Euch ist viel Wertvolleres als viel Geld anvertraut worden! Wie geht ihr mit dem euch übergebenen „Talent“ um?
Euch ist viel Wertvolleres als viel Geld anvertraut worden! Wie geht ihr mit dem euch übergebenen „Talent“ um?
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium 33. Sonntag im Jahreskreis,
16. November 2008 (Mt 25,14-30)
Hat Jesus einen wilden Heuschreckenkapitalismus vertreten? Einen Kapitalismus wie den, der jetzt die Weltwirtschaft an den Rand des Ruins gebracht hat? Beim heutigen Gleichnis von den Talenten könnte man auf diesen Gedanken kommen. Die „Talente“, die der reiche Mann an drei seiner Diener verteilt, sind riesige Geldsummen. Ein Talent Silbergeld, das ist eine siebenstellige Eurosumme. Er gibt ihnen diese enormen Beträge, damit sie Geschäfte machen. Die Renditen, die die beiden ersten erzielen, sind denen vergleichbar, die bei so manchen spekulativen Bankgeschäften in unseren Tagen versprochen (und zum Teil ja auch erreicht) wurden. Hundertprozentige Wertsteigerung! Verständlich, dass der Besitzer dieses Geldes sich über seinen Geschäftserfolg freut und dass er sich über den ärgert, der seinen Betrag nicht einmal als Festgeld auf die Bank gelegt hat.
Lobt also Jesus den „Turbokapitalismus“? Nein, das ist nicht sein Thema. Er sagt nur: schaut, wie es in der Welt zugeht! Denn mit Geld wurde schon damals spekuliert. Euch ist viel Wertvolleres als viel Geld anvertraut worden! Wie geht ihr mit dem euch übergebenen „Talent“ um?
Was ist uns anvertraut? Der Glauben! Das Evangelium! Die Frohe Botschaft Jesu! Was machen wir damit? Vergraben wir es? So, dass niemand es sieht? Niemand merkt, dass wir den Glauben haben? Verstecken wir ihn schamhaft wie eine geheime Privatsache? Wer seine „Talente“ nicht einsetzt, vergeudet sie. Wer mit seinen Begabungen etwas anfängt, ist ein „treuer Verwalter“, denn sie sind uns ja dafür gegeben, damit andere etwas davon haben.
Europa ist das Christentum anvertraut worden, ein großes Vermögen, denn der Glaube vermag viel. Das sieht man in Europas Geschichte: die vielen Dome und Klöster, die Spitäler und Pflegeeinrichtungen, die Sorge um Kinder, Kranke, Behinderte, der Sinn für soziale Gerechtigkeit, für den Samariterdienst an Notleidenden: all das ist das Ergebnis eines guten Wirtschaftens mit den Talenten des Evangeliums. Die Generationen vor uns haben den Schatz des Evangeliums nicht vergraben. Sie haben das Evangelium praktiziert. Wir zehren noch heute davon. Werden die nächsten Generationen das von uns sagen können?
In jener Zeit erzählte Jesus seinen Jüngern das folgende Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der auf Reisen ging: Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an.
Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen eines, jedem nach seinen Fähigkeiten.
Dann reiste er ab. Sofort begann der Diener, der fünf Talente erhalten hatte, mit ihnen zu wirtschaften, und er gewann noch fünf dazu. Ebenso gewann der, der zwei erhalten hatte, noch zwei dazu. Der aber, der das eine Talent erhalten hatte, ging und grub ein Loch in die Erde und versteckte das Geld des Herrn.
Nach langer Zeit kehrte der Herr zurück, um von den Dienern Rechenschaft zu verlangen. Da kam der, der die fünf Talente erhalten hatte, brachte fünf weitere und sagte: Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen. Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!
Dann kam der Diener, der zwei Talente erhalten hatte, und sagte: Herr, du hast mir zwei Talente gegeben; sieh her, ich habe noch zwei dazugewonnen. Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!
Zuletzt kam auch der Diener, der das eine Talent erhalten hatte, und sagte: Herr, ich wusste, dass du ein strenger Mann bist; du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Hier hast du es wieder.
Sein Herr antwortete ihm: Du bist ein schlechter und fauler Diener! Du hast doch gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe. Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten.
Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen.