Es ist ein heilsames Erschrecken, das uns Menschen gut tut. Wie weit bin ich noch von Gott weg! Wie viel Unheiliges gibt es noch in mir!
Es ist ein heilsames Erschrecken, das uns Menschen gut tut. Wie weit bin ich noch von Gott weg! Wie viel Unheiliges gibt es noch in mir!
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 5. Sonntag im Jahreskreis, 4. Februar 2007,
(Lk 5,1-11)
Wer einmal dort war, am Ufer des Sees Gennesaret, kann sich die Szene gut vorstellen. Jesus steht am Ufer und rund um ihn eine große Menschenmenge. Alle wollen ihn hören. Sie drängen sich heran, um ihn besser zu verstehen. Jesus hatte wahrscheinlich eine kräftige Stimme. Sonst hätte er nicht ohne Mikrofon und Lautsprecher zu über 5000 Menschen sprechen können. Sicher hat er nicht genuschelt wie manche Prediger heute, die man trotz Mikrofon kaum versteht.
Damit ihn die Leute nicht ins Wasser drängen, steigt er in ein Boot, um zu den Scharen am Ufer zu sprechen. Es war wohl kein Zufall, dass er in das Fischerboot stieg, das dem Simon gehörte, der dann von ihm den Beinamen Petrus erhielt. Das "Schifflein Petri" ist bis heute ein Bild für die Kirche geblieben. Sie ist das Boot, dessen Steuermann Petrus ist und heute sein Nachfolger, der Papst.
In diesem "Schifflein Petri" finden wir Jesus und von ihm aus spricht er auch heute noch zu den Menschen. Bis heute ist es nicht untergegangen. Es hat allen Stürmen getrotzt, weil Jesus in ihm ist.
Dieses Boot nun erlebt das Wunder eines riesigen Fischfangs. Ich bewundere die Bereitschaft des Petrus, sich an die Fischereianweisung Jesu zu halten. Was verstand Jesus schon von dem harten Beruf der Fischer? Er war von Beruf Zimmermann. Er kam aus dem Landesinneren. Er kannte nicht die Erfahrung der Fischer. Wer wirft schon am helllichten Tag die Netze aus? Das tut man in der Nacht. Und in der letzten Nacht gab es Null Fischfang.
Petrus schenkt Jesus Vertrauen. Das war wirklich ein Akt des Glaubens. Unfassbar, was dann geschah. Beide Boote randvoll mit Fischen. Unerklärlich. So was haben diese erfahrenen Fischer noch nie erlebt. Das geht nicht mit natürlichen Dingen zu. Alle wissen: Das war ein Wunder!
Warum reagiert Petrus fast entsetzt? "Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder." Würden wir nicht Freude, Begeisterung erwarten? Oder wenigstens Dankbarkeit für so viele Fische? Warum dieser Schrecken? Wer Gott nahe kommt, kann ähnliche Erfahrungen machen. Wir nennen ihn den "lieben Gott", und das zu Recht. Aber harmlos ist Er nicht. Alles großen Gottsucher haben auch die andere Seite geahnt: Gott ist der Unfassbare, Heilige und Hohe und Seine Nähe macht dem Menschen bewusst, dass er ein armer Sünder ist.
So etwas muss Petrus gespürt haben. Vor dem Unfassbaren, das er da erlebt, einem nie da gewesenen Fischfang, ahnt er, wer dieser Jesus aus Nazareth ist, der da in sein Boot eingestiegen ist. Die Gegenwart Gottes in Jesus erschüttert ihn. Er sieht, wie unvollkommen er selber ist, wie weit er noch von Gott entfernt ist.
Es ist ein heilsames Erschrecken, das uns Menschen gut tut. Wie weit bin ich noch von Gott weg! Wie viel Unheiliges gibt es noch in mir! Wie wichtig, dass ich mir keine Illusionen darüber mache, wie gut und "o.k." ich angeblich bin. Petrus musste im Zusammensein mit Jesus immer wieder schmerzlich erleben, wie viel er noch zu lernen hatte. Aber es blieb nicht beim Schrecken: "Fürchte dich nicht!", sagt ihm Jesus, "du wirst Menschenfischer". Er wurde es wirklich. Auch mir sagt Jesus: Fürchte dich nicht, ich bin ja bei dir!
Als Jesus am Ufer des Sees Gennesaret stand, drängte sich das Volk um ihn und wollte das Wort Gottes hören.
Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Jesus stieg in das Boot, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus.
Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: Fahr hinaus auf den See! Dort werft eure Netze zum Fang aus! Simon antwortete ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.
Doch wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen. Das taten sie, und sie fingen eine so große Menge Fische, dass ihre Netze zu reißen drohten. Deshalb winkten sie ihren Gefährten im anderen Boot, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und gemeinsam füllten sie beide Boote bis zum Rand, sodass sie fast untergingen.
Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder. Denn er und alle seine Begleiter waren erstaunt und erschrocken, weil sie so viele Fische gefangen hatten; ebenso ging es Jakobus und Johannes, den Söhnen des Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten.
Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen. Und sie zogen die Boote an Land, ließen alles zurück und folgten ihm nach.