Wer weiß, dass wir arme Sünder sind, dem wird Gott das leere, sehnsüchtige Herz mit seiner Barmherzigkeit füllen!
Wer weiß, dass wir arme Sünder sind, dem wird Gott das leere, sehnsüchtige Herz mit seiner Barmherzigkeit füllen!
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium 30. Sonntag im Jahreskreis,
24. Oktober 2010 (Lk 18,9-14)
Es ist eines der berühmtesten Gleichnisse Jesu: der Pharisäer und der Zöllner! Wie meisterhaft Jesus die Kunst des Geschichtenerzählens beherrscht! Es sind keine Märchen. Es sind Geschichten aus dem Leben, genau beobachtet und auf den Punkt gebracht. Es fällt nicht schwer, sich die Szene vorzustellen, sie nachzuempfinden. Und immer machen die Gleichnisse Jesu betroffen. Sie wirken wie ein Spiegel, in den hineinzuschauen nicht nur angenehm ist.
Zwei Männer gehen in den Tempel in Jerusalem, um zu beten. Noch ehe sie ein Wort des Gebetes sprechen, sagt ihre Haltung schon viel aus. Der eine, der fromme Pharisäer, „stellt sich hin“, selbstbewusst, ganz vorne, wo die Angesehenen, die „Wichtigen“ stehen. Der andere, der Zöllner, der verachtete Steuereintreiber, “blieb ganz hinten stehen“, als habe er im Tempel, im Haus Gottes gar keinen Platz, so unwürdig kommt er sich vor. Er wagt nicht aufzublicken, seine Augen zum Himmel zu erheben. Scham über sein Leben lässt ihn zu Boden blicken.
Die „Körpersprache“ der beiden ist bereits deutlich genug. Das Gebet, das sie sprechen, macht es noch klarer. Der Pharisäer „sprach leise dieses Gebet“ (wörtlich: „betete Folgendes zu sich selber“). Er spricht zwar Gott an, meint aber sich selber. Er erzählt Gott, was er alles an Frömmigkeit leistet, als wüsste Gott das nicht sowieso. In Wirklichkeit redet er mit sich selber. Er schaut sich im Spiegel seiner Selbstgefälligkeit an. Und findet dabei, um wieviel er doch besser ist als „die anderen Menschen.“ Rundherum findet er nur Grund und Anlass, die anderen zu verachten, „die Räuber, Betrüger, Ehebrecher.“ Und dann wird er ganz konkret: Gott sei Dank bin ich nicht wie dieser Zöllner da hinten!
Und tatsächlich hat der Pharisäer Einiges vorzuweisen. Er hält sich vorbildlich an die strengen Fastenregeln der Juden: Dienstag und Donnerstag halten die gläubigen Juden das Fasten ein, wie es bei den Christen (früher) Mittwoch und Freitag üblich war (das haben wir leider weitgehend vergessen!). Und er zahlt brav seine Tempelsteuer, die deutlich höher war als der heutige Kirchenbeitrag (die Bibel schrieb den „Zehent“ vor, also 10 Prozent).
Keine Frage: der Mann ist fromm und eifrig. Warum bekommt er von Jesus so eine scharfe Abfuhr? Was hat er falsch gemacht? Nichts! Nur seine Haltung war verkehrt. Jesus verurteilt doch nicht das Fasten und Beten! Sehr wohl aber die Einstellung des Pharisäers. Jesus erzählt dieses Gleichnis einigen Leuten, „die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten.“
Das ist der Unterschied: der Zöllner wusste, dass er Gott nichts vorzuweisen hatte außer seiner Sünden. Er findet in sich nur sein Versagen, seinen Mangel an Tugend, an Frömmigkeit. So kann er nur beten: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“
Die Lektion ist klar: wer von sich und seinen Leistungen voll ist, hat keinen Platz vor Gott. Wer weiß, dass wir arme Sünder sind, dem wird Gott das leere, sehnsüchtige Herz mit seiner Barmherzigkeit füllen!
In jener Zeit erzählte Jesus einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, dieses Beispiel:
Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.
Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe dem Tempel den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.
Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!
Ich sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.