Die Welt ist kein Zufallsprodukt. Sie ist von Gott geschaffen und gewollt. Sie ist getragen von dem Wort, durch das Gott alles geschaffen hat. Sie ist aber vor allem geliebt.
Die Welt ist kein Zufallsprodukt. Sie ist von Gott geschaffen und gewollt. Sie ist getragen von dem Wort, durch das Gott alles geschaffen hat. Sie ist aber vor allem geliebt.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 2. Sonntag nach Weihnachten.
3. Jänner 2010 (Joh 1,1-18)
Was war am Anfang? Die Wissenschaft nimmt an: der „Big Bang“, der „Urknall“. Eine unvorstellbare schnelle und gewaltige Explosion. Aus ihr habe sich das ganze Universum entwickelt, die Sonne, die Sterne, die Galaxien. Einmal, so die Meinung der meisten Wissenschaftler heute, einmal hat alles begonnen. Von diesem Ursprung, aus diesem Anfang, habe sich alles entwickelt – über Milliarden von Jahren hin. Zuerst die gewaltigen Massen an Sternen und dann allmählich das Leben. Besonders auf unserem so besonderen, aber auch so bedrohten Planeten Erde.
Mich fasziniert seit meiner Jugend diese Frage nach dem Ursprung: wie entstand das Universum? Wie das Leben? Wie, wo, wann entstand der Mensch? Die Naturwissenschaften haben in diesen Fragen großartige Fortschritte gemacht. Unser Wissen ist enorm gewachsen. Und wird wohl noch weiter wachsen. Denken wir nur an das weite Forschungsfeld der Genetik, mit seinen Erfolgen, aber auch seinen Gefahren.
Auf eine Frage kann freilich keine Naturwissenschaft eine Antwort geben: Warum gibt es überhaupt die Welt? Warum sind wir da? Reiner Zufall? Ist es eben irgendwie passiert, ohne Sinn und ohne Ziel? Oder steht hinter diesem gigantischen Schauspiel doch ein Sinn? Jemand, der dies gewollt hat? Auf diese Frage kann keine Naturwissenschaft eine Antwort geben. Aber die Bibel gibt Antwort. Vor allem in drei Sätzen, von denen zwei heute im Evangelium des Johannes stehen. Doch zuerst die erste Antwort.
„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Die erste, grundlegende Antwort gibt der erste Satz der Bibel. Am Anfang steht nicht ein zufälliger Urknall, sondern das Werk des Schöpfers. Wir sind nicht der Spielball eines blinden Schicksals, sondern von Gott gewollt und daher auch geliebt. Hinter allem steht ein liebevoller Plan, ein liebender Gott, Vater und Schöpfer.
Der zweite Satz steht am Anfang des Johannesevangeliums, der heute gelesen wird: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ Dieser Satz ist ein Echo auf den ersten Satz der Bibel. Das griechische Wort, das Johannes hier verwendet, ist uns gut bekannt: „Logos“. Wir kennen es aus Worten wie „Logotherapie“, das heißt Sprachtherapie. „Logik“ ist die Lehre vom vernünftigen Denken und Sprechen.
„Im Anfang war der Logos“: das heißt „Im Anfang war die Vernunft, der Sinn, das Wort“. Doch ist dieser Logos, Vernunft und Wort, nicht irgendeine Theorie, sondern eine Person. Das Wort, das im Anfang war, hat einen Namen, eine Stimme, ein Herz. Es ist Jemand und nicht Etwas. Es ist der Sohn Gottes, der eins ist mit dem Vater. Denn nie ist der Vater ohne sein Wort, seinen Sinn, seine Vernunft.
Heute aber steht ein dritter Satz in der Mitte der Frohbotschaft: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“. Die Welt ist kein Zufallsprodukt. Sie ist von Gott geschaffen und gewollt. Sie ist getragen von dem Wort, durch das Gott alles geschaffen hat. Sie ist aber vor allem geliebt. So sehr geliebt, dass Gott selber in sie eingetreten ist. Gottes ewiges Wort wurde ein Menschenkind, „hat Fleisch angenommen“, ist Mensch unter uns Menschen geworden.
Die Naturwissenschaften können uns großartig zeigen, wie vieles in der Natur „funktioniert“. Der Glaube aber sagt uns, warum wir da sind und wohin wir unterwegs sind, heimwärts zu Gott.
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott.
Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.
Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.
Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.
Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war. Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade.
Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus.
Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.