"Maria Himmelfahrt" zeigt uns: das Leben ist nicht ein endlos sich drehendes Hamsterrad ohne Ausweg.
"Maria Himmelfahrt" zeigt uns: das Leben ist nicht ein endlos sich drehendes Hamsterrad ohne Ausweg.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für das Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel,
15. August 2007,
(Lk 1,39-56)
Laut einer Statistik glauben 40 Prozent der Menschen an „Reinkarnation“, dass heißt an eine Wiedergeburt hier auf Erden, an eines oder viele neuerliche Leben hier auf dieser Welt. Bei solchen Statistiken bin ich immer sehr vorsichtig. Wie lautet die Frage? Wie wurde sie verstanden? Aber eines scheint sicher zu sein: nicht wenige Menschen halten diese Auffassung für möglich, wahrscheinlich oder gar für gewiss.
Die christliche Sicht ist das nicht. Die "abrahamitischen" Religionen, Judentum, Christentum und Islam, glauben an ein einmaliges Erdenleben, und nach dem Tod an das ewige Leben. Und dafür gibt es gute Gründe, Argumente des Glaubens, aber auch der Vernunft. Ich kann diese hier nicht ausführlich vorstellen, aber das heutige Fest hat mich bewogen, wenigstens kurz darüber nachzudenken.
Heute feiert die Kirche das Fest der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel. Wir glauben, dass sie schon ganz, mit Leib und Seele, bei Christus ist. In einem Kirchenlied heißt es: "Ihr Sohn, der Tod und Grab besiegt, er lässt im Tod die Mutter nicht". Und weiters glauben wir. Was mit Maria schon geschehen ist, soll einmal an uns Wirklichkeit werden. Auch wir werden leiblich auferstehen.
Was hat das alles aber mit der Reinkarnation zu tun? Ich gestehe, dass erst heuer, beim Meditieren über das heutige Fest, mir gewusst geworden ist, dass da sehr wohl ein Zusammenhang besteht.
Bisher war für mich immer das anschaulichste Argument gegen die Idee der mehrfachen Rückkehr auf diese Welt die Szene Jesu am Kreuz, als er zu dem reuigen Mitgekreuzigten, zum "rechten Schächer", sagte: " Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein". Kann man sich vorstellen, dass Gott zu diesem armen Verbrecher, der neben Jesus am Kreuz zu Tod gequält starb, am nächsten Tag sagen würde: Und jetzt zurück auf die Erde, fang noch mal an, büsse deine bösen Taten ab! Nein, das wäre unvorstellbar grausam.
Sterben heißt für uns heimkehren. Das Tor des Todes ist die Tür zum Leben. Wer zu Hause angekommen ist, den schickt Gott nicht mehr weg. Das Leben auf Erden ist einmalig, ein Pilgerweg mit einem klaren Ziel, nicht eine endlose Irrfahrt die immer wieder neu begonnen werden muss.
Das heutige Fest ist dafür eine wunderbare Bestätigung. Maria ist schon ganz am Ziel, nicht nur mit ihrer Seele, wie die anderen Verstorbenen, sondern auch mit ihrem Leib. Sie ist mit Leib und Seele heimgekehrt. Es ist unvorstellbar, dass sie sich "reinkarnieren" müsste, als jemand anderer ein neues Erdenleben zu beginnen hätte.
Übrigens: in den asiatischen Religionen, die die wiederholten Erdenleben lehren, ist es immer der Traum und die Hoffnung, aus dem "Rad der Wiedergeburt" herauszukommen, um endgültig frei zu werden. "Maria Himmelfahrt" zeigt uns: das Leben ist nicht ein endlos sich drehendes Hamsterrad ohne Ausweg. Es ist ein einmaliger Weg mit klarem Ziel: dem ewigen Leben. Maria ist wie ein Leuchtturm, der uns in den Stürmen des Lebens den Weg zum sicheren Hafen weist.
Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib.
Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.
Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.
Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.
Und Maria blieb etwa drei Monate bei ihr; dann kehrte sie nach Hause zurück.