Auch kleine Bosheiten können großen Schaden anrichten.
Auch kleine Bosheiten können großen Schaden anrichten.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 3. Fastensonntag, 11. März 2007,
(Lk 13,1-19)
Wer war schuld an dem Massaker in Jerusalem, von dem man Jesus berichtet? Täglich gibt es heute solche Nachrichten. Es ist zur Gewohnheit geworden, dass jeden Tag im Irak Dutzende Menschen bei Selbstmordattentaten ums Leben kommen. Es sind nur mehr kleine Nachrichten, fast nebenbei erwähnt. Wer ist schuld daran? Die Terroristen? Die Amerikaner mit dem Irakkrieg? Die Parteiungen im Irak (Sunniten und Schiiten)? Oder einfach das blinde Chaos?
Zur Zeit Jesu fragte man: Wer hat da gesündigt, dass Gott eine solche Strafe zulässt? Auch heute sagen das manche: Aids sei zum Beispiel eine Strafe Gottes. Andere sagen: selber schuld! Und manchmal stimmt es: Lungenkrebs bei Kettenrauchern; Leberzirrhose bei Alkoholikern; tödliche Unfälle bei leichtsinnigen Fahrern. Wer also ist schuld am Unglück?
Da ist noch eine Sensationsmeldung: Ein Turm beim Teich Schiloach ist eingestürzt. Achtzehn Menschen kamen ums Leben. Schlecht gebaut? Unvorsichtige Grabungen am nahen Wasserkanal? Wer ist schuld? Heute wird sofort nach einer Katastrophe nach Schuldigen gesucht. Und wenn es eine Naturkatastrophe ist, wie der Tsunami, dann wird Gott zum Schuldigen gemacht. Wie kann ein guter Gott zulassen, dass Hunderttausende Tote zu beklagen sind? Ist nicht letztlich Gott an allem Leid schuld? Hat nicht Er alles in der Hand? Warum verhindert Er nicht solches Unheil?
Jesus dreht die Perspektive völlig um: Meint ihr, die Opfer von Terror und Tsunami waren schlechtere Menschen, größere Sünder als ihr? Glaubt ihr, dass ihr besser seid als die Opfer von Drogen, Aids und Unfällen? "Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt."
Ist nicht jedes Unglück eine Erinnerung daran, dass wir nur Gast auf Erden sind? Es könnte mich genauso treffen! Wir alle sind jederzeit "auf Abruf". Aber sind wir auch allzeit dazu bereit? Schon heute kann es mich treffen. Das wissen wir alle ganz genau. Aber wir verdrängen es. Der Tod ist tabu. Darüber zu sprechen, ist fast "unanständig".
Warum aber "umkehren"? Warum diese Warnung, dass wir ohne Bekehrung "alle umkommen werden"? Das ist der "harte Kern" von Jesu Botschaft. Wir wagen es ja heute kaum zu sagen, weil es so nach "Drohbotschaft" klingt. Jesus sagt doch im Grunde: Ihr seid alle schuldig! Ihr habt alle den Tod verdient wie die, die umgebracht wurden. Das klingt schrecklich. Aber viel schrecklicher wäre es, wenn er uns nicht warnen würde. Welche Mutter schaut einfach zu, wenn ihrem Kind Todesgefahr droht?
Weil Jesus uns liebt, sagt er uns: Tut etwas, ändert etwas in eurem Leben! Glauben wir nicht, dass unsere Fehler harmlos sind! Auch kleine Bosheiten können großen Schaden anrichten. Kämpfe gegen die "kleinen" Sünden! Sie sammeln sich und werden zu einem schlimmen großen Schuldpaket. Jetzt ist die Zeit zur Umkehr! Fastenzeit! Gnadenzeit!
Zu dieser Zeit kamen einige Leute zu Jesus und berichteten ihm von den Galiläern, die Pilatus beim Opfern umbringen ließ, sodass sich ihr Blut mit dem ihrer Opfertiere vermischte.
Da sagte er zu ihnen: Meint ihr, dass nur diese Galiläer Sünder waren, weil das mit ihnen geschehen ist, alle anderen Galiläer aber nicht?
Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt. Oder jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms von Schiloach erschlagen wurden - meint ihr, dass nur sie Schuld auf sich geladen hatten, alle anderen Einwohner von Jerusalem aber nicht? Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.
Und er erzählte ihnen dieses Gleichnis: Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum; und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine. Da sagte er zu seinem Weingärtner: Jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen?
Der Weingärtner erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen.
Vielleicht trägt er doch noch Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen.