Alle sind eingeladen.
Alle sind eingeladen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 14. Sonntag im Jahreskreis,
6. Juli 2008 (Mt 11, 25-30)
Es ist einer der schönsten Abschnitte des ganzen Evangeliums, zugleich aber auch ganz provokant, herausfordernd, zum Widerspruch reizend. Hier geht es um die Mitte, das Zentrum aller Anliegen Jesu. Um all das dreht sich das Christentum. Ich wage zu sagen: Es ist die Mitte der christlichen Religion.
Drei zentrale Aussagen, Herzmitte dessen, was Jesus gelehrt hat. Beginnen wir mit der mittleren. Die Formulierungen sind radikal bis zum Äußersten: „Mir ist alles von meinem Vater übergeben worden.“ Alles, ohne Ausnahme. Gott hat Jesus gewissermaßen zum „Alleinerben“ eingesetzt. Alles gehört ihm. „Alles ist dein Eigentum“, singen wir in „Großer Gott, wir loben dich“. Gott hat alles erschaffen. Und alles seinem Sohn gegeben.
Neben diesem „alles“ steht ebenso radikal das „niemand“: „Niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn, und der, dem es der Sohn offenbaren will.“ Das ist stark! Ist es nicht furchtbar intolerant? Niemand kennt Gott, nur Jesus! Keiner kennt Jesus, nur Gott!
Ist das nicht maßlos übertrieben? Doch ehrlich: Wer kann von sich sagen, er kenne Gott wirklich? Was wir von Gott wissen, ist Ahnung, meist ein recht unbestimmter Glauben „an eine höhere Macht“. Aber so wirklich, so ganz und gar, kennt doch keiner von uns Gott.
Aber kennen wir uns überhaupt selber? Sind wir uns nicht selber ein großes Rätsel mit vielen Unbekannten? Wer kennt sich selber durch und durch? Wer kennt den Nächsten, selbst den Ehepartner, wirklich im Innersten? Bleiben wir uns gegenseitig nicht immer ein Stück weit ein Geheimnis? Wenn wir uns selber und unseren Nächsten so wenig kennen, wie sollen wir dann Gott kennen?
Einer kennt Gott wie kein anderer: Jesus Christus. Denn er ist Gottes Sohn. Er ist wie kein Mensch sonst vertraut mit Gott, nichts Fremdes ist für ihn an Gott, den er seinen Vater nennt. Ich weiß, andere Religionen lehnen diese Sicht Jesu ab: das Judentum und der Islam. Letzterer sieht Jesus als einen großen Propheten. Aber nicht als Gottes Sohn.
Wir glauben aber, dass Jesus Gott den Menschen bekannt machen konnte, weil er ihn wirklich kennt. Nur Jesus, nur der Sohn Gottes, kann sozusagen Gott aus dem Herzen sprechen. Deshalb hat Gott Jesus, seinen Sohn, zu uns Menschen geschickt, damit sie nicht nur eine vage Ahnung über ihn haben können, sondern wirkliche Kenntnis. Wir können nur lieben, was wir kennen. Wir können Gott nur lieben, wenn wir ihn auch kennen. Das hat Jesus möglich gemacht. Nur er ist dazu in der Lage.
Aber nicht alle erfassen das. Jesus sagt es klar: Die „Weisen und Klugen“, die sich einbilden, gebildet zu sein und alles besser zu wissen, die haben ihr Hirn und ihr Herz zu voll von sich selber und von ihrer Wichtigkeit, so dass Jesus ihr Herz nicht erreicht und ihr Hirn nicht mit seinem Wort nähren kann. Die Kleinen, die Einfachen, die Bescheidenen sind dafür offen.
Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und abmüht! Alle sind eingeladen. Für alle hat Jesus ein Herz. Denn sein Herz ist weit wie Gottes Liebe. Da spricht kein Guru, kein Volksverführer, da spricht Gottes großes Herz aus einem großen, weiten Menschenherzen uns alle an. Sein Joch drückt nicht, und seine Last ist leicht.
In jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen.
Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.
Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.
Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.