Er ist doch kein Gott der Toten, sondern der Lebenden. Für Ihn sind alle lebendig.
Er ist doch kein Gott der Toten, sondern der Lebenden. Für Ihn sind alle lebendig.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium 32. Sonntag im Jahreskreis,
7. November 2010 (Lk 20,27-38)
Mit dem Tod ist alles aus. So denken viele heute. So dachten damals die Sadduzäer, eine der jüdischen Religionsparteien zur Zeit Jesu. Und vieles spricht dafür. Der Tod zerstört so viel. Zuerst ein Menschenleben. Oft mitten aus dem Leben herausgerissen. Ein Mensch ist einfach weg. Unersetzlich. Unwiederbringlich. Und mit dem Tod dieses Menschen geht vieles verloren. Wie viel Wissen, Erfahrung, Lebensweisheit geht für immer ins Grab, wenn jemand stirbt! Gelerntes kann nicht vererbt werden. Jede Generation muss es neu lernen. Der Tod raubt ständig kostbare schätze an mühsam Erworbenem. Tot ist tot!
Andere zur Zeit Jesu glaubten fest an ein Leben nach dem Tod. So die Partei der Pharisäer. Und Jesus selber. Aber wie konnten die Verfechter der Auferstehung das „beweisen?“ Keiner ist von drüben zurückgekehrt. Ist das nicht alles fromme Einbildung, dass die Toten nach dem Tod leben? Ein billiger Trost, um den Schmerz des Todes besser zu verkraften? So viele Fragen stellen sich. Frage eines Kindes nach dem Tod eines anderen Kindes: „Bleibt es im Himmel ein Kind – oder wird es weiter wachsen?“ Ja, wie werden wir „drüben“ sein? Alt, jung? „Nur“ eine Seele – oder auch mit einem Leib? Und dann Fragen wie die im heutigen Evangelium. Auf die modernen Verhältnisse angewandt: wer wird zu wem gehören – wo so viele heute mehrere Lebenspartner gehabt haben?
Man spürt direkt, wie die Sadduzäer sich freuen, Jesus mit ihrer Frage in Verlegenheit zu bringen. Sieben Männer hat diese Frau gehabt. Wem soll sie denn jetzt, im ewigen Leben gehören? Jesus lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Unaufgeregt zeigt er ihnen, dass sie im Irrtum sind. Wenn es um das Leben nach dem Tod geht, dann begehen wir alle leicht den Fehler, uns das „Jenseits“ einfach als eine Verlängerung des „Diesseits“ vorzustellen. „Drüben“ geht es einfach weiter wie hier, nur mühelos und ohne Ende.
Nein, sicher nicht! Es ist sicher ganz anders, als wir uns das vorstellen können. Wir kennen nur Zeit und Raum, nicht die Ewigkeit. Wie falsch ist die Vorstellung von der Ewigkeit als einer endlos langen Zeit. Das wäre ein Horror. Ohne Ende immer das Selbe. Die, die sagen: mit dem Tos ist alles aus! – sie haben nicht ganz Unrecht. Denn mit dem Tod ist alles vorbei, was wir uns vorstellen können.
Wirklich alles? Ist Gott vorbei? Wir können uns Gott nicht vorstellen. Aber wir können an ihn glauben und ahnen, dass Er da ist. Ist die Liebe vorbei? Ja, der Tod bricht die Liebe ab! Nein, die Liebe ist stärker als der Tod! Das wissen die Liebenden. Jesus sagt es uns klar: Wenn Gott die Liebe ist, dann ist keiner, der ihn liebt, für ihn tot. Alle unsere Toten sind für ihn nicht tot. „Er ist doch kein Gott der Toten, sondern der Lebenden. Für Ihn sind alle lebendig.“ Wenn es Gott gibt, gibt es das ewige Leben!
In jener Zeit kamen einige von den Sadduzäern, die die Auferstehung leugnen, zu Jesus und fragten ihn: „Meister, Mose hat uns vorgeschrieben: Wenn ein Mann, der einen Bruder hat, stirbt und eine Frau hinterlässt, ohne Kinder zu haben, dann soll sein Bruder die Frau heiraten und seinem Bruder Nachkommen verschaffen.
Nun lebten einmal sieben Brüder. Der erste nahm sich eine Frau, starb aber kinderlos. Da nahm sie der zweite, danach der dritte, und ebenso die anderen bis zum siebten; sie alle hinterließen keine Kinder, als sie starben. Schließlich starb auch die Frau. Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein? Alle sieben haben sie doch zur Frau gehabt.
Da sagte Jesus zu ihnen: Nur in dieser Welt heiraten die Menschen. Die aber, die Gott für würdig hält, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, werden dann nicht mehr heiraten. Sie können auch nicht mehr sterben, weil sie den Engeln gleich und durch die Auferstehung zu Söhnen Gottes geworden sind.
Dass aber die Toten auferstehen, hat schon Mose in der Geschichte vom Dornbusch angedeutet, in der er den Herrn den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs nennt.
Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn sind alle lebendig.