Traut euch beten, fest und voll Vertrauen! Das ist die Ermutigung Jesu. Kräftig durchatmen mit der Seele!
Traut euch beten, fest und voll Vertrauen! Das ist die Ermutigung Jesu. Kräftig durchatmen mit der Seele!
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium 17. Sonntag im Jahreskreis,
25. Juli 2010 (Lk 11,1-13)
Beten ist wie Atmen. Es gehört zum Leben. Es ist lebensnotwendig. Beten, so sagt man, sei das Atmen der Seele. Wenn es etwas so selbstverständliches ist, warum bittet dann im heutigen Evangelium einer der Jünger Jesu: Herr, lehre uns beten?
Das Atmen müssen wir nicht lernen. Es geschieht von selbst. Spontan. Automatisch. Ist das beim Beten anders? Und wie ist es mit dem Menschen, die von sich sagen, daß sie nicht oder fast nie beten? Leiden die an seelischer Erstickung?
Ich glaube, daß die meisten Menschen schon irgendwie beten. Aber es ist wie beim Atmen. Viele von uns atmen nicht richtig. Vielen von uns tät es gut, besser atmen zu lernen. Unser Atmen ist meist zu oberflächlich, geht zu wenig tief. Das hat auch schädliche Folgen für die Gesundheit. Die Lunge wird nicht genügend ausgelastet, die Sauerstoffzufuhr ist mangelhaft.
Ähnlich wie beim Beten. Es bleibt oft zu oberflächlich, geht zu wenig in die Tiefe. Die Folge davon: unser Beten ist kurzatmig. Es erfüllt die Seele zu wenig mit frischer Luft. Es stärkt und tröstet kaum. Und so entsteht der Eindruck, daß es nicht viel hilft. Und so vernachlässigen wir das Beten. Und die seelische Gesundheit erleidet dadurch Schaden.
Es muß für die Jünger Jesu etwas ganz Besonderes gewesen sein, ihren Meister beim Beten zu „ertappen.“ Jesus zog sich ja oft alleine zurück um lange, bisweilen die ganze Nacht, im Gebet zu verweilen. Gelegentlich dürften seine Jünger ihn dabei gesehen haben. Und das hat in ihnen eine Sehnsucht geweckt, so beten zu können wie sie es bei ihrem Meister erlebten.
Wie lehrt Jesus sie beten? Zuerst ohne Worte. Einfach durch sein Beispiel. Kinder lernen am besten beten, wenn sie erleben, wie ihre Eltern beten. Da brauchen die Eltern gar nicht viel zu erklären. Und doch ist es auch hilfreich, bestimmte Gebete auswendig zu lernen. Sie helfen zum Beten, können zum persönlichen Gebet eine Brücke bilden.
Jesus lehrt seine Jünger das Gebet, das das wichtigste Gebet der Christen geworden ist: das „Vater unser.“ Der Evangelist Lukas überliefert eine kürzere Fassung mit nur fünf Bitten. Bei Matthäus steht die längere mit sieben Bitten. Sie ist das gemeinsame Gebet aller Christen. Das „Vater unser“ ist so formuliert, daß grundsätzlich auch Juden und Muslime es beten könnten. Es wäre gut für unsere Seelen, es täglich zu beten.
Jesus hat uns aber nicht nur durch sein Vorbild beten gelehrt, und nicht nur ein „Mustergebet“ beigebracht. Er hat oft auch darüber gesprochen, wie wir beten sollen. Die rechte Gebetseinstellung hat er durch sehr ansehnliche Bilder ausgedrückt. Heute durch die Geschichte von dem zudringlichen Mann, der völlig ungeniert seinen Freund um Mitternacht aus dem Bett läutet um ihn um Brot für unerwartete Gäste zu bitten. So unverschämt, so lästig sollen wir unserem himmlischen Vater gegenüber sein. Er wird uns doch nicht abweisen!
Traut euch beten, fest und voll Vertrauen! Das ist die Ermutigung Jesu. Kräftig durchatmen mit der Seele!
Jesus betete einmal an einem Ort; und als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie schon Johannes seine Jünger beten gelehrt hat.
Da sagte er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen. Und erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist. Und führe uns nicht in Versuchung.
Dann sagte er zu ihnen: Wenn einer von euch einen Freund hat und um Mitternacht zu ihm geht und sagt: Freund, leih mir drei Brote; denn einer meiner Freunde, der auf Reisen ist, ist zu mir gekommen, und ich habe ihm nichts anzubieten!, wird dann etwa der Mann drinnen antworten: Lass mich in Ruhe, die Tür ist schon verschlossen, und meine Kinder schlafen bei mir; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben? Ich sage euch: Wenn er schon nicht deswegen aufsteht und ihm seine Bitte erfüllt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seiner Zudringlichkeit aufstehen und ihm geben, was er braucht.
Darum sage ich euch: Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet. Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet. Oder ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn eine Schlange gibt, wenn er um einen Fisch bittet, oder einen Skorpion, wenn er um ein Ei bittet?
Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten.