„Wollt auch ihr weggehen?“, fragt Jesus die wenigen Übriggebliebenen. Er will keinen zwingen. Er lässt jedem die Freiheit.
„Wollt auch ihr weggehen?“, fragt Jesus die wenigen Übriggebliebenen. Er will keinen zwingen. Er lässt jedem die Freiheit.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium 21. Sonntag im Jahreskreis,
23. August 2009 (Joh 6,60-69)
Die Geschichte Jesu ist eine eigenartige Mischung aus Erfolg und Misserfolg. Heute, im Evangelium dieses Sonntags, scheint wieder einmal der Misserfolg zu überwiegen.
Jesus hat „fortlaufenden“ Erfolg. Er schafft es, dass die Leute sich scharenweise von ihm abwenden. Was macht er falsch? Warum ändert er seine Strategie nicht? Warum nimmt er sich nicht, wie erfolglose politische Parteien, eine gute PR-Agentur, um eine Trendwende herbeizuführen?
Ganz im Gegenteil! Er bleibt bei seiner Linie. Er macht keine Abstriche. Er bietet nicht eine „Version light“, ein Billigangebot an, um die Leute bei sich zu halten. Dabei ist der Anhängerschwund inzwischen dramatisch, er erreicht die Kernschicht seiner Gefolgschaft. Zuerst bleiben „nur“ die Massen weg, die zwar begeistert waren, seine Heilungen und Wunder zu erleben, die aber enttäuscht sind, dass er nicht mehr aus seinem Erfolg machte. Sie hätten ihn gerne als König gesehen, als siegreichen Befreier. Als sie merkten, dass er nicht dazu bereit war, ihre Machtträume zu verwirklichen, blieben sie einfach weg.
Jetzt aber erreichte die Abfallbewegung sogar seine Anhängerschaft, seinen Jüngerkreis. Sie murrten, sie protestierten: „Was er sagt, ist unerträglich.“ Statt sie zu besänftigen, bekräftigt er seinen unbedingten Anspruch: „Die Worte, die ich zu euch gesprochen haben, sind Geist und Leben.“ Seine Worte sind nicht irgendein Schall, sie sind von Gott gedeckt, sind geisterfüllt und voller Lebenskraft.
„Daraufhin zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher.“ Übrig blieb eine kleine Schar. Hat Jesus die Latte zu hoch gelegt? Hat er zu viel verlangt? Bei manchen seiner Forderungen hatten selbst seine Anhänger den Eindruck, er überfordere die Menschen.
So zum Beispiel in Sachen Ehe: „Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“ Die Unauflöslichkeit der Ehe als von Gott gestifteten Bund – das ist bis heute ein „schwerer Brocken“, und dementsprechend tun wir uns auch schwer damit. Oder die Forderung der Feindesliebe: Wie sollen wir das schaffen? Oder Jesu Aufforderung, das Kreuz täglich auf sich zu nehmen.
Heute haben sich viele von der Kirche abgewandt. Nun könnte man sagen: Die Kirche hat eben so viele Fehler, es „menschelt“ zu sehr in ihren Reihen. Wäre es anders, wäre deshalb ein Ja zu Jesus und seinen Worten leichter? Sich auf ihn und sein Evangelium einzulassen bleibt eine Herausforderung. Aber auch eine immer offenstehende Chance.
„Wollt auch ihr weggehen?“, fragt Jesus die wenigen Übriggebliebenen. Er will keinen zwingen. Er lässt jedem die Freiheit. Und in voller Freiheit antwortet ihm Petrus mit diesem wunderbaren Wort: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“
Nein, keine andere Möglichkeit, Sinn für sein Leben zu suchen, hat Petrus mehr überzeugt als Jesus. Zu wem sollten wir denn gehen? Wer hat eine solche Kraft der Befreiung, eine so große Liebe und Barmherzigkeit wie Du? Ja, dein Weg ist anspruchsvoll, aber schön. Mit dir den Weg des Lebens zu gehen, ist ein unvergleichliches Glück. Seit 2000 Jahren erleben das Menschen immer neu. Das ist die Erfolgsgeschichte Jesu.
Viele seiner Jünger, die ihm zuhörten, sagten: Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören?
Jesus erkannte, dass seine Jünger darüber murrten, und fragte sie: Daran nehmt ihr Anstoß? Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn hinaufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war?
Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben. Aber es gibt unter euch einige, die nicht glauben. Jesus wusste nämlich von Anfang an, welche es waren, die nicht glaubten, und wer ihn verraten würde. Und er sagte: Deshalb habe ich zu euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist.
Daraufhin zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher. Da fragte Jesus die Zwölf: Wollt auch ihr weggehen?
Simon Petrus antwortete ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.