Habe ich mein Leben richtig orientiert? Habe ich auf die echten Werte gesetzt?
Habe ich mein Leben richtig orientiert? Habe ich auf die echten Werte gesetzt?
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 6. Sonntag im Jahreskreis, 11. Februar 2007,
(Lk 6,17.20-26)
Ist das nicht blanker Zynismus, unerträglicher Hohn? „Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden.“ Was soll am Hunger selig sein? Gut, dass du hungerst, du wirst es später einmal gut haben. Kann man sich vorstellen, mit diesem Wort die verhungernden Mütter und Kinder in Afrika abzuspeisen? Kann das der Sinn der „Seligpreisungen“ Jesu sein?
Erst der Gegensatz macht deutlich, was Christus mit diesem schockierenden Wort sagt: „Wehe euch, die ihr jetzt satt seid (wörtlich: angefüllt seid, volle Bäuche habt), ihr werdet hungern." Heißt das: Wehe denen, die es jetzt gut haben? Ihnen wird es dann schlecht gehen. Ist das nicht eine seltsame Mischung aus Vertröstung auf den Himmel und Drohen mit der Hölle? Hat diese Art nicht viele Menschen abgeschreckt und aus der Kirche vertrieben?
Vielleicht traut sich deshalb heute kaum mehr ein Prediger, die Worte Jesu wörtlich zu nehmen. Man macht aus dem heftigen Sturm des Evangeliums ein sanftes Säuseln, das niemanden mehr aufrüttelt.
Jesus aber hat aufgerüttelt. Seine Worte haben die Menschen erschüttert. Sie haben sich bekehrt - oder ihn heftig abgelehnt. Was er seinen Jüngern sagt, hat er selber am eigenen Leib zu spüren bekommen: „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und aus ihrer Gemeinschaft ausschließen, wenn sie euch beschimpfen und euch in Verruf bringen um des Menschensohnes (das heißt um meinet) willen“. Wer Jesus nachfolgt, wird nicht nur Lob ernten: „Wehe euch, wenn euch alle Menschen loben; denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht“.
Es gibt zwei Grundeinstellungen im Leben, und Jesus fordert heraus, sich zu entscheiden: entweder das, was „der Welt“ gefällt, was Applaus erntet und was „in“ ist. Oder das, was wirklich Wert hat, was hält und unzerstörbar ist. Das eine macht vielleicht „happy“, es macht Spaß, es bringt Erfolg und schaut „toll“ aus, aber „selig“ macht es nicht. Es kann morgen schon vorbei sein. Die Gesundheit kann uns verlassen, Misserfolg uns von der Bühne der Erfolgreichen wegholen, Verleumdungen unseren Ruf ruinieren. Dann sind plötzlich alle (oder die meisten) weg. Dann ist`s vorbei mit Spaß und Seitenblicken. Dann kommt die Frage: Habe ich mein Leben richtig orientiert? Habe ich auf die echten Werte gesetzt? Dann sehe ich plötzlich die Welt ganz anders. Da entdecke ich auf einmal die Vielen, die auf der Schattenseite des Lebens sind, die ich bisher übersehen habe, von denen ich weggeschaut habe.
Die Provokation Jesu heißt: Fang schon heute an, da es dir gut geht, mit anderen Augen zu sehen! Schau hin, wo Arme sind. Dreh dich nicht weg, wo jemand weint. Vergiss nicht, dass es Hungernde gibt. Geh nicht nur zu denen, die Erfolg und Ansehen haben. Dann wirst du entdecken, dass es ganz andere Werte gibt, als die, die in der Welt zählen. Dann kommt in dein Leben eine neue Freude, ein bisher unbekanntes Glück. Dann beginnst du zu verstehen, dass Arme, Trauernde, Notleidende und Verachtete dir mehr über das echte Menschsein sagen können als aller Glanz der Welt. Deshalb nennt Jesus sie selig.
Jesus stieg mit ihnen den Berg hinab. In der Ebene blieb er mit einer großen Schar seiner Jünger stehen und viele Menschen aus ganz Judäa und Jerusalem und dem Küstengebiet von Tyrus und Sidon strömten herbei.
Er richtete seine Augen auf seine Jünger und sagte:
Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes.
Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden.
Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.
Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und aus ihrer Gemeinschaft ausschließen, wenn sie euch beschimpfen und euch in Verruf bringen um des Menschensohnes willen.
Freut euch und jauchzt an jenem Tag; euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den Propheten gemacht.
Aber weh euch, die ihr reich seid; denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten.
Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern.
Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen.
Weh euch, wenn euch alle Menschen loben; denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht.