So ruft Jesus heute noch und sagt: Komm, folge mir nach!
So ruft Jesus heute noch und sagt: Komm, folge mir nach!
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 3. Sonntag im Jahreskreis,
27. Januar 2008
(Mt 4,12-23)
Er fragte sie nicht: Wollt ihr mit mir kommen? Passt es in eure Lebensplanung, euch mit mir auf den Weg zu machen? Er fragte nicht, ob sie gerade Zeit hätten, ob es ihren Familien passt, jetzt alles liegen und stehen zu lassen und mit ihm ein Abenteuer ins Ungewisse zu beginnen. Er sagte ihnen einfach: Kommt! Folgt mir nach! Und sie taten es. Sie ließen alles zurück, Familie, Arbeit, Freunde, Kollegen - und gingen mit ihm.
Die Evangelien sind immer sehr knapp. Sie lassen alles Drumherum weg. Sie konzentrieren sich aufs Wesentliche. Das andere muss oder darf man sich dazu denken. Zum Beispiel die Frage: Wie ging es der Frau des Simon Petrus? Er war ja verheiratet. Hatte wohl auch Kinder. Hat Jesus gar nicht an die gedacht? Hat Petrus die einfach sitzen lassen, um diesem Mann aus Nazareth nachzulaufen?
Und die beiden Söhne des Zebedäus? Was ist das für eine Arbeitsmoral, einfach den Vater und seine Mitarbeiter im familieneigenen Fischereibetrieb sozusagen sang- und klanglos zu verlassen, den Vater mit seiner Arbeit und den Sorgen ums Geschäft sitzen zu lassen, nur weil da ein irgendwie erleuchteter Mann, ein Unbekannter, vorbeikommt und sie ihrem Beruf und ihrer Familie abspenstig macht?
Über all das sagt das Evangelium nichts. Aber ich kann es mir vorstellen. Ich versuche, es nachzuempfinden. Dabei hilft mir die heutige Erfahrung. Ich denke etwa an einen befreundeten Priester. Er sollte den kleinen Familienbetrieb übernehmen, einen Elektrikerbetrieb. Alles war gut geplant. Er hatte den Beruf gelernt, das Fach studiert, hatte Praxis erworben. Da plötzlich, gegen alle Lebensplanung, der Ruf, Priester zu werden. Ein Drama in der Familie. Ein Konflikt in seinem Herzen. Kann er das den Eltern antun? Muss er es vielleicht? Er hat sich für den Ruf zum Priestertum entschieden. Nach einigen Konflikten haben die Eltern zugestimmt. Es blieb ihnen nichts anderes übrig. Er war entschlossen, Jesus und seinem Ruf nachzufolgen und "Menschenfischer", Priester, Seelsorger zu werden. Heute sind die Eltern froh über seine Entscheidung. Am Anfang war es bitter.
Ich kann mir lebhaft vorstellen, welche Konflikte und Dramen es damals auslöste, als dieser Mann aus Nazareth in den Dörfern und Städten Galiläas auftrat und manche Menschen sich von ihm so begeistern ließen, so angezogen waren, dass sie Familie, Gattin, Kinder, Eltern, Beruf, einfach alles verließen, nur um bei ihm zu sein und sein Wanderpredigerleben zu teilen.
Manche werden gefragt haben: Woher hat er das Recht, Familien zu zerreißen, Menschen so an sich zu binden? Die Frage stellt sich bis heute. Kann ein Mensch solches von anderen erwarten, solche radikalen Ansprüche stellen? Damals wie heute gibt es darauf nur eine Antwort: Wenn er nur ein Guru, ein besonderer Lehrer, ein Rabbi, ein Weiser ist, hat er sicher nicht das Recht dazu. Kein Mensch kann verlangen, dass andere um seinetwillen alles verlassen.
Wenn Jesus freilich nicht nur ein besonderer Mensch ist, sondern Gott, der Sohn Gottes, dann gilt von ihm und seinem Ruf: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Selbst mehr als den liebsten und nächsten Menschen. So ruft Jesus heute noch und sagt: Komm, folge mir nach! Das Opfer, das er verlangt, ist freilich nicht sinnlos. Denn wer Ihm nachfolgt, wird von Ihm zu den Menschen zurückgeschickt, um ihnen zu dienen und ganz für sie da zu sein. Wie Er selber es tat und immer noch tut.
Als Jesus hörte, dass man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, zog er sich nach Galiläa zurück. Er verließ Nazaret, um in Kafarnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sebulon und Naftali.
Denn es sollte sich erfüllen, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden ist: Das Land Sebulon und das Land Naftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa: das Volk, das im Dunkel lebte, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen.
Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.
Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen ihre Netze in den See, denn sie waren Fischer.
Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.
Als er weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und richteten ihre Netze her. Er rief sie, und sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus.
Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden.