Lossprechen, das erfordert zuerst Ansprechen. Aussprechen der Schuld. Wer sich weigert, seine Fehler zu erkennen, zu benennen, zu bekennen, dem bleiben sie erhalten.
Lossprechen, das erfordert zuerst Ansprechen. Aussprechen der Schuld. Wer sich weigert, seine Fehler zu erkennen, zu benennen, zu bekennen, dem bleiben sie erhalten.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium für den Pfingstsonntag,
11. Mai 2008 (Joh 20,19-23)
Schalom! Das ist bis heute der tägliche Gruß in Israel. Salem! So grüßen sich viele Araber. Friede! So lautet der Gruß, mit dem man sich in dieser so friedlosen Region der Welt begrüßt. Friede! Das ist die große Sehnsucht für viele Menschen, die nur allzu oft das Gegenteil von Frieden erleben.
Jesu erster Gruß ist: Friede! So grüßt er seine verschreckten, hinter verriegelten Toren versteckten Freunde. Friede sei mit euch! Gleich zweimal grüßt er so. Aber es ist nicht mehr der abgenützte Alltagsgruß, bei dem man sich meistens nichts denkt. Er hat einen neuen Klang. Ein neues Gewicht. Der so grüßt, war tot, und siehe, er lebt. Er war grausam am Kreuz gestorben. Er zeigt ihnen seine Hände. Und seine Brust. Sie erkennen sofort die Spuren der Nägel, die Speerwunde auf der rechten Seite seiner Brust. Ohne möglichen Zweifel: Es ist der Gekreuzigte. Es ist Jesus. Aber er lebt. Kein Geist. Kein Gespenst. Und doch frei von Raum und Zeit. Er kommt durch die verschlossene Tür.
Friede! Das klingt nun ganz anders als ein alltäglicher Gruß. Sie waren voller Angst gewesen. Zu Recht. Auch ihnen drohte die Gefangennahme. Wie schnell war man damals Opfer der Gewalt, der Besatzungstruppen. Jesu plötzliches Kommen bringt Frieden. Und Freude: „Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.“ Sein Friede gibt Mut, Zuversicht, er nimmt die Angst aus ihren Herzen. Jetzt brauchen sie sich nicht mehr zu verstecken. Sie trauen sich hinaus. Sie werden in die ganze (damals bekannte) Welt gehen und die frohe Botschaft, die gute Nachricht verbreiten.
Es ist unglaublich, wie aus diesem verschreckten kleinen Haufen der Kern einer weltweiten Glaubensgemeinschaft werden konnte. Jesus sagt ihnen ein Wort, das ihren weiteren Weg bestimmt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Jesus kam nicht für einige wenige. Seine Sendung ist es, allen Menschen den Weg zu zeigen und für alle der Weg zu sein. Seine Mission ist wirklich global.
Führt eine weltweite Mission nicht zur Intoleranz? Auch der Islam will alle Menschen zu Muslimen machen. Kann das gut gehen? Führt das nicht zu Religionskriegen? Jesus hat nicht gewollt, dass seine Botschaft mit Gewalt verbreitet wird. Seine Sendung, die Gott ihm aufgetragen hat, hieß Hingabe seines Lebens, nicht Zwang für die anderen. „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“ So hatte Johannes der Täufer Jesus gesehen. So hat Jesus seinen Tod verstanden. Seine Liebe wollte größer sein als alle menschliche Bosheit. Vergebung, Verzeihen, Versöhnung: das war der Sinn seiner Sendung.
Diese Sendung gibt er seinen Aposteln weiter. Sie sollen Sünden vergeben - oder auch nicht! Wie ist das zu verstehen? Ich glaube, so: Jesus gibt die heilige Macht, die Kraft, Sünden zu vergeben. Lossprechen von den Sünden: Das ist bis heute die einzigartige Aufgabe des Priesters. Sie gehört zum Schönsten im Leben des Priesters. Kein Arzt, kein Psychotherapeut kann Sünden vergeben. Er kann nur helfen, sie zu erkennen. Lossprechen kann nur der Priester - in der Kraft des Heiligen Geistes, im Namen Gottes. Das ist Jesu wunderbares Oster- und Pfingstgeschenk!
Lossprechen, das erfordert zuerst Ansprechen. Aussprechen der Schuld. Wer sich weigert, seine Fehler zu erkennen, zu benennen, zu bekennen, dem bleiben sie erhalten. Er verweigert sich selber die Vergebung. Dabei wartet Jesus nur darauf, sie zu schenken! Samt seinem Frieden!
Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.
Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.