Wir sind auf eine Schatzsuche geschickt, und jedem von uns ist zugedacht, einen überaus kostbaren Schatz finden zu können.
Wir sind auf eine Schatzsuche geschickt, und jedem von uns ist zugedacht, einen überaus kostbaren Schatz finden zu können.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 17. Sonntag im Jahreskreis,
27. Juli 2008 (Mt 13,44-52)
In diesen Tagen las ich bei Johannes Bours, einem deutschen geistlichen Schriftsteller, folgende Geschichte: Er stand eines Tages vor seinem Bücherschrank und suchte ein bestimmtes Buch. Da fiel sein Blick auf den Band mit Grimms Märchen. Er nahm ihn heraus und blätterte darin. Da kam ihm der Gedanke: welches ist wohl das letzte Märchen? Sicher ein besonders eindrucksvolles. Wie erstaunt war er, als er feststellte: es war ganz kurz, und obendrein nicht zu Ende erzählt. Es hieß; „Der goldene Schlüssel“. Da es so kurz ist, kann ich es hier wiedergeben, es führt uns mitten ins heutige Evangelium:
Zur Winterzeit, als einmal ein tiefer Schnee lag, musste ein armer Junge hinausgehen und Holz auf einem Schlitten holen. Wie er es nun zusammengesucht und aufgeladen hatte, wollte er, weil er so erfroren war, noch nicht nach Hause gehen, sondern erst Feuer anmachen und sich ein bisschen wärmen. Da scharrte er den Schneeweg, und wie er so den Erdboden aufräumte, fand er einen kleinen goldenen Schlüssel. Nun glaubte er, wo der Schlüssel wäre, müsste auch das Schloss dazu sein, grub in der Erde und fand ein eisernes Kästchen. Wenn der Schlüssel nur passt! Dachte er, es sind gewiss kostbare Sachen in dem Kästchen. Er suchte, aber es war kein Schlüsselloch da, endlich entdeckte er eins, aber so klein, dass man es kaum sehen konnte. Er probierte, und der Schlüssel passte glücklich. Da drehte er herum, und nun müssen wir warten, bis er vollends aufgeschlossen und den Deckel aufgemacht hat, dann werden wir erfahren, was für wunderbare Sache in dem Kästchen lagen.
Soweit das Märchen. Es bleibt offen, wie es weitergeht. Wie es mit unserer eigenen Geschichte weitergeht. Johannes Bours zieht daraus die Schlussfolgerung: „Wir sind auf eine Schatzsuche geschickt, und jedem von uns ist zugedacht, einen überaus kostbaren Schatz finden zu können“.
Der Mann im Evangelium hat den Schatz gefunden. Aber er besitzt ihn noch nicht. Um ihn zu erwerben, muss er alles daransetzen. Um den Acker kaufen zu können, in dem er den Schatz gefunden hat, muss er zuerst alles verkaufen, was er hat. Das Gleichnis Jesu ist ein Bild für das Abenteuer des Lebens. Finden wir den verborgenen Schatz? Und wenn wir ihn gefunden haben, tun wir alles,, um ihn zu erwerben? Im Märchen der Gebrüder Grimm bleibt das Ergebnis offen. Weil das Suchen, Finden, Erwerben des Schatzes viel Geduld und Ausdauer erfordert. Manchmal braucht es einen starken Anstoß, um auf den Schatz zu stoßen. Ich denke an eine Begegnung mit einem, der durch einen schweren Umfall behindert ist, aber mir bezeugt, er habe das Kostbarste in seinem Leben gefunden: den Glauben! Auch wenn er viel verloren hat, diesen Schatz kann ihm niemand mehr nehmen.
Als Kinder haben uns spannende Geschichten von abenteuerlicher Schatzsuche gefesselt. Als Erwachsene sind wir in Gefahr, das als Kindereien abzutun. Jesus lädt uns ein, auf der Suche nach dem Schatz unseres Lebens zu bleiben. Er gibt uns den Hinweis, wo wir den Schlüssel dazu finden können. Er liegt in unserer Hand. Und der Schatz liegt in unserem Herzen. Dort, wo Gott auf uns wartet .Geduldig. Ob wir wohl das Schatzkästchen öffnen…
In jener Zeit sprach Jesus zu der Menge: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker.
Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte sie.
Weiter ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Netz, das man ins Meer warf, um Fische aller Art zu fangen. Als es voll war, zogen es die Fischer ans Ufer; sie setzten sich, lasen die guten Fische aus und legten sie in Körbe, die schlechten aber warfen sie weg.
So wird es auch am Ende der Welt sein: Die Engel werden kommen und die Bösen von den Gerechten trennen und in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen.
Habt ihr das alles verstanden? Sie antworteten: Ja. Da sagte er zu ihnen: Jeder Schriftgelehrte also, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorholt.