Wunder garantieren keine Bekehrung.
Wunder garantieren keine Bekehrung.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 26. Sonntag im Jahreskreis, 30. September 2007,
(Lk 16,19-31)
Der reiche Prasser und der arme Lazarus: Dieses Gleichnis gehört zu den bekanntesten Geschichten Jesu. Dem Reichen geht es hier in der Welt gut, dem Armen aber schlecht. "Drüben", im Jenseits, nach dem Tod, wird es ungekehrt sein. Heißt das: also wartet auf das Leben nach dem Tod? Dort erst wird Gerechtigkeit herrschen? Dort wird dann der Arme glücklich sein - und der Reiche leiden? Geht es um diese Vertröstung auf ein - versprochenes - ewiges Leben?
In seinem weltweit erfolgreichen Buch "Jesus von Nazareth" hat Papst Benedikt dieses Gleichnis Jesu ausgedeutet. Gerne würde ich einfach seine Worte wiedergeben. Ich versuche, sie zusammenzufassen.
Hintergrund dieser Erzählung Jesu ist eine Erfahrung, die schon in den Psalmengebeten zum Ausdruck kommt: Der Fromme, der sich an Gottes Gebote hält, erfährt nur Unglück, "während die Zyniker, die Gott verachten, von Erfolg zu Erfolg gehen und alles Glück der Erde genießen".
Sieht Gott nicht, wie die Gerechten leiden, die Erfolgs- und Karrieremenschen gut ohne Gott auskommen? Ja, so sieht es oft aus - außer wir schauen genauer hin. Da gibt es so etwas wie ein "Erwachen", von dem etwa der Psalm 73 im Alten Testament spricht. Dem Beter wird bewusst, dass er sich getäuscht hat, als er die Reichen und Erfolgreichen um ihr Glück beneidet hat. Er erinnert sich, dass er ein anderes, wirkliches Glück kennen gelernt hat. So betet er zu Gott: "Ich aber bleibe immer bei dir, du hältst mich an meiner Rechten … Was habe ich im Himmel außer dir? Neben dir erfreut mich nichts auf der Erde … Gott nahe zu sein, ist mein Glück."
War der reiche Prasser denn so glücklich auf Erden? War er nicht "in dieser Welt schon ein Mann des leeren Herzens, der in seiner Schwelgerei nur die Leere ersticken wollte, die in ihm war"? Drüben, im Jenseits, kommt nur ans Licht, was schon in diesem Leben da war - oder fehlte.
Was fehlte? Eine Warnung! Ein Weckruf! Leb’ nicht so leer dahin! Glücklich ist nur, wer seinen Not leidenden Nächsten nicht übersieht! Mach die Augen auf! Schau, wer da vor deiner Haustüre liegt, hungrig und mit Schwären bedeckt! "Drüben" entdeckt der reiche Prasser, was er "herüben" übersehen hat. So bittet er Abraham, er solle Lazarus zu seinen Brüdern schicken, sie zu warnen, sie wachzurütteln. Nüchtern ist Abrahams Antwort: Wenn sie nicht auf Gottes Wort hören, werden sie sich auch nicht von einem vom Tod Erstandenen überzeugen lassen. Wunder garantieren keine Bekehrung.
Und doch: Einer ist von "drüben" zurückgekehrt, um uns zu sagen, worauf es ankommt. Einer, der wie Lazarus von Wunden bedeckt war, als er gegeißelt und gekreuzigt wurde. Er ist auferstanden. Jesus lebt. Und spricht uns an. Und will uns wecken, damit wir den Armen vor der Tür nicht übersehen. Damit wir nicht für immer verloren gehen. Die Entscheidung darüber fällt heute. "Drüben" ist es zu spät.
In jener Zeit sprach Jesus: Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag herrlich und in Freuden lebte.
Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war. Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel. Stattdessen kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren.
Als nun der Arme starb, wurde er von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Auch der Reiche starb und wurde begraben.
In der Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt, blickte er auf und sah von weitem Abraham, und Lazarus in seinem Schoß. Da rief er: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir, und schick Lazarus zu mir; er soll wenigstens die Spitze seines Fingers ins Wasser tauchen und mir die Zunge kühlen, denn ich leide große Qual in diesem Feuer.
Abraham erwiderte: Mein Kind, denk daran, dass du schon zu Lebzeiten deinen Anteil am Guten erhalten hast, Lazarus aber nur Schlechtes. Jetzt wird er dafür getröstet, du aber musst leiden.
Außerdem ist zwischen uns und euch ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund, so dass niemand von hier zu euch oder von dort zu uns kommen kann, selbst wenn er wollte.
Da sagte der Reiche: Dann bitte ich dich, Vater, schick ihn in das Haus meines Vaters! Denn ich habe noch fünf Brüder. Er soll sie warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen.
Abraham aber sagte: Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören. Er erwiderte: Nein, Vater Abraham, nur wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie umkehren.
Darauf sagte Abraham: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.