Unkraut bleibt Unkraut. Aber sie lassen sich nicht immer so fein säuberlich trennen, wie wir es uns oft wünschen.
Unkraut bleibt Unkraut. Aber sie lassen sich nicht immer so fein säuberlich trennen, wie wir es uns oft wünschen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 16. Sonntag im Jahreskreis,
20. Juli 2008 (Mt 13,24-43)
Wer kennt den Kummer nicht: der Garten mag noch so schön sein. Das Unkraut wächst dennoch.
Jesus aber scheint das nicht zu bekümmern: „Lasst beides wachsen!“ Seltsamer Rat! Wird das Unkraut nicht die gute Saat ersticken? Könnte man nicht bessere Methoden entwickeln, um gegen das Unkraut zu kämpfen? Hat die Entwicklung der modernen Landwirtschaft nicht gezeigt, dass mit der Chemie all das Unkraut ausgerottet werden kann? Ja, aber mit welchen Folgen! Vergifteten Böden, vergiftetem Grundwasser, Langzeitfolgen, die viel zu wenig erwogen wurden.
Aber Jesus wollte nicht einen Kurs in landwirtschaftlichen Methoden geben. Er sprach von einem anderen Unkraut: dem, das in unseren Herzen, in unseren Köpfen, in der Gesellschaft wächst. Er spricht vom Bösen und seinem Wachsen neben dem Guten, überall. Und er nennt die Ursache des Bösen beim Namen: „ Der Feind, der es gesät hat, ist der Teufel“.
Warum erlaubt Jesus nicht, das Böse auszurotten? Ist er zu tolerant? Traut er sich nicht, dagegen anzukämpfen? Sicher nicht! Sonst hätte er nicht sein Leben für das Gute eingesetzt, bis zum Tod am Kreuz. Nein, es ist eine andere Sorge, die Jesus bewegt: Gut und Böse sind zwar zu unterscheiden. Unkraut bleibt Unkraut. Aber sie lassen sich nicht immer so fein säuberlich trennen, wie wir es uns oft wünschen. Manche Fanatiker wollen das Böse mit Stumpf und Stiel ausrotten – und bringen dabei gleich viele Unschuldige mit um.
Bekämpfe das Böse in dir selber! Überlasse das Urteil Gott, der dich und deinen Nächsten einmal richten wird. Er wird das Unkraut vom Weizen trennen! Wie viel Lieblosigkeit und Hartherzigkeit geschieht im Namen der Moral! Weil wir uns anmaßen, den Richter zu spielen.
Aber Jesus hat noch einen anderen Grund, davor zu warnen, dass wir uns als die fanatischen Unkrautvernichter im Leben der anderen gebärden. Die beiden kleinen Gleichnisse vom Senfkorn und von der Germ, von der Hefe erklären die Einstellung Jesu. Das Senfkorn ist winzig klein – und wächst zu einer großen Staude heran. Ein bisschen Germ genügt, um den ganzen Teig zu heben. So ist es mit dem Guten. Unscheinbar und klein, aber voller Kraft! Das Unkraut ist spektakulär, das Böse macht viel Lärm. Darum scheint es so mächtig. Darum wollen wir es energisch ausreißen. Anders das Gute. Es macht keinen Lärm und wirkt oft ohnmächtig. Aber es hat viel mehr Kraft als das Böse. Weil auf seiner Seite das Leben ist, die Hoffnung, die Zukunft.
Jesus lehrt in diesen drei Gleichnissen das Vertrauen in das Gute. Gottes Reich wächst trotz allem Bösen. Ja sogar durch alles Böse hindurch. Letztlich wird es siegen. Uns wird es nie ganz gelingen, mit dem Unkraut fertig zu werden. Aber eines haben wir schon zu tun: es wenigstens nicht selber auszustreuen – durch böse Gedanken, Worte, Taten. Dafür dürfen wir kämpfen, ganz entschieden!
In jener Zeit erzählte Jesus der Menge das folgende Gleichnis:
Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während nun die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging wieder weg.
Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein. Da gingen die Knechte zum Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Weizen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? Er antwortete: Das hat ein Feind von mir getan.
Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? Er entgegnete: Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus. Lasst beides wachsen bis zur Ernte.
Wenn dann die Zeit der Ernte da ist, werde ich zu den Arbeitern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündeln, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune.
Er erzählte ihnen ein weiteres Gleichnis und sagte: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn, das ein Mann auf seinen Acker säte. Es ist das kleinste von allen Samenkörnern; sobald es aber hoch gewachsen ist, ist es größer als die anderen Gewächse und wird zu einem Baum, so dass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten.
Und er erzählte ihnen noch ein Gleichnis: Mit dem Himmelreiche ist es wie mit dem Sauerteig, den eine Frau unter einen großen Trog Mehl mischte, bis das Ganze durchsäuert war.
Dies alles sagte Jesus der Menschenmenge durch Gleichnisse; er redete nur in Gleichnissen zu ihnen. Damit sollte sich erfüllen, was durch den Propheten gesagt worden ist: Ich öffne meinen Mund und rede in Gleichnissen, ich verkünde, was seit der Schöpfung verborgen war.
Dann verließ er die Menge und ging nach Hause. Und seine Jünger kamen zu ihm und sagten: Erkläre uns das Gleichnis vom Unkraut auf dem Acker.
Er antwortete: Der Mann, der den guten Samen sät, ist der Menschensohn; der Acker ist die Welt; der gute Samen, das sind die Söhne des Reiches; das Unkraut sind die Söhne des Bösen; der Feind, der es gesät hat, ist der Teufel; die Ernte ist das Ende der Welt; die Arbeiter bei dieser Ernte sind die Engel. Wie nun das Unkraut aufgesammelt wird und im Feuer verbrannt wird, so wird es auch am Ende der Welt sein: Der Menschensohn wird seine Engel aussenden, und sie werden aus seinem Reich alle zusammenholen, die andere verführt und Gottes Gesetz übertreten haben, und werden sie in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen. Dann werden die Gerechten im Reich ihres Vaters wie die Sonne leuchten.
Wer Ohren hat, der höre!