Das müssen nicht materiell Arme sein. Das kann auch jemand sein, der materiell das Nötigste hat, dem es aber an Zuwendung fehlt.
Das müssen nicht materiell Arme sein. Das kann auch jemand sein, der materiell das Nötigste hat, dem es aber an Zuwendung fehlt.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium 26. Sonntag im Jahreskreis,
26. September 2010 (Lk 16,19-31)
Reichtum ist nicht etwas Böses. Aber dem, der den Reichtum hat, kann er gefährlich werden. Davor hat Jesus oft gewarnt, vielleicht am schärfsten im heutigen Gleichnis vom armen Lazarus und vom reichen Prasser. Diesem geht es gut, jenem schlecht. Der Reiche kleidet sich in feinste, teure Gewänder, der Arme ist in Lumpen. Der Tisch des Reichen ist köstlich gedeckt, der arme Lazarus hätte gern mit den Abfällen vom Tisch des Reichen seinen Hunger gestillt.
Nach dem Tod ist es genau umgekehrt: Der Arme ist selig im Himmel, der Reiche leidet Höllenqualen. Jesus warnt: Der Reiche hat zu Lebzeiten schon alles an Gütern gehabt, Lazarus dagegen nur Schlechtes. Jetzt wird er getröstet, der Reiche aber leidet große Qual.
Ist das primitives Rachedenken? Billiger Trost für die Armen? Vertröstung auf ein besseres Jenseits nach der Not im Diesseits? Genau das Gegenteil: Es ist die dringende Aufforderung an den Reichen, seine Chance jetzt zu ergreifen. Sie ist ganz nahe, sie liegt vor seiner Tür. Er muss nur hinschauen. Er braucht nur das Naheliegende zu tun: von seinem vollen Tisch dem hungrigen Lazarus zu essen zu geben.
Doch genau da liegt die Gefahr des Reichtums. Er macht so leicht den, der ihn hat, zu seinem Gefangenen. Reichtum blendet. Er macht blind für die Not. Der Reiche glaubt, sich alles leisten zu können. Der Wohlstand macht ihn überheblich. Und so übersieht er den Armen, der vor seiner Türe liegt. Zuerst stört ihn der Anblick dieses Elends. Anfangs erinnert ihn der arme Lazarus noch daran, dass er selber einmal arm und notleidend werden könnte. Doch dann gewöhnt er sich an diesen Anblick, denkt sich: So ist eben das Leben! Und schließlich vergisst er, dass Lazarus hungernd vor seiner Türe liegt. Er lässt sich von allem, was sein Reichtum ihm bietet, ablenken. Er eilt von Vergnügen zu Vergnügen. Leid muss verdrängt werden. Sein Herz wird hart und blind, geblendet von sich und seinem Wohlergehen.
Was macht ihn schließlich zur Beute der Hölle? Nicht das Böse, das er getan hätte, sondern das Gute, das er nicht getan hat. Das Gute nicht zu tun gibt dem Bösen Raum. Deshalb warnt Jesus so energisch vor der Gefahr des Reichtums. Er tröstet den Armen, dem in dieser Welt so viel Elend widerfahren ist. Und er droht dem Reichen, der in diesem Leben schon alles gehabt hat.
Wer ist dieser reiche Prasser? Meint Jesus nur die „Superreichen“? Ich glaube, er meint jeden von uns. Denn alle haben wir unseren Lazarus vor der Türe. Das müssen nicht materiell Arme sein. Das kann auch jemand sein, der materiell das Nötigste hat, dem es aber an Zuwendung fehlt. Wer ist in meinem Leben so ein Lazarus, den ich einfach übersehe, der hungert und friert, weil es an Liebe fehlt?
Um den Lazarus vor meiner Türe zu sehen, brauche ich keinen, der aus dem Jenseits mich zu warnen käme. Ich muss nur die Augen öffnen, das Herz am rechten Fleck haben. Daran entscheidet sich freilich Himmel oder Hölle.
In jener Zeit sprach Jesus: Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag herrlich und in Freuden lebte.
Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war. Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel. Stattdessen kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren.
Als nun der Arme starb, wurde er von den Engeln in Abrahams Schoß getragen.
Auch der Reiche starb und wurde begraben. In der Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt, blickte er auf und sah von weitem Abraham, und Lazarus in seinem Schoß.
Da rief er: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir, und schick Lazarus zu mir; er soll wenigstens die Spitze seines Fingers ins Wasser tauchen und mir die Zunge kühlen, denn ich leide große Qual in diesem Feuer.
Abraham erwiderte: Mein Kind, denk daran, dass du schon zu Lebzeiten deinen Anteil am Guten erhalten hast, Lazarus aber nur Schlechtes.
Jetzt wird er dafür getröstet, du aber musst leiden.
Außerdem ist zwischen uns und euch ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund, so dass niemand von hier zu euch oder von dort zu uns kommen kann, selbst wenn er wollte.
Da sagte der Reiche: Dann bitte ich dich, Vater, schick ihn in das Haus meines Vaters! Denn ich habe noch fünf Brüder. Er soll sie warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen.
Abraham aber sagte: Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören.
Er erwiderte: Nein, Vater Abraham, nur wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie umkehren.
Darauf sagte Abraham: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.