Vor Gott, vor Jesus ist alles unser Wichtigtun daneben, einfach unpassend.
Vor Gott, vor Jesus ist alles unser Wichtigtun daneben, einfach unpassend.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium 25. Sonntag im Jahreskreis,
20. Sptember 2009 (Mk 9,30-37)
Warum trauen sie sich nicht zu fragen? Warum schämen sie sich zu sagen, worüber sie geredet haben? Im heutigen Evangelium sind die Apostel erstaunlich schweigsam. Was ist nur mit ihnen los?
Zuerst sagt ihnen Jesus, was ihm bevorsteht. Er ahnt es, er weiß es: Leiden kommt auf ihn zu. Schwere Tage. Ablehnung, Auslieferung an seine Feinde, Tod, aber auch die Auferstehung. Die Apostel verstanden nicht, was er sagte. War es nicht klar genug? Doch, aber sie verstanden nicht, was das Leid bedeuten soll. Warum leiden? Muss das sein? Geht es nicht auch ohne? Warum aber trauten sie sich nicht, einfach Jesus zu fragen? Später mögen sie sich öfters gefragt haben: „Hätten wir uns doch getraut, ihn zu fragen!“
Vor der Frage, warum es so viel Leid gibt, verstummen auch wir oft. Wir trauen uns nicht, Gott zu fragen. Wir sagen: Wenn Gott gut wäre, würde er nicht das Leid zulassen! Und manche kommen zum Schluss: In einer Welt so voller Leid macht es keinen Sinn, an Gott zu glauben!
Was hätte Jesus ihnen geantwortet, wenn sie sich zu fragen getraut hätten? Was würde Gott uns antworten, wenn wir ihn „direkt“ fragen würden? Können wir das überhaupt? Bleiben wir nicht mit unseren Fragen alleine? Heute gibt Jesus eine indirekte, aber sehr klare Antwort. Wir kommen gleich zu ihr.
Vorher aber das zweite Schweigen der Apostel. Warum trauen sie sich nicht, ihm zu sagen, worüber sie unterwegs gesprochen haben? Schlicht weil es ihnen peinlich ist, zuzugeben, worüber sie geredet haben: Wer von ihnen der Größte sei. Es spricht für sie, dass sie sich für diese Diskussion schämen. Sind wir nicht immer ein bisschen lächerlich, wenn wir uns wichtigmachen, „aufpudeln“, zeigen wollen, dass wir die Besseren, die Größeren, die Stärkeren sind? Sie schweigen, weil sie spüren: Vor Gott, vor Jesus ist alles unser Wichtigtun daneben, einfach unpassend.
Gott selbst hat uns ein anderes Vorbild gegeben. Er, der wirklich Große, hat sich klein gemacht. Er hat sich „zum Diener aller“ gemacht. Vor Gott sind wir doch alle klein. Wenn wir ein wenig mehr daran dächten, wären wir weniger eitel, eingebildet, anmaßend.
Um das noch ganz deutlich und klarzumachen, stellt Jesus ein Kind in ihre Mitte und umarmt es. „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Reich Gottes gelangen“, hat Jesus einmal gesagt.
Kinder bringen uns zurück auf den Boden. Vor ihnen spielt es keine Rolle, ob du Bundespräsident, Kardinal oder was immer in der Öffentlichkeit bist. Vor ihnen zählt nur, wer du als Mensch bist. Kinder erinnern uns daran, dass wir vor Gott alle Kinder sind, und dass es uns gut tut, das immer zu sehen, wenn wir in Gefahr sind, uns zu wichtig zu nehmen.
Und nochmals: Warum das Leid? Was hätte Jesus geantwortet, wenn die Apostel sich getraut hätten, ihn zu fragen? Er hat geantwortet! Mit dem Hinweis auf das Kind. Das Leid und letztlich das Sterben müssen uns helfen, wie Kinder auf Gott zu vertrauen, dass Er es gut machen wird, über alles Leid hinaus, im ewigen Leben.
Sie gingen von dort weg und zogen durch Galiläa. Er wollte aber nicht, dass jemand davon erfuhr; denn er wollte seine Jünger über etwas belehren.
Er sagte zu ihnen: Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert, und sie werden ihn töten; doch drei Tage nach seinem Tod wird er auferstehen.
Aber sie verstanden den Sinn seiner Worte nicht, scheuten sich jedoch, ihn zu fragen. Sie kamen nach Kafarnaum. Als er dann im Haus war, fragte er sie: Worüber habt ihr unterwegs gesprochen?
Sie schwiegen, denn sie hatten unterwegs miteinander darüber gesprochen, wer (von ihnen) der Größte sei. Da setzte er sich, rief die Zwölf und sagte zu ihnen: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.
Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen: Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.