Gott liebt diese Welt. Es ist schwer zu begreifen.
Gott liebt diese Welt. Es ist schwer zu begreifen.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 4. Fastensonntag, 26. März 2006,
(Joh 3,14-21)
Laetare heißt der heutige vierte Fastensonntag, nach dem lateinischen ersten Wort des heutigen Gottesdienstes: "Freue dich, Stadt Jerusalem! Seid fröhlich zusammen mit ihr, alle, die ihr traurig wart. Freut euch und trinkt euch satt an der Quelle göttlicher Tröstung."
Mitten im Ernst der Fastenzeit ein deutliches Wort der Freude. Früher, als Fasten noch wirklich Fasten war und der Verzicht beim Essen und Trinken, beim Rauchen, bei den Unterhaltungen noch richtig spürbar war, da klang das Wort von der Freude in der Mitte der Fastenzeit wohl etwas kräftiger als heute. Es gibt freilich - erfreulicherweise - wieder mehr Menschen, die die Fastenzeit wirklich als Zeit der freiwilligen Einschränkung, des Verzichtes und der Buße leben - und dabei erfahren, wie gut eine solche Zeit für Seele und Leib tut.
Laetare, freut euch! Den Grund nennt Jesus selber. Nikodemus, ein Ratsherr in Jerusalem, angesehen und geachtet, kommt heimlich in der Nacht zu Jesus, um mit ihm zu sprechen. Es war vielleicht nicht sehr heldenhaft, dass er sich nicht traute am hellen Tag zu Jesus zu gehen. Was würden die anderen Ratsherren sagen, wenn sie von seinem Wunsch wüssten, Jesus persönlich zu sprechen? Eines ist sicher: Das Nachtgespräch mit Jesus wurde zum Wendepunkt in seinem Leben. Wie oft hat Nikodemus wohl in späteren Jahren von dieser unvergesslichen Nacht erzählt! Es muss ihm bewusst geworden sein, dass Jesus ihm eines der schönsten, tiefsten Worte anvertraut hat, die er gesagt hat. Noch immer klingt es nach, noch immer kann es das Leben von Menschen verwandeln: "So sehr hat Gott die Welt geliebt …"
Gott liebt diese Welt. Es ist schwer zu begreifen. Eine Welt, in der es so viel Finsternis gibt? Eine Welt, in der das Böse übermächtig ist, in der Unrecht und Leid, Krankheit und schließlich der Tod das letzte Wort haben? Wo ist Seine Liebe?
Sie hat einen Namen, ein Gesicht. Nikodemus schaut in dieses Gesicht, hört dessen Stimme, lauscht seinen Worten. "Wer an mich glaubt, geht nicht zugrunde", hört der Ratsherr seinen nächtlichen Gastgeber sagen. Und er vernimmt diese wunderbaren Worte: "Gott hat seinen Sohn in die Welt gesandt, nicht um sie zu richten, sondern zu retten."
Es gibt eine Rettung in dieser Welt der Finsternis. Es gibt einen Retter. Wir sind nicht sinnlos in diese Welt geworfen, um uns hier durchs Leben zu fretten und am Schluss im Tod unterzugehen.
"Wenn du nicht weiter weißt, schau zu mir auf! Glaub an mich! Vertrau auf mich!" Diese Welt ist oft ein Tränental. Aber sie ist nicht ein sinnloser Abgrund. "So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn hingab", sein Ein und Alles, sein ganzes Herz.
In tiefer Nacht hat Nikodemus diese Worte gehört. Er hat sie oft weitergesagt. Er hat sie geglaubt und dadurch so viel Trost erlebt. Mitten in der Fastenzeit sagt er sie heute auch uns, noch einmal. Glaubt daran! Fest, felsenfest! Und daher: Freut euch!
In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodemus: Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, in ihm das ewige Leben hat.
Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hergab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.
Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.
Denn mit dem Gericht verhält er sich so: Das Licht kam in die Welt, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden.
Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.