Sie spüren bei ihr Verständnis, nicht Verurteilung, Zuwendung, nicht Zurechtweisung.
Sie spüren bei ihr Verständnis, nicht Verurteilung, Zuwendung, nicht Zurechtweisung.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, 8. Dezember 2008 (Gen 3,9-15.20)
Der Kampf um den 8. Dezember geht weiter. Feiertag oder Shopping - Tag? 1955 haben unsere Landsleute in der größten Volksabstimmung der 2. Republik die Wiedereinsetzung des von den Nazis abgeschafften Feiertags gefordert. Vor einigen Jahren wurde derselbe Feiertag auf dem Altar des „Weihnachtsgeschäfts“ erneut geopfert. Nicht mehr die Nazis haben ihn abgeschafft, sondern der Wahn des Wirtschaftswachstuns. Heute stehen wir vor dem Scherbenhaufen dieses „immer mehr“, „immer größer“, „immer schneller“.
Einige haben es gewagt, hier einen Gegentrend zu setzen. Sie lassen heute die Geschäfte geschlossen. Sie wollen ihrem Personal einen freien Tag nicht nehmen. Sie haben verstanden, dass wir „Ruhezonen“ im Leben brauchen, gerade im Advent. Zeiten der Besinnung.
Besinnung auf den Sinn des Festes! Neun Monate vor Maria Geburt (8.September) erinnert die Kirche an die Empfängnis Mariens durch ihre Eltern Joachim und Anna. Diese Empfängnis nennt die Kirche die „unbefleckte“, lateinisch die „immaculata conceptio“. Missverständlich und oft missverstanden. Maria wurde „ganz normal“ empfangen, wie wir alle, durch die Vereinigung ihren Eltern. Warum „unbefleckt“? War unsere, meine Empfängnis „befleckt“?
In einem sehr ansprechenden neuen Büchlein von Veronika Prüller–Jagenteufel („Den Weg zur Krippe weitergehen“, 2008) fand ich eine mir hilfreiche Deutung. Sie erinnert, dass der Titel unseres heutigen Festes „immaculata conceptio“ nicht nur auf die Empfängnis eines Kindes hinweist, sondern auch auf das Wort „Konzept“ im Sinne von Begriff, Entwurf, Modell. So hoffen wir etwa, dass die neue Regierung ein gutes Konzept hat, ein sinnvolles Programm. So sprechen wir von einem gelungenen Modell, einem brauchbaren Entwurf.
Maria – ein gelungener Entwurf, ein geglücktes Modell des Menschseins! So könnten wir mit Veronika Prüller–Jagenteufel den Sinn dieses Festes beschreiben. Die Lesung aus dem ersten Buch der Bibel, die Geschichte vom „Sündenfall“ von Adam und Eva, erinnert uns an einen missglückten Entwurf, an ein zerbrochenes Lebenskonzept. Hier wird ein Zustand geschildert, wie wir ihn nur zu gut kennen. Adam versteckt sich vor Gott, weil sein Gewissen ihn plagt. Er schämt sich und glaubt nun, Gott sei ihm böse, ja Gott sei böse auf uns Menschen. Diesen Gott beschuldigt er: Du hast mir die Frau gegeben, die mich verführt hat! Statt sich zu entschuldigen, beschuldigt er Gott und die Welt. Und so geht`s bis heute weiter.
An diesem misslungenen Konzept leiden wir alle. Ständig dreht sich das Karussell von Beschuldigen (der anderen) und Entschuldigen (sich selber). Denn alle sehnen wir uns nach einem gelungenen, glücklichen Lebenskonzept.
Von Maria glauben wir, dass sie „das geglückte Modell“ ist. Gott hat sie von Anfang an zu einem freien Geschöpf gemacht, frei von der Selbstbezogenheit, mit der wir alle zu kämpfen haben, frei von der „Erbsünde“, frei für Gott und für die Menschen. Was nicht heißt, dass sie frei von Leid und Kummer war. Sie hatte im Leben viel zu tragen, und sie war bereit dazu. Deshalb haben so viele Menschen Zutrauen zu ihr. Sie vertrauen ihr ihre Sorgen und Lasten an. Sie spüren bei ihr Verständnis, nicht Verurteilung, Zuwendung, nicht Zurechtweisung. Maria ist einfach ein wunderbares Geschenk Gottes an die Menschen, ein „Glücksfall“ für uns oft so bedrängte Menschenkinder.
Nachdem Adam von Baum gegessen hatte,rief Gott, der Herr, ihm zu und sprach: Wo bist du?
Er antwortete: Ich habe dich im Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich.
Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe?
Adam antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben, und so habe ich gegessen.
Gott, der Herr, sprach zu der Frau: Was hast du da getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt, und so habe ich gegessen.
Da sprach Gott, der Herr, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens.
Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse.
Adam nannte seine Frau Eva - Leben -, denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen.
Lukas 1, 26-38
Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria.
Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben.
Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich.
Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.