Wichtiger aber als alles Auftischen ist die Gastfreundschaft des Herzens.
Wichtiger aber als alles Auftischen ist die Gastfreundschaft des Herzens.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 16. Sonntag im Jahreskreis, 22. Juli 2007,
(Lk 10,38-42)
Ein richtiges "Ferienevangelium"! Für viele ist die Urlaubszeit gekommen, erhofft, ersehnt, dringend benötigt, manchmal auch gefürchtet: Wie wird der Urlaub gelingen? Wird er wirklich erholsam sein? Oder nur Stress in anderer Form?
Marthas Haus in Bethanien bei Jerusalem war offensichtlich für Jesus ein Rastplatz, ein Ort zum Ausruhen, eine Atmosphäre der Erholung. Drei Geschwister lebten in diesem Haus zusammen: Martha, die aktive, rührige Hausfrau, die ihren Geschwistern gegenüber auch die "Chefin" war. Sie, nicht ihre Schwester Maria, auch nicht ihr Bruder Lazarus, führt das Kommando im Haus. Waren die drei verheiratet? Hatten sie Kinder? Es sieht so aus, als wären die drei unverheiratet im gemeinsamen Haushalt gewesen.
Jesus ist immer wieder bei ihnen eingekehrt, am Weg nach Jerusalem, besonders aber in der letzten, kritischen Phase seines Wirkens. In den Tagen vor seiner Gefangennahme und seiner Hinrichtung am Kreuz verbrachte er die Nacht meist in Bethanien bei diesen treuen Freunden. Bei ihnen schöpft er Kraft. Bei Gott, seinem Vater, und bei diesen Freunden.
Es ist für mich tröstlich, zu sehen, dass Jesus, Gottes Sohn, nicht nur im Gebet die innere Ruhe gefunden hat, sondern auch bei seinen Freunden. Wie wichtig sie ihm waren, sieht man an den Tränen, die er über den Tod des Lazarus vergoss: "Seht, wie lieb er ihn hatte", sagen die Leute, als sie Jesus weinen sehen. Dass Jesus diesen Freund nach vier Tagen Tod lebendig aus dem Grab herausrief, wurde zum letzten Anstoß für die religiösen Autoritäten in Jerusalem, ihn von den Römern zum Tod verurteilen zu lassen. Sie konnten nicht ertragen, dass wegen des Wunders an Lazarus so viele zum Glauben an Jesus gelangten. Deshalb wollten sie ihn unbedingt beseitigen.
Doch von diesen dramatischen Ereignissen sind wir noch weit entfernt. Wieder einmal ist Jesus auf dem Weg nach Jerusalem. Wieder einmal macht er Rast bei seinen Freunden. Martha, gastfreundlich wie immer, bemüht sich um das leibliche Wohl des verehrten, geliebten Gastes. Es wird aufgekocht, aufgetischt. Die Liebe geht durch den Magen. Aber vor lauter Umsorgen des Gastes macht Martha auch einigen Stress, sich selber und wohl auch ihrem Gast.
Maria, die (jüngere) Schwester, setzt sich einfach zu Jesus. Sie hört ihm zu, sie lässt ihn ruhig "ankommen", "überfällt" ihn nicht mit geschäftiger Gastfreundschaft. Martha beschwert sich bei Jesus über ihre Schwester. Man sieht, wie vertraut er mit den beiden ist. Und so kann er ihnen auch sehr direkt sagen, was sie (und wir mit ihnen) hören sollen: "Martha, Martha, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden."
Das Bessere wählen! Es ist gut, gastlich zu sein. Wichtiger aber als alles Auftischen ist die Gastfreundschaft des Herzens. Weniger essen und mehr zuhören. Weniger Wirbel, mehr Ruhe. Hinsetzen statt herumlaufen. Wird das gerade in den Ferien besser gelingen?
Seit langem gelten Martha und Maria als zwei "Modelle" des Lebens: des aktiven, tätigen, stets etwas unternehmenden Lebens und des kontemplativen, beschaulichen, die innere Ruhe und Sammlung suchenden Lebens. Beides ist nötig. Aber ohne Stille und Rast wird alle Tätigkeit allmählich zum Dauerstress. Das Handeln braucht das Hören. Das aktive Leben soll sich an Besinnung, Nachdenken und Gebet orientieren. Sonst droht Leerlauf. Und schließlich das Auslaufen, heute "burn-out" genannt.
Meine Sorge zu Beginn meines Urlaubs: Wird es mir gelingen, mich wie Maria zu Füssen Jesu hinzusetzen und einmal allen Wirbel des Alltags zurückzulassen. Bei Gott Ruhe finden, seelisch "auftanken", sich Zeit für das Gebet nehmen: wenn das gelingt, dann habe ich im Urlaub das Bessere gewählt! Diese Erholung ist wirklich nachhaltig!
Sie zogen zusammen weiter, und er kam in ein Dorf.
Eine Frau namens Marta nahm ihn freundlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu.
Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen.
Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!
Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig.
Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.