Ist er für uns nicht ein Vorbild, über Weihnachten in aller Ruhe nachzudenken und zu staunen?
Ist er für uns nicht ein Vorbild, über Weihnachten in aller Ruhe nachzudenken und zu staunen?
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum
Evangelium am 4. Adventsonntag,
23. Dezember 2007 (Mt 1,18-24)
"Mit der Geburt Jesu Christi war es so." Wer eine Geschichte so zu erzählen beginnt, lässt gleich durchblicken, dass hier etwas Besonderes geschehen ist. Eben hat der Evangelist Matthäus den Stammbaum Jesu wiedergegeben. Im jüdischen Volk wurde damals und wird bis heute großer Wert auf die Abstammungsliste gelegt. Es ist wichtig, zu wissen, wo man herkommt. Ich staune immer wieder, wenn Juden sagen können, aus welchem der zwölf Stämme sie kommen. Über Jahrhunderte, ja Jahrtausende, wird die Generationenfolge in Erinnerung gehalten. Hier hat jeder seine tiefen Wurzeln und weiß von ihnen. Und dieses Wissen trägt und hilft, sich im Leben zurechtzufinden.
Wo hat Jesus seine Wurzeln? Darum geht es heute im Evangelium. Eigenartig: Zuerst wird lange der Stammbaum des Joseph dargestellt, doch dann ist Jesus gar nicht der leibliche Sohn Josephs. Denn Maria, die Verlobte Josephs, erwartet ein Kind, und dieses ist nicht von ihm. Von wem ist es? Hat sie ihn betrogen? Darauf steht Todesstrafe, so lautet das Gesetz des Mose. Sie müsste gesteinigt werden. Und ebenso der, der sie unerlaubt schwanger gemacht hat.
Ich versuche zu ahnen, was in Joseph jetzt vor sich geht. Einerseits kann er einfach nicht glauben, dass seine Maria ihn betrogen hat. Andererseits kann das Kind in ihrem Schoß nur von einem anderen stammen. Es muss für Joseph herzzerreißend gewesen sein. Wie sehr er Maria liebte und achtete, zeigt sich darin, dass er jetzt nicht sich wütend zu rächen sucht, nicht verletzt an ihr seinen Zorn und seine Enttäuschung auslässt. Weil Joseph "gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss er, sich in aller Stille von ihr zu trennen".
Das heißt doch: Er will nicht, dass auf sie ein Schatten fällt, dass sie verdächtigt oder gar gesteinigt wird. Denn das war damals die (Todes-)Strafe für Ehebruch, und die Verlobten galten schon als quasi verheiratet.
Heute würde gleich die Frage der Abtreibung aufkommen. Schnell das unerwartete, nicht eigene Kind "wegmachen" lassen! Joseph denkt nicht daran. Die Abtreibung galt schon im Judentum als Frevel. Er sucht einen anderen Ausweg, möglichst schonend für Maria und das Kind, das sie erwartet.
Doch Gott zeigt ihm einen anderen Weg. Ein Traum sagt ihm, dass dieses Kind von keinem anderen Mann stammt, sondern von Gott: "Das Kind ist vom Heiligen Geist." Joseph glaubt und vertraut. Das bewundere ich am meisten an ihm. Er vertraut seinem Traum und er vertraut seiner Braut. Sie hat ihn nicht betrogen und Gott hat ihn nicht angelogen. Er sagt ja zu dem Kind. Nicht als dem Kind eines anderen Mannes, sondern als Kind von Gott.
Mut gehörte dazu! "Fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen." Was werden die Leute sagen, wenn das Kind zu früh zur Welt kommt? Damals eine Schande. Auch fehlte es später nicht an Gerede und bösen Geschichten über die Herkunft Jesu. Ein römischer Soldat …
Warum sollte es uns schwerer fallen, zu glauben, was Joseph zu glauben bereit war? Er hat das Kind als seines angenommen. Er ist ihm ganz Vater geworden. Aber im Wissen, dass es ihm von Gott anvertraut war, nicht sein Sohn, sondern der Sohn Gottes. Sollten wir das "Christkind" nicht auch so annehmen? Als Geschenk Gottes an uns Menschen, als "Immanuel", das heißt "Gott ist mit uns"?
In manchen Weihnachtsdarstellungen sieht man den Heiligen Joseph nicht vor der Krippe kniend das Kind anbeten, sondern abseits sitzend, wie in Gedanken versunken. "Während er noch darüber nachdachte", heißt es heute im Evangelium. Ist er für uns nicht ein Vorbild, über Weihnachten in aller Ruhe nachzudenken und zu staunen?
Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete - durch das Wirken des Heiligen Geistes.
Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen.
Während er noch darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist.
Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.
Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns.
Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.