Manch einer findet erst spät im Leben zu Gott, zum Glauben. Auch ihm schenkt Gott den vollen Lohn, den Himmel.
Manch einer findet erst spät im Leben zu Gott, zum Glauben. Auch ihm schenkt Gott den vollen Lohn, den Himmel.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 25. Sonntag im Jahreskreis,
21. September 2008 (Mt 20,1-16a)
Es ist Zeit der Weinlese. In allen Weingärten und Weinbergen werden fleißige Hände gebraucht, um die Lese einzubringen. Das heutige Evangelium passt maßgenau in die Lesezeit. Jesus erzählt ein Gleichnis. Ein Gutsbesitzer, der offensichtlich große Weinberge besitzt, braucht Arbeiter für seine Ernte. Taglöhner sucht er, keine fixen Anstellungen. Der Tageslohn wird vereinbart. Ein Denar war der übliche Lohn für einen einfachen Arbeiter. Er genügte gerade, um ihm und seiner Familie ein dürftiges Auskommen für einen Tag zu sichern.
Offensichtlich hat der Gutsbesitzer zu wenige Taglöhner angeheuert. So geht er noch mehrmals am Tag auf den Marktplatz. Und immer noch findet er Männer, die bisher für den Tag keine Arbeit gefunden haben. Die letzte Runde macht er um 5 Uhr nachmittags. Wie groß muss die Arbeitslosigkeit gewesen sein, dass am Höhepunkt der Weinlese manche den ganzen Tag vergeblich auf Arbeit warten!
Die Geschichte ist ganz aus dem Leben gegriffen. So war es damals im Heiligen Land, so war es bei uns in den schlimmen Zeiten der Arbeitslosigkeit. So ist es heute in vielen Teilen der Welt.
Am Abend wird der Tageslohn ausbezahlt. Der Gutsbesitzer gibt allen den gleichen Lohn, egal, ob sie „den ganzen Tag über die Last der Arbeit und die Hitze ertragen“ haben oder ob sie gerade eine Stunde am Ende des Arbeitstages bei der Weinlese geholfen haben. Verständlich, dass die Ersteren sich aufregen und mehr erwarten als die Letzteren. Die Antwort des Gutsherrn rückt die Dinge zurecht. Ein Denar war vereinbart. Nicht mehr. Hier ist der Lohn, den wir ausgemacht haben! „Oder bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin?“
Damals gab es kein Arbeitslosengeld. Wer ohne Arbeit blieb, musste den schon engen Gürtel noch enger schnallen.
Heute sehen wir das als Selbstverständlichkeit an, dass die, die ohne Verschulden keine Arbeit haben, Hilfe für ihren Unterhalt bekommen: Das ist eine Langzeitfrucht der Nächstenliebe, wie Jesus sie lehrt.
Aber das Gleichnis ist nicht nur ein Lehrstück über Gerechtigkeit am Arbeitsmarkt. Es geht auch und vor allem um unseren Einsatz im Weinberg des Herrn. Jesus lehrt uns eine beglückende, aber auch anstößige Wahrheit. Manch einer findet erst spät im Leben zu Gott, zum Glauben. Auch ihm schenkt Gott den vollen Lohn, den Himmel. Andere haben sich ein Leben lang abgemüht, den Weg der Tugend und des Glaubens zu gehen, haben auf manches verzichtet, Opfer gebracht.
Gegenfrage: Soll ein solcher Spätbekehrter nur einige wenige Prozente Himmel bekommen? Freuen wir uns doch, dass Gott anders kalkuliert als der Bankbeamte! Und schließlich: Ist es nicht schöner, schon früh im Leben den Weg mit Gott gegangen zu sein, trotz aller Mühen, als erst „am letzten Drücker“, gerade noch, in den Himmel zu kommen?
In jener Zeit erzählte Jesus seinen Jüngern das folgende Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der früh am Morgen sein Haus verließ, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben.
Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denar für den Tag und schickte sie in seinen Weinberg. Um die dritte Stunde ging er wieder auf den Markt und sah andere dastehen, die keine Arbeit hatten. Er sagte zu ihnen: geht auch ihr in meinen Weinberg! Ich werde euch geben, was recht ist. Und sie gingen. Um die sechste Stunde und um die neunte Stunde ging der Gutsherr wieder auf den Markt und machte es ebenso. Als er um die elfte Stunde noch einmal hinging, traf er wieder einige, dir dort herumstanden. Er sagte zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum? Sie antworteten: Niemand hat uns angeworben. Da sagte er zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg!
Als es nun Abend geworden war, sagte der Besitzer des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und zahl ihnen den Lohn aus, angefangen von den letzten, bis hin zu den ersten.
Da kamen die Männer, die er um die elfte Stunde angeworben hatte, und jeder erhielt einen Denar. Als dann die ersten an der Reihe waren, glaubten sie, mehr zu bekommen. Aber auch sie erhielten nur einen Denar.
Da begannen sie, über den Gutsherrn zu murren, und sagten: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleichgestellt; wir aber haben den ganzen Tag über die Last der Arbeit und die Hitze ertragen.
Da erwiderte er einem von ihnen: Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart? Nimm dein Geld und geh! Ich will dem letzten ebenso viel geben wie dir.
Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin? So werden die Letzten die Ersten sein.