine Taten verdienen.