Gültig bleibt schließlich die Botschaft, daß vor Gott nicht zählt, ob Du vor den Menschen zu den Ersten gehörst.
Gültig bleibt schließlich die Botschaft, daß vor Gott nicht zählt, ob Du vor den Menschen zu den Ersten gehörst.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium 21. Sonntag im Jahreskreis,
22. August 2010 (Lk 13,22-30)
Wer kennt nicht dieses Wort des Evangeliums: „Die Letzten werden die Ersten sein!“ Heute ist es der zentrale Satz des Evangeliums. Wer ist damit gemeint? Was will Jesus sagen, wenn er eine so radikale Umkehr ankündigt? Die Ersten werden die Letzten sein, die Letzten die Ersten! Ist das eine allgemeine Regel? Oder gilt das nur in besonderen Situationen? Was hat Jesus ursprünglich wohl damit gemeint? Und was kann das heute bedeuten?
Damals, als Jesus „von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf“ zog, da hatte er eine ganz bestimmte Botschaft, und diese galt zuerst seinem eigenen Volk, seiner jüdischen Glaubensgemeinschaft. Denn Jesus wollte zuerst seinem Volk das Reich Gottes verkünden. Wie schon die Propheten vor ihm hat er zur Umkehr, zur Bekehrung aufgerufen. Er sprach von der engen Tür, durch die alle gehen müssen, wenn sie gerettet werden wollen. Er warnte davor, das Leben als bequemen, breiten Weg zu sehen. Die breite Straße führt ins Verderben, sagt er anderswo. Es ist ein schmaler, steiler Pfad, der zum Leben führt. Und Jesus fügt hinzu: viele werden diesen schmalen Pfad, dieses enge Tor nicht schaffen. „Es wird ihnen nicht gelingen.“
Drohbotschaft? Ja, wenn damit gemeint ist, daß Jesus damals sein Volk aufrütteln wollte, an ihn und sein Wort zu glauben. Ja, wenn er warnen wollte, die Entscheidung für oder gegen Gott, für oder gegen ihn, nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
Die Verantwortlichen des jüdischen Volkes haben sich damals gegen ihn entschieden. Sie haben ihm nicht geglaubt und ihn schließlich ans Kreuz geliefert. Hat Jesus sie deshalb verdammt? Hat er, der doch gepredigt hat, man solle seine Feinde lieben, sie schließlich gehaßt? Nein, er hat nur angekündigt, was dann auch tatsächlich geschehen ist: aus allen Teilen der Welt sind Völker zum Glauben gekommen. Die „Heiden“ haben Christus angenommen, während die Juden ihn großteils ablehnten. Das meint wohl ursprünglich das Wort Jesu von den Ersten und den Letzten. Das jüdische Volk, von Gott als erstes erwählt, verliert seinen ersten Platz. Die Heiden, die man gern als die „Letzten“ betrachtete, werden die Ersten im Reich Gottes sein.
Ist diese Botschaft heute verständlich? Wo ist das bleibend Gültige daran?
Gültig bleibt wohl die Ausgangsfrage: „Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?“ Es ist die Frage für jeden Menschen: Was muß ich tun, damit mein Leben gelingt? Nicht nur hier in dieser Welt, sondern für immer und ewig?
Gültig bleibt schließlich die Botschaft, daß vor Gott nicht zählt, ob Du vor den Menschen zu den Ersten gehörst. Manche, die bei den Leuten als die Letzten gelten, sind vor Gott ganz groß, eben die Ersten! Und das gilt für alle Menschen, ob Juden oder Heiden.
In jener Zeit zog Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und lehrte. Da fragte ihn einer: Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden? Er sagte zu ihnen:
Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; denn viele, sage ich euch, werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen.
Wenn der Herr des Hauses aufsteht und die Tür verschließt, dann steht ihr draußen, klopft an die Tür und ruft: Herr, mach uns auf! Er aber wird euch antworten: Ich weiß nicht, woher ihr seid. Dann werdet ihr sagen: Wir haben doch mit dir gegessen und getrunken, und du hast auf unseren Straßen gelehrt. Er aber wird erwidern: Ich sage euch, ich weiß nicht, woher ihr seid. Weg von mir, ihr habt alle unrecht getan! Da werdet ihr heulen und mit den Zähnen knirschen, wenn ihr seht, dass Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes sind, ihr selbst aber ausgeschlossen seid.
Und man wird von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen. Dann werden manche von den Letzten die Ersten sein und manche von den Ersten die Letzten.