Thomas kann Jesus anrühren, er kann mit seiner Hand sein Herz berühren. Jetzt zweifelt er nicht mehr. Er glaubt.
Thomas kann Jesus anrühren, er kann mit seiner Hand sein Herz berühren. Jetzt zweifelt er nicht mehr. Er glaubt.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 2. Sonntag der Osterzeit,
Sonntag der Barmherzigkeit Gottes,
(Weißer Sonntag), 15. April 2007,
(Joh 20,19-31)
Alles menschlich verständlich, aber gar nicht sehr glorreich! Das Verhalten der Apostel ist kein Ruhmesblatt. Rühmlich ist nur, dass sie allesamt so ehrlich waren, ihre eigene Schwäche nicht zu „beschönigen“. Sie hatten alle Treue versprochen, und sind doch alle davon gelaufen (mit Ausnahme des Lieblingsjüngers Johannes). Als es ernst wurde, hat sie alle die Panik gepackt. Sie haben den Meister in Stich gelassen und sich in dem Zimmer eines Jerusalemer Bürgers verschanzt, in dem sie wenige Stunden zuvor das „Pessach“, das jüdische Ostermahl, gehalten hatten.
Dort scheinen sie geblieben zu sein, während des Prozesses Jesu, als er seinen Kreuzbalken zur Richtstätte schleppen musste, als er zwischen Verbrechern gekreuzigt wurde, als er schließlich tot am Kreuz hing. Bei diesem ganzen Drama haben sie gefehlt. Ihre Angst ist nur zu menschlich. Sie mussten doch ernsthaft damit rechnen, dass sie genauso wie ihr „Chef“ und Meister drankommen würden. Ich erlaube mir nicht, sie wegen dieser Feigheit zu kritisieren. Ich staune viel mehr über die Haltung Jesu am Abend des Ostertages. Als er da plötzlich in ihrer Mitte stand, trotz verriegelter Türen, da kam ihm kein Wort der Kritik über die Lippen, kein Vorwurf, kein Aufrechnen ihres Versagens. „Friede sei mit euch!“ ist sein erster Gruß. Er sagt es nicht nur, er bringt Frieden. So ist es geblieben, bis heute: Wo Menschen Ihm begegnen, im Glauben, im Gebet, da erleben sie Frieden.
Nicht Anklage, sondern Annahme geht von Jesus aus. Ohne es eigens zu sagen, lässt Er sie verstehen, dass er ihnen verziehen hat. Wie oft gelingt es mir nicht, so zu handeln! Ich nehme mir vor, keine Vorwürfe zu machen, nicht dem anderen vorrechnen, was er alles falsch gemacht hat - und tu´s dann doch! Wie kann ich besser lernen, Frieden zu bringen, statt Anschuldigungen aufzuzählen?
Thomas der Zweifler kann uns helfen. Er glaubt nur, was er sehen und berühren kann. Er will, ganz wörtlich, begreifen. Dass Jesus lebt, das kommt ihm so unmöglich vor, dass er es den anderen nicht glauben kann. Er will es selber erleben. Und tatsächlich bekommt er die Gelegenheit.
Eine Woche später wiederholt sich die Erscheinung Jesu. Thomas wird aufgefordert, Ihn zu berühren. Da sind an Jesu Händen die Male der Nägel, und die große Seitenwunde, von der Lanze, die das Herz Jesu durchbohrt hat.
Thomas kann Jesus anrühren, er kann mit seiner Hand sein Herz berühren. Jetzt zweifelt er nicht mehr. Er glaubt. Wir können Jesus nicht sehen. Aber Sein Herz ist immer noch offen. Wir können es berühren. Es hat Platz für alle Suchenden, bringt den Unruhigen Frieden, und verstößt auch die Zweifelnden nicht. Deshalb ist heute wirklich der „Sonntag der Barmherzigkeit.“
Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite.
Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.
Thomas, genannt Didymus (Zwilling), einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen.
Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.
Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch!
Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.
Noch viele andere Zeichen, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.