„So sehr hat Gott die Welt geliebt…“ Nicht zu richten, sondern zu retten war und ist die Sendung Jesu.
„So sehr hat Gott die Welt geliebt…“ Nicht zu richten, sondern zu retten war und ist die Sendung Jesu.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am Fest Kreuzerhöhung,
14. September 2008 (Joh 3,13-17)
Heute vor dreizehn Jahren habe ich das Amt des Erzbischofs von Wien angetreten. Das Datum war bewusst gewählt, und es war ein starkes Zeichen. Der 14. September ist das Fest „Kreuzerhöhung“. Heuer fällt es auf einen Sonntag. Daher das Festevangelium, in dem Jesus in verhüllten Worten von seiner „Erhöhung“ am Kreuz spricht.
Das Kreuz verehren? Genau darum geht es am heutigen Fest! Ursprünglich erinnert es an die Wiederauffindung des Kreuzes Jesu durch Kaiserin Helena in Jerusalem im Jahr 320, vor allem aber an die seither an vielen Orten gefeierte Kreuzverehrung, wie sie etwa heute im Stift Heiligenkreuz erlebt werden kann, wo eine alte Reliquie vom Kreuz Jesu aufbewahrt ist.
Das Kreuz verehren? Ist es nicht genau das Gegenteil von dem, was wir uns wünschen? Zeichen für Leid, Qual und schrecklichen Tod! Was ist daran liebens- und verehrenswert? Das heutige Evangelium sagt es.
Jesus spricht in einer stillen Stunde der Nacht mit dem gelehrten jüdischen Ratsherrn Nikodemus. Er sagt ihm geheimnisvolle Dinge. Zuerst etwas über seine, Jesu Herkunft. Dann über das bevorstehende Kreuz. Und schließlich über den tiefsten Grund dafür.
Zuerst erinnert ihn Jesus an eine schlichte Tatsache: Keiner, der noch auf Erden lebt, war schon einmal „drüben“. Ich meine: ganz „drüben“! Immer wieder begegne ich Menschen, die schon „fast drüben“ waren, aber wieder „zurückkamen“. Erst vor kurzem berichtete mir jemand, der ein allgemeines Organversagen mit Herzstillstand gehabt hatte, wie er das „Drüben“ erlebt hat: ein wunderbares Licht, ein Gefühl der Leichtigkeit, aber auch eine Art „Lebensfilm“, der vor seinen Augen in großer Klarheit ablief. Plötzlich eine Gestalt, die ihm freundlich und klar mit der Hand ein „Stopzeichen“ gab. In dem Moment wachte er im Rettungshubschrauber auf. Es war noch nicht Zeit, „drüben“ zu bleiben. Er war an der Schwelle gewesen, hat sie aber noch nicht überschritten. Er musste oder durfte noch eine Weile hier bleiben!
Nur einer war schon „drüben“ und kam zu uns: Jesus kommt von Gott, vom Himmel. Von dort ist er zu uns „herabgestiegen“. Nur er kann daher die Botschaft von „drüben“, von „droben“, von Gott zu uns bringen. Diese Botschaft hat Jesus dem Nikodemus im Nachtgespräch anvertraut, und sie ist bis heute das Herz des christlichen Glaubens: „So sehr hat Gott die Welt geliebt…“ Nicht zu richten, sondern zu retten war und ist die Sendung Jesu.
Ist also alles in Ordnung? Geht alles eh gut aus? Ist das „happy end“ sowieso garantiert? Wozu sich dann anstrengen? Warum sich bemühen, wenn sozusagen nichts passieren kann? Jesus erinnert den Nikodemus an eine alte Geschichte. Damals, als die Juden aus Ägypten auszogen, revoltierten sie gegen Gott. Zur Strafe kamen Giftschlangen, und viele starben am tödlichen Schlangenbiss. Erst als Moses eine metallene Abbildung einer Schlange auf einer Stange für alle sichtbar aufhängte, wurden die von Schlangen Gebissenen gerettet. So sollen auch wir zu Jesus aufschauen, der am Kreuz „erhöht“ wurde. Die Liebe Gottes zu uns ist ihm nicht billig. Sie kostet Jesus das Leben – für uns. Auf das Kreuz schauen, auf Jesus vertrauen! Dann wird am Ende alles gut!
Und niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn.
Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der (an ihn) glaubt, in ihm das ewige Leben hat.
Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.
Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.