Jesus aber wendet sich nicht ab. Er hat Mitleid mit dem Leprakranken. Er hat Erbarmen mit seiner Not.
Jesus aber wendet sich nicht ab. Er hat Mitleid mit dem Leprakranken. Er hat Erbarmen mit seiner Not.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 6. Sonntag im Jahreskreis,
15. Februar 2009 (Mk 1,40-45)
Ich werde nie vergessen, wie ich die Szene des heutigen Evangeliums von jungen Leuten gespielt gesehen habe: Leprakranke, die Jesus um Heilung anflehen. Es waren junge Leute der Gemeinschaft „Cenacolo“ aus Kleinfrauenhaid im Burgenland. Ehemalige Drogensüchtige, Todeskandidaten, die sich in täglichen Dosen dem Tod immer näherspritzten, bis sie eines Tages Menschen begegneten, die wie Jesus und von Jesus bewegt, auf sie zugingen und ihnen sagten: Du sollst leben!
„Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde“. Diese flehentliche Bitte des Leprakranken drückt seine ganze Not aus, das Elend des Ausgestoßenseins. Den Aussatz, die Lepra, gibt es heute in Europa nicht mehr (wohl aber in vielen armen Ländern der Welt, wo Hilfe dringend nottut). Aber andere Formen des Aussatzes gibt es umso mehr: Ausgrenzungen aller Art. Ich brauche sie nicht aufzuzählen. Es genügt, dass ich mich selber frage: Wo schaue ich lieber weg? Bei welchen Menschen gehe ich lieber auf die andere Straßenseite? Wo sind meine Vorurteile gegen bestimmte Gruppen, „Typen“, Einzelpersonen?
Und dann hilft es, um dieses Evangelium wirklich ins Herz aufzunehmen, dass ich mich frage: Wo erlebe ich selber so etwas wie Aussatz an mir? Was stört mich an mir selber? Wo leide ich an meinen Mängeln körperlichen und seelischen? Wo kommt mir die Bitte in den Sinn und ins Herz: „Wenn du, Herr willst, kannst du mich von dieser Last, diesem Leid befreien“? Wo erfahre ich schmerzlich, dass in meinem Innersten auch viel Unreines ist? Gedanken des Hasses, Gefühle wie Neid, Eifersucht, Stolz, Verachtung, Leidenschaften aller Art: auch das gibt es in mir. Es ist wie ein Aussatz des Herzens.
Jesus aber wendet sich nicht ab. Er hat Mitleid mit dem Leprakranken. Er hat Erbarmen mit seiner Not. Er tut etwas, was nach jüdischem Gesetz, aber auch nach allen Regeln vernünftiger Hygiene verboten ist: Er streckt die Hand aus und berührt den Leprakranken. Hat er keine Angst vor Ansteckung? Graust ihm nicht vor den entstellten, verfaulten Gliedern des Aussätzigen?
Für mich heißt dieses Evangelium: Jesus, du streckst deine Hand auch nach mir aus. Du berührst liebevoll meine wunden Stellen: meine Hände, mit denen ich anderen weh getan habe; meinen Mund, mit dem ich über andere lieblos gesprochen habe. Und vor allem mein Herz, in dem so manche böse Gedanken aufgekommen sind. Auch wenn andere mich verurteilen, ja wenn ich mir selber kaum erträglich bin: Du scheust dich nicht, mich anzunehmen ja mich anzurühren!
Dieses Evangelium hilft mir, mich selber anzunehmen. Mich angenommen zu wissen. Aber es stellt mich auch vor eine große Herausforderung: wenn Jesus mich annimmt, muss ich dann nicht selber so zu handeln versuchen? Schwester Elvira, die großartige Gründerin der Gemeinschaft „Cenacolo“, hat so gehandelt. Sie hat die Leprakranken unserer Tage, die vielen drogensüchtigen jungen Menschen, nicht verachtet. Sie hat sie mit dem Blick Jesu angesehen. Hat sie berührt. Und das hat das Leben von hunderten jungen Menschen gewandelt. Und so geschieht das Wunder der Heilung auch heute (http://www.cenacolo.at).
In jener Zeit kam ein Aussätziger zu Jesus und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde.
Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will es - werde rein! Im gleichen Augenblick verschwand der Aussatz, und der Mann war rein.
Jesus schickte ihn weg und schärfte ihm ein: Nimm dich in acht! Erzähl niemand etwas davon, sondern geh, zeig dich dem Priester und bring das Reinigungsopfer dar, das Mose angeordnet hat. Das soll für sie ein Beweis meiner Gesetzestreue sein.
Der Mann aber ging weg und erzählte bei jeder Gelegenheit, was geschehen war; er verbreitete die ganze Geschichte, so dass sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen konnte; er hielt sich nur noch außerhalb der Städte an einsamen Orten auf.
Dennoch kamen die Leute von überallher zu ihm.