Kein Licht ist heller, schöner als das der Gotteserkenntnis. Der Heilige Geist führt uns den Weg immer tieferer Erkenntnis Gottes in unserem Leben.
Kein Licht ist heller, schöner als das der Gotteserkenntnis. Der Heilige Geist führt uns den Weg immer tieferer Erkenntnis Gottes in unserem Leben.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am Dreifaltigkeitssonntag,
30. Mai 2010 (Joh 16,12-15)
Wir haben nie ausgelernt. Nie können wir sagen: ich kann nichts mehr dazulernen. In jeder Lebensphase müssen wir Neues dazu lesen. Heuer wurde ich 65. Ich bin also ins „Seniorenalter“ eingetreten. Das kannte ich vorher noch nicht. Wir werden zwar von selber Älter, aber wir lernen nicht von selber, was zum guten Älterwerden dazugehört. Wir müssen uns bewusst darauf einstellen, „Altersspezifisches“ dazulernen.
Jesus sagt heute im Evangelium den Aposteln – und uns durch sie: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt (noch) nicht ertragen“. Alles hat seine Zeit. Alles braucht seine Zeit. Wir werden Kinder nicht mit allen unseren Erwachsenensorgen belasten. Sie könnten sie noch nicht tragen. Manche Wahrheiten können wir erst allmählich verstehen. Es braucht dazu eine gewisse Lebenserfahrung, um sie erfassen zu können. Gewisse Werte wie Treue, Freundschaft, Beständigkeit lernen wir erst im Lauf der Jahre so richtig schätzen, vor allem auch, wenn wir schmerzlich das Gegenteil erfahren haben.
Lebenslanges Lernen: das gilt in allen Bereichen, in den Beziehungen, im Beruf (bei der rasanten technischen Entwicklung müssen wir ständig Neues lernen), im eigenen, ganz persönlichen Leben. Auch im Glauben! Auch das Glauben ist ein lebenslanges Lernen. Mein Kinderglauben genügt nicht, um so manche schwere Situation im Leben zu tragen. Mein Glauben muss wachsen, reifen, sich entwickeln.
Wie lernen wir lebenslang? Das Leben selbst ist unser Lehrer. Die Erfahrungen, die guten wie die Schmerzlichen. Aber Genügen die Erfahrungen? Sie können uns auf bitter und hart machen. Wir können abstumpfen und neues Lernen verweigern, die Bereitschaft verlieren, uns zu entwickeln. Jesus hat uns deshalb einen ganz besonderen Lehrer versprochen. Einen Lehrer, der auch verhärtete, lernunwillige Herzen öffnen kann, der uns weiter führt, uns hilft, nicht stehen und stecken zubleiben.
Jesus hat den Heiligen Geist versprochen: „er wird euch in die ganze Wahrheit einführen“. Wörtlich heißt es im Originaltext: er wird euer „Wegführer“ sein. Der Weg des Lebens ist oft Kurvenreich, kennt Umwege und Sackgassen. Da mit er nicht zum Irrweg wird braucht es wegkundige Führer. Der Heilige Geist ist der stille innere Führer auf dem Weg des Lebens. Er ist „ der innere Meister“, der nicht von außen her auf uns einwirkt, sondern durch seine inneren Winke und Weisungen den Weg zeigt.
Wie wirkt dieser innere Lehrer im lebenslangen Lernprozess? Wie wirkt der Heilige Geist? So wie das Licht! Man sieht es nicht. Aber ohne es sieht man nichts. Nur wenn es Licht gibt können wir sehen. Nur wenn der Heilige Geist in uns leuchtet können wir die Wahrheit erkenne. In meinen Jahren als Universitätsprofessor hat mich das immer am meisten fasziniert, wenn ich auf den Gesichtern der Studenten sehen konnte, dass ihnen ein Licht aufging, sie etwas erfassten, ihnen etwas einleuchtete.
Alles Verstehen, jedes Er kennen in unserem Leben ist nur möglich wenn der Heilige Geist, der innere Lehrer, uns die Wahrheit aufleuchten lässt, sie uns einsticht macht.
Kein Licht ist heller, schöner als das der Gotteserkenntnis. Der Heilige Geist führt uns den Weg immer tieferer Erkenntnis Gottes in unserem Leben. Manchmal habe ich den Eindruck, ich bin erst ganz am Anfang dieses Weges. Aber ich vertraue dem Heiligen Geist. Er wird mich schon ans Ziel führen.
Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.
Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird. Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden.
Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden.