Es geht immer darum, ob ich dem Bösen in meinem Herzen Raum gebe.
Es geht immer darum, ob ich dem Bösen in meinem Herzen Raum gebe.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 22. Sonntag im Jahreskreis, 3. September 2006,
(Mk 7,1-8.14-15.21-23)
"Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen." Stimmt das wirklich? Wenn ich daran denke, was heute Tag für Tag (und Nacht für Nacht) an uns Menschen herangetragen wird, an Lärm, an schrecklichen Bildern, an Gewalt, an Krieg und Katastrophen, dann kommt mir dieses Wort Jesu irgendwie fragwürdig vor. Wir leiden heute an Reizüberflutung. Wir werden dauernd mit Bildern bombardiert, schönen und schlimmen, und oft aufreizenden. "Bilderfasten" wird zur seelischen Entschlackungskur, zur Reinigung des Inneren.
Aber Jesus meinte nicht die Verunreinigung der Seele durch Bilder und Eindrücke, sondern die des Leibes durch "unreine Speisen". Im Judentum gibt es klare und strenge Speise- und Reinheitsvorschriften. Viele davon sind auch als Hygieneregeln höchst sinnvoll: sich vor dem Essen die Hände zu waschen ist richtig; wenn man vom Markt, aus der U-Bahn, von der Arbeit kommt, sich die Hände zu reinigen ist nahe liegend. Und wer wollte bezweifeln, dass es höchst sinnvoll ist, das Geschirr gut zu waschen. Was die vielen jüdischen Speisevorschriften betrifft, die uns zum Teil schwer verständlich sind, so sollten wir ehrlich zugeben, dass wir heute oft einen wahren Kult um die richtige Ernährung machen.
Und doch stimmt es: Vieles, was da "in den Menschen hineinkommt", macht ihn unrein, schadet ihm, macht ihn krank. Die Zigarette, der viele Kaffee, der Alkohol, zu fettes Essen, zuviel Essen - wir wissen alle nur zu gut, dass uns das nicht gut tut.
Hatte Jesus also nicht Recht? Er spricht von einer anderen Reinheit. Hören wir nur genauer hin! "Aus dem Inneren, aus dem Herzen der Menschen" kommt alles, was uns unrein macht. Zuerst die bösen Gedanken. Sie breiten sich aus, wenn wir ihnen Raum geben. Sie vergiften die Luft unserer Seele. Sie "gebären" die bösen Taten. Jeder von uns kann die Liste "durchchecken", die Jesus uns vorlegt: Was gewinnt in meinem Leben an Einfluss, wenn ich den bösen Gedanken freien Lauf lasse?
Kommen die bösen Gedanken wirklich aus dem Herzen? Entstehen sie nicht oft durch äußere Einflüsse? Durch böses Gerede? Durch "Ohrenbläserei", durch "Vernadern" und "Ausrichten" der anderen? Durch Vorurteile und Hetzpropaganda? Sicher läuft es meist so. Aber die Frage ist dann immer noch: Lasse ich die bösen Gedanken bei mir ein? Es geht immer darum, ob ich dem Bösen in meinem Herzen Raum gebe.
Wie bekommen wir das Herz rein? Wie schließen wir es gegen die bösen Gedanken, die dann böse Taten zeugen? Und was, wenn sie schon einmal drin sind im Herzen? Wie bekomme ich sie wieder hinaus? Wie bekomme ich ein gutes, gütiges, ein liebevolles Herz? Nur einen Weg gibt es dahin: dass ich Ihn hereinlasse. Wenn Gott in meinem Herzen Platz hat, dann kommen mit Ihm Licht und Liebe herein. Dann kommt aus meinem Herzen nichts Böses hervor. Oder zumindest sehr viel weniger.
Die Pharisäer und einige Schriftgelehrte, die aus Jerusalem gekommen waren, hielten sich bei Jesus auf. Sie sahen, dass einige seiner Jünger ihr Brot mit unreinen, das heißt mit ungewaschenen Händen aßen.
Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur, wenn sie vorher mit einer Hand voll Wasser die Hände gewaschen haben, wie es die Überlieferung der Alten vorschreibt. Auch wenn sie vom Markt kommen, essen sie nicht, ohne sich vorher zu waschen. Noch viele andere überlieferte Vorschriften halten sie ein, wie das Abspülen von Bechern, Krügen und Kesseln.
Die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragten ihn also: Warum halten sich deine Jünger nicht an die Überlieferung der Alten, sondern essen ihr Brot mit unreinen Händen?
Er antwortete ihnen: Der Prophet Jesaja hatte Recht mit dem, was er über euch Heuchler sagte: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir. Es ist sinnlos, wie sie mich verehren; was sie lehren, sind Satzungen von Menschen.
Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen. Dann rief er die Leute wieder zu sich und sagte: Hört mir alle zu und begreift, was ich sage: Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein.
Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein.