Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.
Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium 29. Sonntag im Jahreskreis,
18. Oktober 2009 (Mk 10,35-45)
Yes, we can! Mit diesem Ruf hat Barack Obama die amerikanischen Wähler begeistert. Sie haben ihn zu ihrem Präsidenten gewählt. „Ja, wir können!“ Ein Wort voller Zuversicht, Zukunftsoptimismus: Es ist möglich! Wir schaffen es! Ja, wir können! Diese positive Grundhaltung beeindruckt mich immer wieder bei den Amerikanern. Wir sehen überall vor allem die Schwierigkeiten, sie sehen die Chancen. Wir neigen zum Nörgeln, sie packen es an. Ich glaube, wir können von ihnen lernen, zumindest das: Yes, we can!
Die beiden vorlauten Apostel Jakobus und Johannes sind auch voller Hoffnung. Sie wissen, dass Jesus sie besonders gerne hat. Also hoffen sie, dass er ihnen auch besondere Plätze, besonders gute „Posten“ in seinem kommenden Reich geben wird. Dass Jesus einmal der große König und Herrscher sein wird, davon sind sie überzeugt. Wie dieses Reich aussehen wird, ob es schon in dieser Welt verwirklicht wird oder erst in der kommenden, das ist nicht so klar. Ein Reich hier auf Erden? Oder ein Himmelreich? Auf jeden Fall hoffen die beiden auf gute Plätze, jetzt schon, oder wenigstens dann im Himmel.
Jesus bremst kräftig: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet! In sein Reich kommt man nicht durch die breite Türe, auf dem bequemen Weg. Jesus ist durch das enge Tor gegangen: Er hat den Kelch des Leidens getrunken, die Taufe des Todes durchgemacht. Könnt ihr das?
„Ja, wir können.“ Mich berührt diese spontane Antwort. Wissen sie, was sie da sagen? Mir gefällt diese Großherzigkeit: Ja, wir können es! Wir sind bereit! Wir lassen uns darauf ein! Sie zögern nicht, sie zaudern nicht lange, sie sind nicht „Hinsichtl“ und „Rücksichtl“, sie sagen einfach: Yes, we can! Sie wissen nicht, was sie erwartet. Sie warten nicht, bis alles abgesichert ist, bis alle möglichen Schwierigkeiten, die es geben könnte, vorweg geklärt sind. Sie trauen sich und vertrauen, dass es schon gehen wird.
Und Jesus sagt nicht gleich: Ihr traut euch zu viel zu! Das werdet ihr nie schaffen! Ihr überhebt euch und werdet sehen, dass es nicht geht. Nein, er bestätigt ihnen: Ihr werdet den Kelch trinken, den ich trinke. Ihr werdet wie ich in den Tod getauft, eingetaucht werden. Tatsächlich ist Jakobus als erster der Apostel schon wenige Jahre nach Jesus (im Jahr 42) hingerichtet worden. Johannes dagegen starb hochbetagt als letzter der Zwölf Apostel.
Wie kommen wir zu einer ähnlichen Haltung der freudigen Bereitschaft, zu einer so hoffnungsvollen Einstellung? Jesus zeigt den klaren Weg, wie wir aus unserer „Neidgenossenschaft“, unserer nörgelnden Verdrossenheit, herausfinden. Denn genörgelt wurde schon damals. Die zehn anderen Apostel regen sich über die zwei „Streber“ auf, die sich bei Jesus wichtigmachen. Jesus ist ganz klar: So geht es in der Welt zu. So schauen die vielen Machtspiele aus, die überall ablaufen.
„Bei euch soll es nicht so sein!“ Es gibt nur einen Weg, wie wir aus der Spirale von Herrschen und Unterdrücken herauskommen: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.“ Dienen, und nicht sich bedienen lassen: Das ist der Weg, den Gott selber unter uns gegangen ist. Jesus hat gedient und sein Leben für uns gegeben. Trauen auch wir uns! Sagen wir: Yes, we can! Aber mit Deiner Hilfe, Herr.
Da traten Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, zu ihm und sagten: Meister, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst.
Er antwortete: Was soll ich für euch tun? Sie sagten zu ihm: Lass in deinem Reich einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen.
Jesus erwiderte: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?
Sie antworteten: Wir können es. Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr werdet den Kelch trinken, den ich trinke, und die Taufe empfangen, mit der ich getauft werde.
Doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die diese Plätze bestimmt sind. Als die zehn anderen Jünger das hörten, wurden sie sehr ärgerlich über Jakobus und Johannes.
Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen.
Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.