Wer Auge, Ohr und Herz für die anderen hat, zu dem kannn auch Gott sprechen, über dem ist der Himmel offen.
Wer Auge, Ohr und Herz für die anderen hat, zu dem kannn auch Gott sprechen, über dem ist der Himmel offen.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für das Hochfest der Gottesmutter Maria, 1. Januar 2006,
(Lk 2,16-21)
Die Hirten waren die Ersten bei der Krippe. Sie sind auch die Ersten, auf die unser Blick heute, am ersten Tag des neuen Jahres fällt. Was haben die ersten Zeugen der Geburt Christi zu sagen? Warum wurden gerade sie gerufen, vor allen anderen Menschen den Erlöser zu kennen? Und warum sind sie diesem Ruf des Himmels gefolgt und nach Bethlehem geeilt?
Vielleicht half ihnen ihr Beruf dabei, für Gottes Ruf besonders offen zu sein. Hirten können sich nicht viel mit sich selber beschäftigen. Sie müssen wachen und für ihre Herde da sein. Hirten sind Menschen, die gewohnt sind, sich um die ihnen Anvertrauten zu sorgen. Das macht sie offen. Sie nehmen wahr, was die anderen brauchen. Sie sind geübt, aufmerksame Zuwendung zu schenken. Sie geben Schutz und Geborgenheit, Sicherheit und Vertrauen.
So ist es kein Zufall, dass die Bibel das Bild vom Hirten besonders gerne gebraucht, um Gottes Fürorge zu bezeichnen. "Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen", so heißt es im Psalm 23. Jesus selbst wird sich als den "guten Hirten" bezeichnen und damit zum Ausdruck bringen, wie sehr er sorgend und helfend für die Menschen da ist.
Die Hirten von Bethlehem sind die Ersten, die uns im neuen Jahr im Evangelium begegnen. Ich möchte das als Wunsch und Sehnsucht für das eben begonnene Jahr deuten: Mögen uns Menschen begegnen, die wirkliche Hirten sind, sorgsam auf die anderen bedacht, nicht um sich selber kreisend und nur auf sich schauend. Mögen wir selber Hirten für andere sein. Wie sehr brauchen wir alle solche Menschen, in Familie, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft - und auch in der Kirche.
Die Hirten auf dem Feld bei Bethlehem haben die himmlische Botschaft empfangen. Konnte Gott mit Seinen Engeln deshalb zu ihnen sprechen, weil sie offen waren? Zum selbstverschlossenen Menschen dringt Gottes Botschaft nicht durch. Wer Auge, Ohr und Herz für die anderen hat, zu dem kannn auch Gott sprechen, über dem ist der Himmel offen.
So ist mein Wunsch zum neuen Jahr, dass es uns offen finde für die Wegweisung und das Licht von oben. Die Hirten erhielten die Nachricht von den Engeln, wo sie die Erfüllung ihrer Sehnsucht finden können. So kamen sie und "fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag". Äußerlich gesehen keine Sensation, kein königlicher Glanz. Auch heute noch kann das Evangelium den Menschen nichts Aufregendes, Außerordentliches anbieten. Wie die Hirten werden auch wir zum ganz Einfachen, zum Schlichten hingeführt. Dort läßt Gott sich finden. Auch das ist Orientierung für das neue Jahr.
Schließlich richtet das Evangelium unseren Blick auf Maria. Ihre Haltung kann Leitstern für das ganze Jahr sein: "Sie bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach." Nicht viele Worte, kein "Zerreden" und "Zergrübeln", sondern im Herzen erwägen, was da geschehen ist und was es bedeutet.
Maria ist Vorbild für die "Innerlichkeit", die unserer so äußerlichen Zeit Not tut. Was will Gott mir durch die Ereignisse sagen? Seine Wege anzunehmen und zu ahnen, was Er uns schenken will, das braucht Stille, Nachdenken, Gebet … und Zeit!
Die Hirten und Maria: Sie sind Wegweiser, wie das Jahr 2006 ein gutes werden kann.
So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag.
Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten.
Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.
Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten; denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war.
Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, noch ehe das Kind im Schoß seiner Mutter empfangen wurde.