Sünde ist immer etwas, das mich von den anderen und von Gott trennt. Hass und Eifersucht, Neid und Egoismus unterbinden die gegenseitige Offenheit. Sünde isoliert. Sie macht einsam.
Sünde ist immer etwas, das mich von den anderen und von Gott trennt. Hass und Eifersucht, Neid und Egoismus unterbinden die gegenseitige Offenheit. Sünde isoliert. Sie macht einsam.
Gedanken von Kardinal Schönborn zur
Lesung am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen
Jungfrau und Gottesmutter Maria - Lesejahr A,
8. Dezember 2007, (Gen 3, 9-15.20)
Papst Benedikt XVI. begann seinen Österreichbesuch am 7. September bewusst am "Platz am Hof", bei der Mariensäule, die an das heutige Fest erinnert, an "Mariens Unbefleckte Empfängnis". Denn er war als Pilger in Mariazell, um das Fest "Maria Geburt" zu feiern, als Höhepunkt des 850-Jahre-Gedenkens des Wallfahrtsortes.
8. Dezember - 8. September: Neun Monate zwischen der Empfängnis Mariens und ihrer Geburt. Papst Benedikt wollte mit diesen zwei Stationen auch auf den inneren Zusammenhang der beiden Feste hinweisen. Nicht nur das schlechte Wetter war beiden Tagen gemeinsam, der Regen und die Kälte. Und auch die Fröhlichkeit, die wieder einmal zeigte, dass Christen wetterfest sein können!
Was ist das Besondere am 8. Dezember? Maria ist doch "ganz normal" von ihren Eltern gezeugt und empfangen worden und "ganz normal" von ihrer Mutter Anna nach neun Monaten zur Welt gebracht worden. Daran erinnert das Fest Maria Geburt am 8. September.
Das Eigene, Außerordentliche an der Empfängnis Marias liegt nicht auf Seiten der "ganz normalen" Eltern (auch wenn wir Joachim und Anna als Heilige verehren). Es liegt ganz auf Seiten Gottes. Gott setzt einen Neuanfang. Maria wurde "von jeglichem Makel der Ursünde bewahrt", heißt es im Dogma, das Pius IX. 1854 verkündet hat. Was das bedeutet, kann uns die heutige Schriftstelle aus dem ersten Buch der Bibel näher bringen.
Die Geschichte vom "Sündenfall" sagt, dass wir Menschen von Anfang an in eine Schuldgeschichte verwickelt sind, aus der wir uns selber nicht befreien können. In allen Menschen, seit Adam und Eva, steckt die Neigung, einander die Schuld zuzuschieben und uns selber "abzuputzen", als unschuldig darzustellen: "Die Frau, die du mir gegeben hast…" ist schuld! "Die Schlange hat mich verführt", sie ist schuld! Bis heute dreht sich das Karussell der Schuldzuweisungen.
Und doch plagt uns alle das Schuldgefühl. Es drückt sich in der Scham aus. Weil wir uns schämen, wenn wir etwas Falsches oder Unmoralisches getan haben, wollen wir, dass andere die Schuld trifft. Adam versteckt sich vor Gott. Er schämt sich seiner Nacktheit. Er fürchtet, bloßgestellt zu werden. Niemand hat es gerne, wenn seine Fehler, sein Versagen aufgedeckt werden. Es ist beschämend, öffentlich an den Pranger gestellt zu werden. Wenn das anderen geschieht, dann sollten wir uns immer fragen: wie würde ich mich fühlen, wenn ich jetzt in dieser Situation wäre?
Gott will uns nicht in Schuld und Schande lassen. Er verspricht, dass das nicht immer so bleiben wird, wie es seit Adam und Eva unter uns Menschen zugeht. Mit Maria setzt er neu an. Ihr soll vom Anfang an nicht der Makel unserer Schuldgeschichte anhaften. Sie soll ein ganz schuldfreies Wesen sein, ohne Erbsünde empfangen.
Ein Mensch ohne Sünde - kann man sich das vorstellen? Ich versuche es so: Sünde ist immer etwas, das mich von den anderen und von Gott trennt. Hass und Eifersucht, Neid und Egoismus unterbinden die gegenseitige Offenheit. Sünde isoliert. Sie macht einsam. Froh macht sie keinen. Ein Mensch, der frei ist von Sünde, ist auch frei für die anderen. Er hat Platz für sie. Sein Herz ist offen. Zu so jemandem kommt man gerne. Zu Maria kommen die Menschen seit Menschengedenken voll Vertrauen. Den Grund dafür feiern wir heute, am 8. Dezember.
Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und den Nachwuchs der Frau.
Lesung aus dem Buch Genesis Gott, der Herr, rief Adam zu und sprach: Wo bist du? Er antwortete: Ich habe dich im Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich.
Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe?
Adam antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben, und so habe ich gegessen.
Gott, der Herr, sprach zu der Frau: Was hast du da getan?
Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt, und so habe ich gegessen.
Da sprach Gott, der Herr, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens.
Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse.
Adam nannte seine Frau Eva (Leben), denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen.