Gerade in Zeiten der Krise zeigt Gott seine Nähe besonders.
Gerade in Zeiten der Krise zeigt Gott seine Nähe besonders.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 1. Adventsonntag,
Lesejahr C, 29. November 2009
(Lk 21,25-28.34-36)
Eigenartiger Rat Jesu: Da kündigt er schlimme Zeiten an, Katastrophen großen Ausmaßes. Und da, gerade in diesen argen Zeiten, sollen wir uns aufrichten und unsere Häupter erheben. Also aufrechter Gang und Kopf hoch!
Wie passt das zusammen: Katastrophenwarnung und aufrechter Gang? In meiner eigenen Erfahrung hat sich das bestätigt: In schwierigen Zeiten hilft es gar nicht, den Kopf hängen zu lassen und geduckt einherzugehen. Ich erinnere mich an eine sehr schwierige Sitzung, die ich zu leiten hatte. Die Stimmung war katastrophal, aufgeheizt, aggressiv. Beim Hineingehen in den Sitzungssaal flüsterte mir ein Mitarbeiter zu: Gehen Sie aufrecht hinein, Kopf hoch! Das hat mir sehr geholfen. Es war nicht nur ein psychologischer Trick, um mir Mut zu machen. Es war Ausdruck einer Haltung des Vertrauens, der Zuversicht, dass es schon gut gehen wird. Dass Gott mich gerade jetzt nicht hängen lässt.
Das heutige Evangelium zum ersten Adventsonntag ist geradezu „maßgeschneidert“ für unsere Zeit. Jesus kündigt Naturkatastrophen an. Wir erleben sie: die Erderwärmung, die vielen gewaltigen Stürme, die Tsunamis. Und mit all dem verbunden die wachsenden Ängste um die Zukunft.
Gerade in diesen Zeiten sollen wir uns aufrichten und die Köpfe hochhalten. Nicht um uns selber Mut zu machen. Nicht so wie jene, die die Krise verharmlosen und munter weiter spekulieren. Der Grund für diese aufrechte Haltung inmitten der bedrängten Zeit ist ein anderer: Gerade in Zeiten der Krise zeigt Gott seine Nähe besonders. Christus ist in der Not unserer Tage so nahe wie schon lange nicht. Deshalb brauchen wir nicht verzagt umhergehen und eine trostlose Miene aufsetzen. Jesus nennt den Grund der Hoffnung: „Eure Erlösung ist nahe!“
In schwierigen Zeiten aufrecht und hoffnungsvoll zu bleiben, das geht nicht von selber. Jesus nennt zwei Bedingungen, damit eine solche positive Haltung gelingt: Lasst euch von den Sorgen des Alltags nicht erschüttern! Und: Flüchtet nicht in Sucht, in betäubende Zerstreuung! Beide Gefahren sind heute besonders groß. Die Alltagssorgen können einen fast auffressen: Beziehungsprobleme, Schuldenfalle, Arbeitsstress, Arbeitsplatzunsicherheit, etc. Dann drohen die Flucht in Alkohol, die Internetsucht, das Vergeuden kostbarer Lebenszeit vor dem Fernseher, kurz: Die Selbstbetäubung, um der Alltagslast zu entkommen.
Deshalb gibt Jesus noch einen positiven Rat: „Wacht und betet allzeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor Christus hintreten könnt“. Beten ist der beste Weg zur Freiheit. Die Zeit, die wir uns zum Beten nehmen, ist nie verloren. Im Gebet werden die Dinge klarer, fällt die Angst von uns ab. Das Gebet gibt dem Herzen Ruhe.
Ich erlebe es immer neu: Wenn ich mir mehr Zeit zum Beten nehme, werden die Ideen klarer, die Sorgen lichten sich wie der Herbstnebel, den die Sonne auflöst. Ich sehe deutlicher, bekomme wieder mehr Vertrauen. Und wie von selbst richte ich mich auf und hebe den Kopf hoch.
Heute ist der erste Adventsonntag. Advent heißt: Weihnachten naht. Vergessen wir den üblichen Stress. Weihnachten heißt doch: Die Erlösung ist nahe! Also: Kopf hoch!
Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen, und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres.
Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf einer Wolke kommen sehen.
Wenn (all) das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.
Nehmt euch in acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht, (so) wie (man in) eine Falle (gerät); denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen.
Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt.