Jedes Kind ist ein Geschenk Gottes. Ein Gotteskind. Ein Menschenkind. Ein kleines Wunder.
Jedes Kind ist ein Geschenk Gottes. Ein Gotteskind. Ein Menschenkind. Ein kleines Wunder.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am
Hochfest der Geburt des Herrn,
24. Dezember 2010 -
Christmette (Lk 2,1-14)
Windeln! Wer kennt sie heute noch, die guten alten Windeln! Und die Mühsal, sie zu waschen und zu trocknen! In Zeiten der Pampers, der Wegwerfwindeln. Als mein jüngster Bruder zur Welt kam wohnten wir (damals acht Personen) in einer kleinen Wohnung. Im Zimmer, in dem der Ofen stand, wurden die Windeln zum Trocknen aufgehängt. Ich erinnere mich noch gut an diesem eigenen Geruch der frisch gewaschenen Windeln. Auch zu Weihnachten war es so. Der kleine Christbaum war fast verdeckt von den quer durch das Zimmer hängenden Windeln. Und im kleinen Bett der kleine Bruder, noch keine zwei Monate alt… Weihnachten 1954!
Unsere Mutter erzählte uns oft von der Flucht, 1945 im Herbst, aus Böhmen nach Österreich. In der Hast konnte sie nur zwei Koffer mitnehmen. Im einen einige wertvollere Sachen, im anderen notdürftige Kleidung – und Windeln! Für mich, der knappe neun Monate alt war.
Das geht mir durch den Kopf und durch das Herz, wenn ich heute Abend das Evangelium von der Geburt Jesu im Stall von Bethlehem lese, wenn ich es bei der Bescherung, beim Christbaum vorsinge, nach der schönen alten Weihnachtsmelodie. Die Erinnerung verklärt die Dinge, gibt ihnen einen wehmütigen Glanz. Die Wirklichkeit war herb. Damals in Bethlehem. Damals auf der Flucht. Heute an vielen Orten der Welt. Mütter in Not, Familien auf der Flucht, Armut und Abgewiesen Werden.
Bethlehem bleibt Gegenwart!
Aber nicht nur die Armut von Bethlehem, auch die Freude dieser Nacht bleibt. Das Einmalige an dieser Nacht macht sie für alle Zeiten gegenwärtig: Das Kind, das da von diesen armen Eltern geboren wird, das Maria, die Mutter, in Windeln wickelt und in eine Krippe legt, ist Gottes eigener Sohn. Menschenkind und Gottessohn. Der Ewige, der in die Zeit kommt. Der Unendliche, der sich in unsere Endlichkeit, in eine kleine, enge Menschennatur einschließt.
Not und Freude der Geburt sind Gottes Weg in unsere Welt geworden. Der Glanz der Weihnacht liegt seither auf allen armen Orten, wo ein Menschenkind zur Welt kommt. Gott selber hat es auf sich genommen, ein Menschenkind zu werden, in Windeln gewickelt in einer Krippe zu liegen.
Ein Lehrer der frühen Kirche soll gesagt haben: „Niemals werde ich einen Gott in Windeln anbeten!“ Die Kirche hat ihn daraufhin ausgeschlossen, ihn als „Häretiker“, als Irrlehrer betrachtet. Er hieß Nestorius. Vielleicht ist er missverstanden worden, vielleicht hat er sich nicht richtig auszudrücken verstanden. Eines ist sicher: Wir beten dieses Kind an, das in Windeln gewickelt ist. Weil wir glauben, dass es Gott selber ist, Gottes Sohn.
Jedes Kind ist ein Geschenk Gottes. Ein Gotteskind. Ein Menschenkind. Ein kleines Wunder. Ein großes Wunder! Wenn Gott als kleines Kind zu uns kommen wollte, dann haben selbst die Windeln eine neue Würde bekommen. Das bleibt gültig – auch in Zeiten der Pampers!
In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien.
Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete.
Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.
In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen, und der Glanz des Herrn umstrahlte sie.
Sie fürchteten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.
Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.
Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.