Kinder und Mütter auf der Flucht: Es sind immer ganz konkrete Menschen, nicht anonyme Zahlen.
Kinder und Mütter auf der Flucht: Es sind immer ganz konkrete Menschen, nicht anonyme Zahlen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum
Evangelium am Fest der Heiligen Familie,
30. Dezember 2007 - Lesejahr A
(Mt 2,13-15.19-23)
Von Anfang an ist sein Leben bedroht. "Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten". Mit dem Töten war König Herodes nicht zimperlich. Er wurde "der Große" genannt. Groß waren seine Bauten, besonders der Tempel in Jerusalem. Die riesigen Quader an der Westwand (der so genannten "Klagemauer") stammen aus seiner Bauperiode. Groß war vor allem seine Grausamkeit. "Aus Sicherheitsgründen" ließ er seine Gemahlin Marianne umbringen, und ihre Verwandtschaft dazu. Und da er auch seinen Söhnen misstraute, mussten drei von ihnen daran glauben. Eine Drohung des Herodes musste man todernst nehmen. Und das tat Joseph. Die Weisung eines Boten Gottes, eines Engels, der ihm im Traum erschien, hielt er nicht für ein Hirngespinst, sondern zögerte keinen Augenblick, das Kind in Sicherheit zu bringen.
Flucht! Das erste, was den neugeborenen Sohn Gottes auf Erden erwartet, ist das Schicksal unzähliger Menschen bis heute. Vertrieben, deportiert, vor Krieg, Hunger, Seuchen flüchtend, Spielball politischer Machtkämpfe, so werden bis heute Abermillionen von Menschen auf die Strassen, Wege und Unwege unserer Welt geworfen. "Nimm das Kind und seine Mutter!" Kinder und Mütter auf der Flucht: Es sind immer ganz konkrete Menschen, nicht anonyme Zahlen. Ich denke an diese Mutter aus Ruanda, die mit ihren neun Kindern vor den mordenden Banden in den kongolesischen Urwald flüchten musste. Heute lebt sie bei uns in Wien, weiter in fremdem Land. Aber durch alle Schrecken hat ein tiefer Glauben sie getragen. Sie wusste sich immer in Gottes Hand und kann bezeugen, wie nahe der Herr ihr war.
Im Glauben fand auch die Heilige Familie die Kraft, als Flüchtlinge in Ägypten zu leben. Gott verlässt nicht, die auf ihn vertrauen. Herodes starb. Trotz aller grausamen "Vorsichtsmaßnahmen" gegen mögliche Rivalen, dem Tod entkam er nicht. In Bethlehem hatte er alle Kinder im Alter bis zu zwei Jahren umbringen lassen, um sicher zu gehen, dass "der neugeborene König der Juden" darunter ist. Jetzt hatte der Tod auch ihn geholt. Durch Morde wollte er sich an der Macht halten. Gegen den Tod war er ohnmächtig.
So kehrt die Heilige Familie wieder in die Heimat zurück. Nach Nazareth, wo alles begonnen hatte. Dort sollte Jesus aufwachsen, seinen Beruf erlernen, das väterliche Geschäft übernehmen, den Zimmereibetrieb. Bis die Stunde kam, in das Licht der Öffentlichkeit zu treten und seine Mission zu beginnen.
Von den fast dreißig Jahren, die Jesus in Nazareth verbracht hat, wissen wir kaum etwas. Ein Leben in der Familie, inmitten einer großen Verwandtschaft, nichts Auffallendes, nichts Außergewöhnliches. Einfach Alltag. Die Sorgen des Alltags. Aufträge für den Betrieb. Steuern. Wettbewerb. Was so alles zu den Sorgen eines selbstständigen Handwerksbetriebes gehört. Dazu das religiöse Leben. Das Gebetsleben einer gläubigen jüdischen Familie. Die Synagoge am Sabbat, die Wallfahrten zu den großen Festen.
Zwei Dinge beeindrucken mich besonders an der Heiligen Familie: Dass sie früh schon die Not der Verfolgung gekannt hat. Und dass sie sich durch lange Jahre im Alltag bewährt hat. In den gewöhnlichen wie den außergewöhnlichen Situationen im Glauben treu zu bleiben, aus dem Glauben leben - dafür steht diese kleine Familie, in deren Mitte das Kind, der Gottessohn, geborgen ist. Er schütze und segne auch unsere Familien!
Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten.
Da stand Josef in der Nacht auf und floh mit dem Kind und dessen Mutter nach Ägypten. Dort blieb er bis zum Tod des Herodes.
Denn es sollte sich erfüllen, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.
Als Herodes gestorben war, erschien dem Josef in Ägypten ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und zieh in das Land Israel; denn die Leute, die dem Kind nach dem Leben getrachtet haben, sind tot.
Da stand er auf und zog mit dem Kind und dessen Mutter in das Land Israel. Als er aber hörte, dass in Judäa Archelaus an Stelle seines Vaters Herodes regierte, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und weil er im Traum einen Befehl erhalten hatte, zog er in das Gebiet von Galiläa und ließ sich in einer Stadt namens Nazaret nieder.
Denn es sollte sich erfüllen, was durch die Propheten gesagt worden ist: Er wird Nazoräer genannt werden.