Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen.
Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am Ostersonntag,
23. März 2008
(Joh 20,1-18)
Ganz sachlich oder sehr betroffen. Ratlos, hilflos oder mit vollem Einsatz. Es tut uns gut, darüber nachzudenken. Wir reagieren anders auf eine Nachricht, die uns unmittelbar betrifft, als auf eine Zeitungsnachricht über ein Zugsunglück im fernen Indien. Das ist gar nicht anders möglich. Je näher uns ein Ereignis angeht, desto stärker die Betroffenheit.
Wie sehr betrifft uns heutige Menschen die 2.000 Jahre alte Meldung, dass in Jerusalem wieder einmal jemand von den Römern hingerichtet worden ist, einer unter vielen? Und wie sehr berührt uns die umstrittene Nachricht, er sei nicht mehr tot, er lebe? Es war damals nicht anders als heute. Im fernen Rom hat wohl niemand davon Notiz genommen. Aber in Jerusalem, in Galiläa, da gab es sehr betroffene Leute, etwa die Mutter des Verurteilten, seine Freunde, seine Anhänger.
Aber auch unter den Nahestehenden gab es verschiedene Reaktionen. Seine Apostel verhielten sich verängstigt und wenig heldenhaft. Ganz anders die Frauen aus seiner Umgebung. Sie ließen sich von keiner Menschenfurcht abhalten. Sie gingen ganz früh schon an sein frisches Grab. Sie waren daher auch die Ersten, die merkten, dass da etwas passiert war. Das Grab war offen - und leer.
Und auch hier: wie unterschiedlich die Reaktionen! Auf die Meldung, das Grab sei leer, kommen zwar zwei von den Männern gelaufen. Aber nach dem Lokalaugenschein gehen sie ratlos wieder weg. Ganz anders die Maria von Magdala. Sie bleibt dran. Sie will wissen, wo man ihn hingetan hat. Und sie weint. Sie weint, weil sie betroffen ist. Weil sie den Toten liebte und immer noch liebt. Sie ist daher auch die Erste, die Ihm begegnet, der Er sich zeigt. Sie ist und bleibt die erste Botin der Auferstehung Jesu.
Heute ist die "Spitzennachricht": Ostersonntag! Aber wie verschieden interessiert sie uns Zeitgenossen! Wirklich betroffen macht sie die, die Jesus von Nazareth nahe stehen. Jedes Jahr neu bewegt sie die Erinnerung an sein Leiden. Manche fühlen tief mit Ihm. Manche erleben dann den Ostermorgen als eine Nachricht, die sie persönlich berührt. Die sie anspricht. Wie Jesus die Maria aus Magdala angesprochen hat, bei ihrem Namen. Hat Jesus nicht gesagt: "Ich bin bei euch, alle Tage, bis zum Ende der Zeit." Das ist die heutige Nachricht. Eine selten gute.
Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat.
Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab; sie liefen beide zusammen dorthin, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als Erster ans Grab. Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging aber nicht hinein.
Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle.
Da ging auch der andere Jünger, der zuerst an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte. Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste. Dann kehrten die Jünger wieder nach Hause zurück.
Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein. Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten.
Die Engel sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat. Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war.
Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen.
Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich ihm zu und sagte auf hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister.
Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen.
Geh aber zu meinen Brüdern, und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.
Maria von Magdala ging zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie richtete aus, was er ihr gesagt hatte.