Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.
Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 23. Sonntag im Jahreskreis, 9. September 2007,
(Lk 14,25-33)
Heute feiert Papst Benedikt XVI. im Wiener Stephansdom die Hl. Messe. Gerne wüsste ich im Voraus, was er predigen wird. Sicher wird er, wie er es immer tut, auf das Evangelium des heutigen Sonntags eingehen. Er wird es auslegen, für heute verständlich machen. Am Besten wäre, ich könnte einfach seine Worte zitieren.
Denn es ist ein schwieriges Evangelium. Unbequem und anspruchsvoll. Ist es überhaupt lebbar? Wer kann da mithalten? Manchmal frage ich mich: Sind die vielen Kirchenaustritte in Österreich wirklich zuerst "die Schuld der Kirche"? So wird es gerne dargestellt. Liegt es nicht vielleicht auch daran, dass Jesus die Latte viel zu hoch gelegt hat, und dass deshalb viele den Sprung nicht wagen?
Wer seine Eltern, Geschwister, Kinder, ja sich selber "nicht hasst, kann nicht mein Jünger sein". So lautet der Text wörtlich. Lehrt Jesus den Hass? Das kann es doch nicht sein! Was aber dann? Wer das heutige Evangelium unbefangen liest, muss den Eindruck haben, hier spreche einer, der eher davon abrät, sein Anhänger zu werden.
Sagt er nicht: setz dich hin und rechne dir aus, ob deine Kräfte für die Herausforderung reichen, die es heißt, mit mir zu gehen? Nur wer radikal ernst macht, kann mein Jünger sein. Auf allen Besitz verzichten, sich von allem Liebgewordenen trennen, sein Kreuz auf sich nehmen: das ist das "Angebot".
Wer entspricht diesem "Anforderungsprofil"? Wer kann da von sich sagen, ein echter Jünger Jesu, ein guter Christ zu sein? Oder gilt diese "Dienstbeschreibung" nur für einige wenige, Auserwählte, ganz besonders Fromme? Sicher, wenn es um den sichtbaren Verzicht auf allen Besitz geht, wie das etwa die "Bettelorden" (Kapuziner, Franziskaner u. a. m.) machen.
Aber es gilt schon auch als Einladung an alle. Eines macht Jesus immer wieder klar: Ihm nachfolgen ist anspruchsvoll. Sein Jünger zu sein ist kein beliebiger Aufputz für den Sonntag. Mit Jesus wirklich zu gehen, das berührt und verändert das ganze Leben. Teilzeit genügt nicht. Mit halbem Herzen dabei sein heißt gar nicht dabei sein. Denn Jesus nachfolgen ist eine Herzenssache, und da ist es besser, gar nicht als nur so ein bisschen dabei zu sein.
Aber was bringt es? Wenn einer sich ganz engagieren soll, mit vollem Einsatz mitzumachen, was "wirft das ab", wofür soll das gut sein? Diese Frage stellen viele junge Menschen heute: Was habe ich davon? Viele meinen: um ein guter Mensch zu sein, brauche ich weder Kirche noch Evangelium.
Möge es so sein! Ich für mich kann nur sagen: Ich brauche Christus und seine Kirche! Ich brauche seine Kraft und seine Hilfe. Ich brauche die Familie der Kirche. In ihr finde ich mein Zuhause. Sie hat mir so viel geholfen. Wenn ich nur auf meine Kräfte zählen würde, müsste ich aufgeben. Mit Christus bin ich nicht allein. Darum ist Er für mich wichtiger als alles, selbst meine Familie.
Inzwischen hat Papst Benedikt die Hl. Messe im Stephansdom gefeiert. Es lohnt sich zu lesen, was er zum heutigen Evangelium sagt!
In jener Zeit als viele Menschen Jesus begleiteten; wandte er sich an sie und sagte: Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein.
Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.
Wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und rechnet, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen? Sonst könnte es geschehen, dass er das Fundament gelegt hat, dann aber den Bau nicht fertig stellen kann. Und alle, die es sehen, würden ihn verspotten und sagen: Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen.
Oder wenn ein König gegen einen anderen in den Krieg zieht, setzt er sich dann nicht zuerst hin und überlegt, ob er sich mit seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt? Kann er es nicht, dann schickt er eine Gesandtschaft, so lange der andere noch weit weg ist, und bittet um Frieden.
Darum kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.