Die, die auf der Seite der acht Seligpreisungen stehen!
Die, die auf der Seite der acht Seligpreisungen stehen!
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am Allerheiligenfest,
1. November 2009 (Mt 5,1-12a)
An einem Tag des Jahres gedenkt die Kirche aller Heiligen. Wer sind sie? Wer ist heilig? Wie wird man einer von ihnen? Und ist es recht, sie zu verehren? Was bedeutet die Heiligenverehrung?
Die Heiligenverehrung ist eine Tatsache. Schauen Sie sich im Stephansdom um: Überall stoßen Sie auf Bilder und Statuen von Heiligen. An erster Stelle natürlich Darstellungen Mariens. Das berühmte Mariapocs-Bild, bei dem täglich tausende Kerzen brennen. Dass Maria von vielen geliebt und verehrt wird, ist offensichtlich. Die vielen Wallfahrtsorte sprechen davon. Was suchen wir, wenn wir sie verehren und um Hilfe bitten? Sie steht nicht an Gottes Stelle, sondern in Gottes Nähe. Deshalb vertrauen wir ihr unsere Bitten an, da wir glauben, dass sie ein weites Herz hat, so weit wie das Herz Gottes.
Die Heiligen stehen nicht zwischen Gott und uns, als Hindernis für unsere Gottesbeziehung, sondern als Ermutigung, so wie sie auf Gott zu vertrauen, so wie sie unser Leben auszurichten. Sie sind Vorbilder für ein gelungenes Leben. Und wer sehnt sich nicht danach. Und da vieles in unserem Leben nicht gelingt oder nur schwer zu ertragen ist, wenden wir uns an die, die uns helfen können. Darum bitten so viele den Heiligen Antonius um Beistand, vertrauen sich dem Schutz des Heiligen Josef an. Sieben Millionen Menschen pilgern jedes Jahr ans Grab des Heiligen Padre Pio nach San Giovanni Rotondo in Süditalien. Er ist inzwischen der populärste Heilige Italiens.
Sind Heilige eine Art „Supermenschen“, für „normale Sterbliche“ völlig unerreichbar? Genau das war nicht die Sichtweise Jesu. Wer ist für ihn „heilig“? Das sind die, die er „selig“ nennt. Heute, im Festtagsevangelium von Allerheiligen, nennt Jesus acht Wege , wie wir „selig“ und damit heilig werden können.
Und diese acht Wege stehen allen offen. Sie sind nicht Sache einer kleinen Elite von „Spitzenathleten“ der Heiligkeit, sondern sie erfordern nur ein offenes Herz und eine schlichte Einfachheit. Aber das ist gar nicht so leicht. Denn meist glauben wir, selig, glücklich werden wir, wenn wir möglichst viel Erfolg, Anerkennung, Besitz haben, wenn wir in den Augen der anderen „jemand“ sind.
Genau das Gegenteil zeigt Jesus als Weg zum Glück - und damit zur Heiligkeit. Nicht teure Markenkleidung, durchgestylte Wohnungen, Versicherungen gegen alle Gefahren machen uns glücklich. Jesus bietet einen anderen Weg: Sei barmherzig! Stifte Frieden! Meide Gewalt! Schau auf dein Herz, dass es lauter ist, von Hass ungetrübt. All das macht zwar selten reich, aber immer glücklich. Selbst dann, wenn du Trauer trägst, Verfolgung und Ungerechtigkeit erleidest. Es klingt wie eine Provokation, dass Jesus gerade die, die solche Not und Armut erleiden, selig nennt. Aber die Gegenfrage ist erlaubt: Hat ungerechtes Tun je wirklich glücklich gemacht? Hat Hass säen, andere arm machen, ungerecht behandeln, je zu einem haltbaren Glück geführt?
Wer also sind nach Jesus die Heiligen? Die, die auf der Seite der acht Seligpreisungen stehen! Und das sind viele. Nicht nur die großen, bekannten Heiligen. Da gibt es zahllose namenlose gute Menschen, die so gelebt haben. Sicher haben wir solche persönlich gekannt. Und uns gedacht: Wenn ich so leben würde, wäre mein Leben glücklich - und wohl auch ewig selig!
Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Dann begann er zu reden und lehrte sie.
Er sagte:
Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.