Geh aber zu meinen Brüdern, und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.
Geh aber zu meinen Brüdern, und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den Ostersonntag, 16. April 2006,
(Joh 20,1-18)
Am ersten Tag der Woche ist es geschehen: an dem Tag, den wir den Sonntag nennen. Er ist nicht das Wochenende, sondern ein neuer Anfang. In versuche daher, den Ausdruck „Wochenende“ zu vermeiden und wünsche möglichst „einen schönen Sonntag“. „Dimanche“ heißt dieser erste Tag der Woche auf Französisch, „domenica“ auf Italienisch, wörtlich übersetzt: der „Herrentag“, denn es ist der Tag Seiner Auferstehung, das wöchentliche Osterfest.
Drei Personen erleben diesen ersten Tag, jede auf ihre Weise. Wie lebe und erlebe ich Ostern, den Tag der Auferstehung? Finde ich mich ein wenig in einer der drei Personen wieder, oder ein bisschen in allen dreien, oder (noch) in keiner der Drei?
Maria von Magdala ist die erste und letzte Gestalt in der Szene. Sie hatte nach einem Leben als „öffentliche Sünderin“ Jesus kennen gelernt. Er hat ihr Leben verändert, nicht in der Art, wie Dan Brown sich das vorstellt. Bei Jesus hat sie etwas gefunden, was sie bei keinem anderen Mann gefunden hatte. Sie hat sich angenommen, verstanden, geachtet erlebt wie nie zuvor. Sie war nicht mehr Objekt, Gegenstand von Begierde oder Bedürfnis; sie war ganz und gar sie selber. Es war ein nie zuvor gekanntes Glück, eine ungeahnte Erfüllung, wie sie ihr keine ihrer Beziehungen gebracht hat.
Sein Tod am Kreuz war deshalb unsagbarer Schmerz. Deshalb kommt sie so früh schon zum Grab. Deshalb der Schock, dass sein Leichnam weg ist - bis es zur neuen Begegnung kommt. Er nennt sie beim Namen: Maria! Da erkennt sie ihn. Aber er ist nicht in diese unsere alte Welt zurückgekehrt. Er ist jetzt „drüben“, „droben“, beim Vater, wohin er uns vorausging. Deshalb darf sie ihn nicht Festhalten. Deshalb muss sie gehen und den anderen sagen, was sie von Ihm für ihr Leben erhalten hat. Sie muss es weitergeben, nicht für sich behalten.
Kann ich mich in Maria von Magdala wieder finden? In ihrer Sehnsucht nach Liebe? In ihren Enttäuschungen, Irrwegen? In ihrer Suche nach einem größeren Sinn, einem haltbaren Glück? Kann ich etwas von dem mitfühlen, was für sie die Begegnung mit Jesus war? Habe ich schon etwas von dem Trost erlebt, den sie von ihm bekam? „Frau, warum weinst du?“ Und von der Freude, dass alles Leid nicht umsonst war? Und dass Jesus lebt!
Anders die Erfahrung der beiden Männer. Aufgeschreckt durch die Nachricht, sein Grab sei leer, laufen sie, vergessen ihre Feigheit, verlassen ihr Versteck. Der Jüngere ist schneller (Johannes), der Ältere keucht hinterher (Petrus). Beide sehen das leere Grab, die Leinenbinden, das Schweißtuch. Beide sehen, dass der Leichnam Jesu nicht gestohlen worden sein kann. Jesus war nicht „ausgewickelt“ worden. Das Grabtuch lag da, und er nicht mehr darin. Der eine sieht es, der andere „sieht und glaubt“.
Auch wir sind nicht alle gleich schnell im Leben und im Glauben. Der eine sieht, kann aber (noch) nicht glauben; der andere tut den Schritt und glaubt. Wo stehe ich? Bin ich langsamer als Petrus, schneller wie Johannes? Was fehlt mir noch, dass ich glauben kann? Kehren wir, wie die beiden Männer, wieder heim in unseren Alltag, ohne unsere Suche geklärt zu haben - oder bleiben wir wie Maria Magdalena so lange dran, bis wir Antwort finden? Alle drei haben schließlich den Auferstandenen gefunden. Das ist auch mein Osterwunsch für uns alle.
Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat.
Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab; sie liefen beide zusammen dorthin, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als Erster ans Grab. Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging aber nicht hinein. Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle.
Da ging auch der andere Jünger, der zuerst an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte. Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste.
Dann kehrten die Jünger wieder nach Hause zurück.
Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein. Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten.
Die Engel sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat. Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war.
Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen. Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich ihm zu und sagte auf hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister.
Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern, und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.
Maria von Magdala ging zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie richtete aus, was er ihr gesagt hatte.