Sie hat den Sieger über den Tod geboren.
Sie hat den Sieger über den Tod geboren.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zur Lesung am Hochfest der
Aufnahme Marias in den Himmel,
15. August 2009
(1 Kor 15,20-27a)
Ist der Tod unser Feind oder unser Freund? Oft sagen wir: der Tod war eine Erlösung! – besonders wenn jemand lange und schwer zu leiden hatte. Ja, der Tod kann eine Erlösung sein – von quälender Krankheit, von einem Leben voller Last. Davon kann der Tod erlösen. Aber „wohin“ erlöst er? Ins Nichts? Wenn mit dem Tod alles aus ist, dann ist der Tod das totale Ende. Das glauben heute viele. Dann hat aber der Tod gesiegt. Dann hat er das letzte Wort über das Leben. Dann ist alles Leben nur ein Zugehen auf den Tod.
Was hat dann die Liebe für einen Sinn, wenn sie nur das Vorspiel des Todes ist? Was sollen dann alle schönen Momente des Lebens? Waren sie nur Vortäuschungen eines Glücks, das doch der Tod letztlich raubt? Und wie ist es mit denen, die vom Leben wenig hatten, deren Los Plagen, Leid und drückendes Unrecht war? Haben die nur einfach Pech gehabt? Gibt es für sie keine ausgleichende Gerechtigkeit in einem besseren Leben?
„Nun ist aber Christus von den Toten auferweckt worden, als der Erste der Entschlafenen“. Diese Gewissheit ist der Grund des heutigen Festes. Der Tod ist einmal, ein für allemal besiegt. Jesus Christus ist auferstanden. Er ist der Erste. Er ist der Anfang des Sieges über den Tod, der alles zu beherrschen schien.
Gleich nach ihm kommt seine Mutter. Sie hat den Sieger über den Tod geboren. Das mußte sich auch auf sie auswirken. Heute, am „großen Frauentag“, wie er im Volksmund heißt, feiern wir ihren Sieg über den Tod. Sie konnte letztlich nicht im Tod, im Grab bleiben, die uns Christus, das das Leben geboren hat. Deshalb feiern wir heute, daß sie mit Leib und Seele lebt, in der anderen Welt, in der des Himmels, wo der Tod keine Macht mehr hat, wo Gott alle Tränen abwischen wird.
Warum ist der Glauben an die Auferstehung so wichtig? Warum ist er die Kernbotschaft des Christentums? Weil wir wirklich glauben, dass der Tod nicht die Endstation des Lebens ist. Es gibt deshalb nicht nur eine Auferstehung und ein ewiges Leben nach dem Durchgang durch das enge Tor des Todes. Dieses neue, unzerstörbare Leben hat bereist vor dem Tod begonnen. Es ist schon jetzt ein Sieg über die vielgestaltigen Mächte des Todes, die in dieser Welt am Werk sind.
Jeder Blick der Liebe ist schon ein kleiner Sieg über den Tod. Jedes Wort des Verzeihens bringt neues Leben in Situationen, wo alles nur mehr tot schien. Und wie stark erleben wir die Kraft der Auferstehung, wenn junge Menschen aus der Todesspirale der Droge befreit werden!
Maria ist die erste der ganz erlösten Menschen, darum wird sie so geliebt und verehrt. Sie ist die Mutter des Lebens, und das ist einfach stärker als der Tod. Der Tod – der letzte Feind? Nicht der Tod ist die Erlösung. Die Erlösung vom Tod ist das Geschenk Christi, für Maria zuerst. Für uns alle nach ihr, mit ihr zusammen.
Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen. Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.
Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören.
Danach kommt das Ende, wenn er jede Macht, Gewalt und Kraft vernichtet hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt. Denn er muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat.
Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod. Sonst hätte er ihm nicht alles zu Füßen gelegt.