Auch der Urlaub kann zum Stress verkommen, wenn er nicht eine Zeit der Besinnung wird. Und dazu verhilft nichts besser als wenn wir uns Zeit nehmen zum stillen Ausrasten in Gottes Gegenwart, wie Maria, die sich einfach hinsetzt und Jesus zuhört.
Auch der Urlaub kann zum Stress verkommen, wenn er nicht eine Zeit der Besinnung wird. Und dazu verhilft nichts besser als wenn wir uns Zeit nehmen zum stillen Ausrasten in Gottes Gegenwart, wie Maria, die sich einfach hinsetzt und Jesus zuhört.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium 16. Sonntag im Jahreskreis,
18. Juli 2010 (Lk 10,38-42)
Für viele ist der Sommer Ferienzeit. Entspannen. Ausruhen. Weg aus dem Alltag und seinem Stress. Andere können davon nur träumen. Für sie geht der Alltag unvermindert weiter. Sie können sich keinen Urlaub leisten, aus verschiedensten Gründen. Sie müssen „hackeln“, voll im Stress bleiben. Da können schon auch etwas neidische Gedanken aufkommen. So wie die der Marta gegenüber ihrer Schwester Maria im heutigen Evangelium.
„Herr, kümmert es Dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt?“ Marta hat alle Hände voll zu tun, um ihren hohen und verehrten Gast zu bedienen. Maria, ihre Schwester, macht sich´s bequem. Sie setzt sich zum Gast und hört ihm zu, und lässt ihrer eifrigen Schwester die ganze Arbeit.
Marta und Maria, Schwestern und doch so verschieden. Die eine der geschäftige, aktive Typ, der sich schwer tut, loszulassen und einfach „dazusein“. Die andere der besinnliche, empfängliche Typ, dem es wichtiger ist, dem Gast Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken als alles möglichst gut zu organisieren. In welcher der beiden Frauen erkenne ich mich wieder?
Urlaub oder Arbeit, das entspricht nicht von vornherein Maria oder Marta. Denn vielen von uns gelingt es nicht, den Urlaub wirklich nach dem Maria-Typ zu leben. Es gibt den typischen Urlaubsstress: Kein Loslassen, sondern ein rastloses Herumreisen. Keine Ruhe, um zu sich selber zu kommen. Und umgekehrt gibt es Menschen, die auch inmitten der Arbeit die innere Ruhe bewahren, sich nicht vom Stress auffressen lassen.
Maria und Marta stehen also nicht einfach für Urlaub und Arbeitszeit, sondern für bestimmte Lebenseinstellungen. Marta ist eifrig und bemüht. Sie will ihrem Gast das Beste bieten. Sie „zerspragelt“ sich für ihn. Aber will er das? Ist es nicht wichtiger, für ihn Zeit zu haben, sich für ihn zu interessieren statt die „perfekte Hausfrau“ spielen zu wollen?
Jesus macht Marta keinen Vorwurf. Er erinnert sie nur liebevoll daran, dass es Wichtigeres gibt als möglichst viel und gut zu essen. Maria und Marta stehen für die Frage nach der richtigen Rangordnung in unserem Leben. Jesus kritisiert Marta nicht dafür, dass die sich Sorgen macht, ihrem Gast das Leben angenehm zu machen. Aber alle diese Bemühungen sollen nicht zum Stress werden, der niemandem hilft, der alle nur belastet. „Maria hat das Bessere gewählt“, sagt Jesus.
Was ist dieses „Bessere“? Nach meiner eigenen Erfahrung ist es der Vorrang von Besinnung und Gebet. Wenn ich mir Zeit nehme, mich still hinzusetzen oder niederzuknien, um innerlich zur Ruhe zu kommen, mich zu sammeln, in Gottes Gegenwart zu verweilen, dann ist der Rest des Tages viel ruhiger, weniger hektisch. Dann gelingt es, auch mitten in arbeitsintensiven Zeiten die Haltung der Maria zu bewahren.
Auch der Urlaub kann zum Stress verkommen, wenn er nicht eine Zeit der Besinnung wird. Und dazu verhilft nichts besser als wenn wir uns Zeit nehmen zum stillen Ausrasten in Gottes Gegenwart, wie Maria, die sich einfach hinsetzt und Jesus zuhört. Und dafür bleibt selbst im Arbeitsalltag ein wenig Zeit. Sie lohnt sich immer.
Sie zogen zusammen weiter, und er kam in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn freundlich auf.
Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen.
Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!
Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.