Jesus antwortet nicht mit irgendwelchen vagen Versprechungen für eine ferne Zukunft. Er sagt nur: schaut hin, hört hin, und dann macht euch selber ein Bild.
Jesus antwortet nicht mit irgendwelchen vagen Versprechungen für eine ferne Zukunft. Er sagt nur: schaut hin, hört hin, und dann macht euch selber ein Bild.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum
Evangelium am 3. Adventsonntag,
16. Dezember 2007
(Joh 11,2-11)
Vor einigen Jahren hatte ich ein Gespräch mit einem der führenden Verantwortlichen der islamischen Welt. Er meinte zu mir, in Sorge über den moralischen Zustand Europas, die Kirche solle in Europa wieder Ordnung herstellen. Ich sagte ihm darauf, dass sie dazu nicht die Macht habe. Vielmehr gehe es darum, zu überzeugen und nicht mit Druck und Gewalt zur Religion zu zwingen. Dann sprachen wir über die Jugend, und wie bei ihnen im Islam, und bei uns im Christentum, religiöse Haltungen an die nächste Generation weitergegeben werden können. Und da waren wir uns einig: das geht nur durch Überzeugung, und nie durch Zwang. Junge Menschen spüren sehr genau, ob hinter einem religiösen Verhalten eine glaubwürdige Einstellung steht.
Warum ich das erzähle? Weil es mich stark an das heutige Evangelium erinnert. Johannes der Täufer ist im Gefängnis. Wir wissen warum. Er hat dem Herodes, dem Landesfürst von Galiläa gesagt, er habe kein Recht dazu, die Frau seines Bruders zu heiraten. Johannes war offensichtlich "politisch unklug" gewesen, hat vor dem Herrscher nicht gebuckelt, ihm nicht nach dem Mund geredet. Dafür saß er jetzt im Gefängnis. Bald wird Salome, die betroffene Frau, sich rächen und seinen Kopf fordern.
Johannes hat das Kommen des Messias angekündigt. Deshalb gehört er in den Advent, in die Zeit des Wartens auf den Erlöser. Johannes hatte geglaubt, Jesus, sein Verwandter aus Nazareth, werde der Erlöser sein. Aber jetzt kamen ihm Zweifel. Im Gefängnis plagt ihn die Frage: Ist Jesus wirklich der, den ich erhofft habe, von dessen Kommen ich die Leute überzeugen wollte?
Wieso diese plötzliche Unsicherheit bei Johannes? Ihn quält die Frage, die wir uns bis heute immer wieder stellen: Ist Jesus wirklich der Messias, der Heiland, der Retter? Warten wir nicht schon seit 2.000 Jahren, dass der Friedensfürst auch wirklich Frieden auf Erden bringt? Warum schafft er nicht Ordnung? Warum beseitigt er nicht Unrecht und Leid? Warum werden immer noch Unschuldige eingesperrt wie damals Johannes der Täufer? Ist Jesus ohnmächtig? Oder vielleicht gar nicht der erhoffte Erlöser?
"Müssen wir auf einen anderen warten?", so lässt Johannes Jesus selber fragen. Sollen wir nach einem Stärkeren Ausschau halten, einem Erfolgreicheren, der es hinbringt, dass in Europa, in der ganzen Welt kräftig Ordnung geschaffen wird?
Was ist Jesu Antwort auf den Zweifel der Johannes plagt? Es ist die selbe Antwort, die Jesus heute noch allen gibt, die sich fragen, was durch sein Kommen anders geworden ist. Ja, was hat Jesus wirklich gebracht? Jesus antwortet nicht mit irgendwelchen vagen Versprechungen für eine ferne Zukunft. Er sagt nur: schaut hin, hört hin, und dann macht euch selber ein Bild.
Wir sollen also hinschauen. Was sehen wir? Ich sehe Menschen, bei denen der Glaube das Leben verändert hat. Lahme, die wieder gehen können, die nicht mehr mutlos liegen bleiben. Blinde, die wieder sehen, wie sehr Gott in ihrem Leben da ist und sie trägt. Aussätzige, die aus ihrer Leben zerstörenden Sucht befreit werden. Ich sehe, wie sehr Jesus das Leben von Menschen, die ihm vertrauen, befreit und erneuert.
Aber ich muss hinschauen. Es sind keine spektakulären "Events". Jesus kommt leise in unser Leben. Unsere laute Zeit übersieht und überhört ihn deshalb so leicht. Und da ist auch die Antwort auf meinen islamischen Gesprächspartner. Und an uns alle, die wir manchmal Zweifel haben, ob wir auf Jesus warten sollen: Jesus selber ist die Antwort.
In jener Zeit hörte Johannes im Gefängnis von den Taten Christi.
Da schickte er seine Jünger zu ihm und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?
Jesus antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.
Als sie gegangen waren, begann Jesus zu der Menge über Johannes zu reden; er sagte: Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? Ein Schilfrohr, das im Wind schwankt? Oder was habt ihr sehen wollen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Mann in feiner Kleidung? Leute, die fein gekleidet sind, findet man in den Palästen der Könige.
Oder wozu seid ihr hinausgegangen? Um einen Propheten zu sehen? Ja, ich sage euch: Ihr habt sogar mehr gesehen als einen Propheten. Er ist der, von dem es in der Schrift heißt: Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen.
Amen, das sage ich euch: Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer; doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er.